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Angst vor Therapie in psychosomatische Klinik

Svennel
Hey Zusammen,

Ich bin neu hier im Forum, lese schon seit einigen Wochen still mit und beschäftige mich intensiv mit dem Thema Depression, PTBS und der Möglichkeit einer Therapie.

Ich stehe aktuell auf der Warteliste für eine vollstationäre Behandlung in einer psychosomatischen Klinik und bin einerseits froh darüber habe aber auch Angst davor.

Ich weiß das ich etwas tun muss und so nicht weiter machen kann und habe mich auch selbst nach einem Gespräch mit einer Psychotherapeutin in so einer Sprechstunde dazu entschieden.

Ich dachte ich wäre über meine Vergangenheit und Kindheit hinweg da ich vor 14 Jahren mal einen Zusammenbruch und eine Depression hatte und es mir danach gut ging.

Was ich aber nie verstanden habe ist das ich mich immer weiter selbst zerstört habe und mein Körper dies nicht mehr mit macht.

Vielleicht sollte ich dies einmal genauer erklären:

Ich lebe nur für die Arbeit, für meinen Sohn, Freunde, Familie. Ich gehe nicht gerne zum Arzt wenn ich Krank bin, ich gehe einfach weiter arbeiten. Ich Halse mir mehr auf als ich bewältigen kann, arbeite 50-60 Std die Woche und schreibe meine Stunden nicht auf. Nein sagen fällt mir unendlich schwer oder ich kann es gar nicht, die Angst dann nicht mehr lieb gehabt oder gebraucht zu werden ist einfach zu groß. Um Hilfe bitten kann ich auch nicht.

Ich weiß mittlerweile das dies auch an meinem nicht vorhandenen Selbstwertgefühl liegt.

Seit einem Jahr hat meine Gesundheit und mein Körper angefangen verrückt zu spielen: Tinnitus, extremes Zähneknirschen, Rücken-Brust-Nackenschmerzen, entzündliche Autoimunerkrankungen. ich habe mich dann nur wegen ner Erkältung die nicht schlimm war krank schreiben lassen und dann wieder weiter gearbeitet.

Dann kam vor ca. 2 Monaten der große Knall, seit dem geht nichts mehr.

Ich bin so unendlich müde, antriebslos. wahnsinnig erschöpft, depressiv und undicht.

Mit undicht meine ich, plötzlich kommen sie wieder hoch, Bilder, Gefühle. Ängste. aus meiner Kindheit.

Ich weiß ich kann es nicht mehr ignorieren ich muss und möchte mich meiner Vergangenheit/Kindheit stellen.

Aber ich habe Angst. Angst vor dem was ich bereits weiß und noch mehr Angst vor dem was ich Verdrängt habe und erst noch zum Vorschein kommt.

Wie sind eure Erfahrungen mit einer stationären Therapie? Hattet ihr auch Angst davor?

Ich neige dazu alles Wort wörtlich in mich hinein zu futtern. Anstatt das ich nichts esse. esse ich zu viel.

Ich möchte endlich das alles hinter mir lassen und nach vorne Blicken aber ohne Therapie wird das nichts und das weiß ich.

Sry für den langen Text.

LG

Svennel

05.11.2021 09:33 • x 5 #1


A
Zitat von Svennel:
Sry für den langen Text.

Liebe Svennel,
der Text war auf keinen Fall zu lang
und genau richtig, um dich zu beschreiben.
In manchen Punkten bin ich ähnlich wie du.
Bezüglich der Klinik kann ich dir leider gar nichts schreiben. Aber es gibt etliche Foris hier, die dir berichten können.
Viele Grüße von Anchiwa

05.11.2021 09:42 • x 3 #2


A


Hallo Svennel,

Angst vor Therapie in psychosomatische Klinik

x 3#3


Svennel
Liebe Anchiwa,

Danke für deine Antwort. Es ist schon hilfreich zu wissen das man nicht alleine ist.

