hallo Inga,
ich war ein paar Monate nicht mehr hier. Ich knüpf jetzt einfach mal hier an ;D in der Hoffnung dass du das irgendwann mal liest.
Zitat von Inga1971:Was meinst Du hiermit:
generell möglichst wenig Angst zu empfinden und Situationen die ziemlich sicher Angst hervorrufen möglichst zu meiden.
-- um zur Ruhe zu kommen? Sprich das Thema für eine Zeit auf Eis legen?
es geht dabei darum die Nerven zu beruhigen. Stell dir vor du hast den Arm gebrochen. Wenn du den Arm nicht ruhigstellst wird die Wunde immer wieder aufbrechen und der Arm wird nicht heilen. In dem Fall muss man den Arm ruhigstellen, eingipsen, damit man ihn auf keinen Fall belastet. Wie man den Arm das nächste mal nicht bricht, darum kann man sich erst kümmern wenn der Arm weider einsatzbereit ist. Das Gleiche gilt für das Nervensystem. Das ist jetzt bei dir so aufgerieben und empfindlich, dass die kleinste Berührung einen sofortigen Rückfall verursacht. Ich kenne mich mit Medikamenten nicht aus aber sollte es ein Präparat geben dass diese Ruhigstellung erreichen kann(das heisst du empfindest keine Angst mehr), dann nimm das ein, über eine lange Zeit, Jahre wenn es sein muss.
Zitat von Inga1971:Sei es durch Überwindung, sei es mit Hilfe der geeigneten Medikamente, sei es indem du dieser Sache schlicht aus dem Weg gehst.
-- Warum Überwindung?
Überwindung hat eine längere Ruhephase zur Folge. Ich kann dir das an meinem Beispiel erklären. Meine Ängste waren ursprünglich eine Sozialphobie, die wiederum auf ein Trauma in der Kindheit zurückzuführen ist. Wenn mich jemand nur anschaut werde ich nervös, kann mich nicht mehr auf das wesentliche konzentrieren und verliere das Thema, das Gespräch oder was auch immer ich gerade gemacht habe, aus den Augen. Es fühlt sich etwa so an, als ob du zur Musik tanzt und plötzlich nimmst du deine Bewegungen ohne die Musik wahr. Du versuchst dann eine Weile lang weiterzumachen aber ohne die Musik macht nichts einen Sinn. Die Musik ist deine Seele, die du in dem Moment nicht wahrnimmst, denn die Angst überlagert alles. Das Ganze hat mir so Angst gemacht, dass es sich von dieser Sozialphobie entkoppelt hat und auch ohne Zutun anderer Menschen aufgetreten ist. So hat die Angst vor der Angst angefangen und wurde immer intensiver bis zur totalen Panik.
Als es das erste mal öffentlich passierte stand ich in einem voll besetzten Linienbus. Ich muss dazu sagen, dass ich mir das extra ausgesucht hatte um meiner Sozialphobie zu begegnen. Das war so eine Art Selbsttherapie-Versuch von mir. Ich beschloss also die öffentlichen Verkehrsmittel zu benutzen um mich irgendwie zu heilen. Diesmal war es anders. Jeder und Jede schaute mich an in diesem Bus und ich spürte wie die Panik in mir hoch kroch. Das letzte, das wirklich allerschlimmste was mir passieren konnte, war in diesem Linienbus vor allen Leuten eine Panikattacke zu kriegen. Ich schwitzte und versuchte krampfhaft nicht verkrampft zu wirken. Dadurch wurde es noch schlimmer ! Es war so weit, kurz vor dem Ausbruch des Vulkans. Meine Gesichtszüge zuckten und ich würde demnächst zu Boden gehen. Ich wusste dass es jetzt geschehen würde, es gab kein zurück, keine Fluchtmöglichkeit wie sonst. Es war so weit, ich würde jetzt sterben. Da liess ich alles los, mein Leben, die gesamte Existenz. Dies war mein letzter Atemzug und ich wusste es.
Das hat mich total befreit. Ich war frei, frei, frei wie noch niemals zuvor. Ich schwebte, ich war unzerstörbar. Die Angst fiel von mir ab wie das Laub von den Bäumen im Herbst. Es war ein äusserster Grad von Erleichterung, gemessen am Grad der Panik die ich noch 1 Sekunde zuvor empfunden hatte. Ich hatte sämtliche Ängste die es gibt auf einmal überwunden. Nichts machte mir mehr Angst und ich tat alles was ich sonst nie getan hätte. Dieser Zustand hielt ungefähr 3 Tage lang an. Ich habe mich in der Zeit andauernd getestet ob ich jetzt wirklich gaaaanz sicher nicht mehr zurückfallen kann. Ganz nach dem Motto: Der Krug geht solange zum Brunnen bis er bricht, hab ich's dann am dritten Tag geschafft. Die Panik war wieder da. Ich hatte jetzt ein neues Ziel im Leben: Dieser Zustand musst wieder her. Ich wollte nichts mehr als nur noch diesen Zustand erleben. Wie eine Dro., ich war sofort süchtig danach. Es dauerte über ein Jahrzehnt bis ich mir klar war, dass man die Angst vor dem Tod nicht dauerhaft überwinden kann, nachdem ich diesen Zustand immer und immer wieder erreicht und wieder verloren hatte. Es widerspricht dem Überlebensinstinkt der jedem Lebewesen innewohnt.
Fortsetzung folgt im nächsten Post..