Lg

05.11.2021 09:51 • #3


Heideblümchen
Guten Morgen, @Svennel ... du hast fast wörtlich meine eigene Situation wiedergegeben. Dieses immer 120 % geben. Für andere, nicht für sich. Und immer auf der Suche nach Anerkennung. Und belastet mit Ängsten, dem allen nicht gerecht zu werden, es nicht zu schaffen. Und so wie auch du stehe ich in den Startlöchern, um in einer psychosomatischen Reha aufzuarbeiten, was hinter mir liegt. Mir macht es auch Angst, sehr große sogar, denn ich befürchte, durch meine Kindheitserlebnisse könnte es für mich sehr schwierig werden, wochenlang allein ohne Familie und unter Menschen, die ich nicht kenne, denen ich erst mal vertrauen muss und in deren Behandlung ich mich begeben muss, zu sein.
Ich für mich habe auch den dringenden Wunsch, mir helfen zu lassen und da bin ich vielleicht ein klitzekleines Stück weiter als du: ich vertraue darauf, dass dort Fachleute sind, die sich mit genau dem, weswegen ich dorthin fahre, auskennen. Dass ich endlich reden darf. Ich habe zwar eine Therapeutin und einen Neurologen, aber, wie das fast überall so ist, ist dort die Redezeit begrenzt und ich fühle mich nicht wirklich unterstützt und für voll genommen, außerdem läuft das immer unter einem gewissen Zeitdruck.

Liebe @Svennel ..... du bist auf einem sehr guten Weg. Du hast erkannt, dass es so nicht weiter geht. Du hast auch sehr gut reflektiert, woher deine Probleme kommen, aus welcher Zeit, welche Ursachen sie haben und welche Auswirkungen. Wir beide stehen am Anfang der Aufarbeitung und ich kann dir nur ein bisschen Stärke und Hoffnung von mir mitgeben, dass wir beide in den jeweiligen Kliniken die Hilfe und Unterstützung bekommen, die uns wirklich weiter bringt. Die ein bisschen Heilung, Linderung und Klarheit bringt. Das wünsche ich mir für mich und auch für dich.

Da es noch mehrere Monate dauern wird, bis ich in die Klinik komme (die Wartezeit ist wirklich sehr lang), habe ich mich intensiv mit den Gefühlen beschäftigt, die die Vorbereitungszeit in mir auslösen. Angst vor dem Ungewissen, vor fremden Menschen, vor den Behandlungsmethoden. Aber auch mit dem, was dabei zutage kommen wird und könnte, von dem ich jetzt im Moment nur ahnen kann, was kommt. Aber ich habe beschlossen, mich zu öffnen, sonst kann mir keiner helfen. Ich muss ehrlich sein, auch wenn es weh tut. Und die Hoffnung, dass ich NICHT an Menschen gerate, die mich nicht verstehen oder die mich zu etwas zwingen, was ich nicht will, die stirbt zuletzt. Vielleicht kannst du dich auch mit positiven Gedanken und der Hoffung auf Hilfe bis zu deinem eigenen Aufenthalt dort über Wasser halten. Dir mal überlegen, was du dir erhoffst. Das mal aufschreibst. Dir Punkte aufschreibst, wo Handlungsbedarf ist. Aber auch, was du selber schon geschafft hast (die Selbsterkenntnis, die Selbstkritik, die ja nicht schlimm ist).
Ich wünsche dir von Herzen, dass dir bald geholfen wird und du mit einem guten Gefühl in deine Klinik startest.
Sorry auch hier für den langen Text, aber es hat mich wirklich getrieben, dir zu antworten, denn es geht mir exakt so wie dir! Wir schaffen das! Liebe Grüße, das Heideblümchen

PS: @Anchiwa4964 .... fühl dich lieb gedrückt.

05.11.2021 10:09 • x 5 #4


Svennel
Liebe @Heideblümchen,

Vielen Lieben Dank für deine so offene und ehrliche Antwort!

Es ist doch verblüffend und auch ein wenig erschreckend wie sehr die Kindheit einen auch noch heute prägt.

Zitat von Heideblümchen:
Vielleicht kannst du dich auch mit positiven Gedanken und der Hoffung auf Hilfe bis zu deinem eigenen Aufenthalt dort über Wasser halten. Dir mal überlegen, was du dir erhoffst. Das mal aufschreibst.


Das werde ich mir tatsächlich zu Herzen nehmen, danke für diesen Ansatz.

Ich habe mich tatsächlich für die psychosomatische Klinik Ginsterhof entschieden. Es gab für mich auch keine Alternative. Dort habe ich das Gefühl das ich endlich ehrlich sein kann, ehrlich zu den Fachleuten dort und vor allem endlich einmal ehrlich zu mir selbst.

Ich möchte endlich lernen offen über meine Gefühle zu sprechen und habe mir vorgenommen ab jetzt immer die Wahrheit zu sagen wenn es darum geht was mich bewegt und wie es mir geht.

Ich hatte schon das Vorgespräch dort und es war wirklich gut. Ich konnte klar sagen was ich möchte: lernen nein zu sagen, mich meinen Ängsten stellen, lernen um Hilfe zu bitten und lernen wie ich meine Wut und Traueigkeit raus lassen kann. Es ist hauptsächlich tiefen psychologisch aber ich bekomme auch Verhaltenstherapeutische Ansätze.

Ich hoffe @Heideblümchen du wirst dich in deiner Rehaklinik wohl fühlen und ich glaube genauso wie du daran das wir das schaffen

Noch einmal vielen Lieben Dank für diese offenen und ehrlichen Worte, es tut so unendlich gut nicht alleine zu sein.

Fühlt euch beide gedrückt.

LG

Svennel

05.11.2021 10:34 • x 3 #5


Ziva
Hallü liebe Svennel,

auch ein herzlich Willkommen von mir und schön, dass du den Mut gefunden hast, dich zu öffnen.
Auch ich lese mich in deinen Zeilen wieder, sogar so sehr, dass ich beim Lesen eine Gänsehaut hatte mit Tränen in den Augen. Puh* Das ist mir hier noch nicht sooo oft passiert.

Zu einer stationären Therapie kann ich nur bedingt etwas sagen.
Ich war 2005 und 2007 stationär unterwegs, allerdings wegen einer Ess-Brechsucht. Das ist so lange her, ich weiß, dass sich seitdem vieles verändert hat. Die Angst davor kann dir hier sicher niemand so ganz wirklich nehmen.

Mhn..

Ich war im letzten Jahr teilstationär in Therapie - davor hatte ich auch richtig doll Angst.
Mir fällt es schwer, mich von alten Strukturen zu lösen, mich auf Neues einzulassen. Eine andere Umgebung bereitet mir Sorgen, neue Menschen.. das alles und noch so viel mehr - hach.. ich war zutiefst verunsichert, was da auf mich zukommen wird.

Ich glaube es ist wichtig, sich darauf einzulassen. Wie du schon schreibst - ehrlich mit sich selbst und auch mit den Menschen dort zu sein. Denn nur dann kann es gelingen. Ich kann mir vorstellen, dass es nicht lang dauern wird, bis du dich eingewöhnt hast. Das Gute ist, dass jedem, dem du dort begegnest - es ähnlich ergehen wird wie dir. Daher nehmen die Menschen dort viel mehr Rücksicht aufeinander - was mir in der Anfangszeit total geholfen hat. Ich hatte z.B. einen Paten, der mich in den ersten Tagen begleitet hat, mir alles gezeigt hat.. usw. DAS nimmt schon irgendwie eine ganze Menge Stress und auch Angst von einem. Und - was mir auch geholfen hat, war zu wissen, dass ich nicht funktionieren muss. Wenn ich nicht reden will, dann ist das auch mal in Ordnung. Das hat mir Druck genommen. Schön ist da einfach, dass es immer irgendwie einen Lösungsansatz gibt. Mit und ohne Hilfestellung - wie man selbst das eben braucht.

Natürlich hat man Angst und sicher gehört auch Scham dazu. Immerhin öffnest du dich und wirst Dinge erzählen, die sonst kaum jemand von dir weiß. Aber ich glaube ganz fest daran, dass das helfen kann. Man muss sich darauf einlassen, anstatt sich (weiterhin) zu verschließen. Am Ende wirst du vielleicht sogar aus der Klinik spazieren und dir denken Man, warum hatte ich bloß solch eine Angst. ... Das war bei mir so. Und es gibt noch immer so so so viele viele Tage, an denen ich genauso denke. Aber - man geht die Schritte.

Wenn ich so darüber nachdenke, .. eigentlich ist es schade, dass wir Angst vor einer Therapie haben - egal ob stationär, ambulant oder teilstationär. Wenn wir es richtig anstellen, und damit meine ich, sich darauf einzulassen, anstatt sich zu verschließen und auch tatsächlich über eigene Grenzen zu gehen - dann können wir davon nur lernen und am Ende vielleicht sogar gewinnen.

Das wünsche ich dir.

Liebe Grüße,
Ziva

05.11.2021 16:38 • x 2 #6


Svennel
Liebe Ziva,

Vielen Dank für deine Antwort.

Zitat von Ziva:
Auch ich lese mich in deinen Zeilen wieder, sogar so sehr, dass ich beim Lesen eine Gänsehaut hatte mit Tränen in den Augen. Puh* Das ist mir hier noch nicht sooo oft passiert.



Das rührt mich tatsächlich, ich hätte nie gedacht das es Menschen gibt die mich verstehen und dennen es auch so geht.

Manchmal fühle ich mich auch unter vielen Menschen alleine..

Zitat von Ziva:
Das Gute ist, dass jedem, dem du dort begegnest - es ähnlich ergehen wird wie dir. Daher nehmen die Menschen dort viel mehr Rücksicht aufeinander - was mir in der Anfangszeit total geholfen hat.


Das ist beruhigend zu wissen und nimmt mir doch ein wenig die Angst davor, meine Gedanken kreisen auch viel darum ob ich gut mit den Mitpatienten klar komme, ich komme nicht gut mit Ablehnung klar.

Die Angst vor Ablehnung, sitzt sehr tief bei mir.

Zitat von Ziva:
Natürlich hat man Angst und sicher gehört auch Scham dazu.


Damit hast du den Nagel ebenfalls auf den Kopf getroffen. Es war mir von Anfang an unendlich peinlich.

Ich habe mich bei meiner Hausärztin entschuldigt als ich mich Uhr als erstes anvertraute, dann bei der Psychotherapeutin... usw... ich entschuldige mich sogar immer dafür wenn ich Weine, dies tue ich eigentlich so gut wie nie vor anderen, nur alleine für mich.

Zitat von Ziva:
Wenn ich so darüber nachdenke, .. eigentlich ist es schade, dass wir Angst vor einer Therapie haben - egal ob stationär, ambulant oder teilstationär. Wenn wir es richtig anstellen, und damit meine ich, sich darauf einzulassen, anstatt sich zu verschließen und auch tatsächlich über eigene Grenzen zu gehen - dann können wir davon nur lernen und am Ende vielleicht sogar gewinnen.


Und auch damit hast du recht.

Ich glaube ich habe nicht nur Angst vor den verschütteten Erinnerungen sondern auch davor was mein Gegenüber darüber denkt, die Sorge das es jemand anderen belasten könnte treibt mich ebenfalls um.

Nur weil es mir nicht gut geht, soll es anderen deswegen nicht auch gut gehen... verrückt oder?

Zudem habe ich das Gefühl mich zur Zeit selbst verloren zu haben. . . Oder habe ich mich jemals kennen gelernt?

Ich erhoffe mir viel von der Therapie und werde auch alles machen, was mir dabei helfen kann.

Danke für deine Antwort Ziva, sie bringt mich zum Nachdenken und beruhigt mich ebenfalls ein wenig.

LG

Svennel

05.11.2021 17:09 • x 1 #7


Ziva
Ach du meine Güte, liebe @Svennel
Du schreibst mir aus der Seele. Jeder Satz den du schreibst .. das könnte von mir sein.
DAS ist ja verrückt! So etwas hab ich auch noch nicht erlebt.

Ich lasse dir einen lieben Drücker da. Und wenn das doof ist, dann versteckst du den irgendwo und holst ihn dann hervor, wenn du bereit dazu bist .. oder du lässt ihn einfach da. (:

Es tut so gut zu lesen, dass auch ich nicht alleine damit bin.

05.11.2021 17:19 • x 1 #8


A


Hallo Svennel,

x 4#9


Svennel
Ach du je Ziva, dass ist wirklich verrückt, aber im positiven Sinne.

Das Drückerchen nehme ich gerne mit und lasse dir auch einen da.

LG

Svennel

05.11.2021 17:25 • x 1 #9

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