Hallo veggiecat,
ich kann dir nachempfinden, vor 3 Jahren habe ich durch eine prekäre Situation eine Panikstörung entwickelt und aufgrund meines recht sensiblen und ängstlichen Charakters hat sich seitdem (psycho)somatisch sehr viel verändert. Meine Panikstörung hatte sich zu Beginn auf alle gewöhnlichen Aktivitäten meines Herzens bezogen, sodass ich jede noch so kleine Veränderung mit einer bevorstehenden Katastrophe (Herzerkrankungen, Ohnmacht, Panik) verknüpfte.
Wegen der ständigen Alarmbereitschaft meiner Nerven, der Anspannung, dem Grübeln über die Angst- und Panikartigen (Angst vor der Angst genannt) und dem Fokussieren auf innere Vorgänge hatten sich tatsächlich öfters Unregelmäßigkeiten und Symptome (Stechen in der Brust, Rhythmusveränderungen, Kribbeln im Brustkorb, u.v.m.) ergeben, in der ich meine Bestätigung meiner Befürchtungen erkannte. In der Psychologie heißt das ja treffend self-fulfilling prophecy. Und dieser Kreislauf war dermaßen intensiv und progressiv, dass ich sogar, wie bei dir, Herzrasen bis über 140 S/min. bekam.
Ich fing an, mich noch intensiver zu beobachten, stärker in meine inneren Vorgänge zu horchen und noch mehr Angst vor der Panikattacke und den Konsequenzen einer Herzerkrankung zu entwickeln, die mich bis zu mehreren Malen in der Woche in die Ambulanz führte, wo ich Kontrolluntersuchungen erhielt und jedem Arzt unterstellte, eine organische Ursache übersehen zu haben, nach dem Motto: Da muss es doch etwas geben.
Der Punkt an dieser Stelle ist, dass wir am liebsten jede Erklärung einer organischen Verursachung dankend annehmen würden, der Gewissheit willen. Ich habe dutzende Untersuchungen hinter mir und wünschte mir nichts Sehnlicheres als eine Diagnose; die (relative) Beschwichtigung, es gibt nichts organisches - es dürfte sich mit aller Sicherheit um eine somatische Belastungsstörung (ehemals somatoforme Störung und Somatisierungsstörung) oder psychosomatische Erkrankung handeln -, gab mir keine Ruhe, denn die Symptome, die ich verspürte, waren so stark, so fürchterlich intensiv, dass ich an eine psychische Verursachung nicht glauben wollte.
Nicht selten bekam ich in der Stadt eine Panikattacke wegen dieser Herzsensationen und wurde vom herbeigerufenen Rettungsdienst behandelt - eine Regelmäßigkeit, über die ich heute schmunzle, etwas beschämt bin, aber im Grunde als Erkenntnis verbuche.
Ich habe bis jetzt einige stationäre Aufenthalte in verschiedenen Kliniken mit unterschiedlichen therapeutischen Ausrichtungen gehabt und sehr viel studiert: über mich, meine Besonderheit und meine Erkrankungen. Ich versuche in dem Text jedoch nur die Gemeinsamkeiten aufzuführen, die ich erkenne und glaube, dir hilfreiche Anregungen zu geben.
Die Angst, die du beschrieben hast, passt auf die Cardiophobie oder Herzangst und bringt eine Palette an Symptomen mit sich, die sich wie organische Erkrankungen anfühlen. Im Grunde ist der Körper ständig unbewusst wie bewusst unter Anspannung und erzeugt so genannte nicht-organische Funktionsstörungen, die zwar beängstigend, wenn man unsere Charakternatur hat, aber total harmlos sind. Cardiophobe haben sogar statistisch gesehen eine längere Lebenserwartung als andere. Oft ist es so, dass diese Erkrankung meistens nicht alleine kommt, sondern verknüpft ist mit anderen Erkrankungen wie Depression, Persönlichkeitsstörungen, Angst- oder Panikstörungen, etc.
Das unfaire an dieser Art der Angst, die auf die inneren Körpervorgänge gerichtet ist, ist, dass wir uns ihr scheinbar hilflos ausgeliefert fühlen. Im Gegensatz zu einem Arachnophoben, der die Situationen, in denen Spinnen eine Rolle spielen, vermeiden kann, können wir unseren Körperregungen nicht vermeiden, sie sind nun mal lebenswichtig. Andere Baustellen können die Angst vor Kontrollverlust, Ohnmachtsanfällen oder Ähnlichem sein.
Der Therapeut Dr. Mück, der im Internet wundervolle Infomaterialien bereitstellt, hat treffend beschrieben, dass wir uns vergegenwärtigen müssen, wie intensiv wir eine Körperfunktion beobachten: Wir müssten uns vorstellen, dass wir unsere Fähigkeit zu Gehen sofort und grundsätzlich in Frage stellen würden, wenn wir eine Straße entlanggehen und mal stolpern. Die Häufigkeit und Intensität der Symptome ist verknüpft mit der Aufmerksamkeit, die wir ihnen und den dahinterstehenden Körperfunktionen widmen. Deshalb lernt man in einer Therapie auch 1. seinen Körper besser zu lesen, 2. Vertrauen in die Körperfunktionen zu entwickeln, 3. durch Expositionsübungen (Konfrontationsübungen) bestimmte Symptome herbeizurufen, um ihre Harmlosigkeit zu erkennen und 4. sie neu bewertet als positive Erfahrung abzuspeichern.
Du kannst dich schlaumachen, welche Expositionsübungen man alleine machen kann, es gibt dutzende. So konnte ich die Panikattacken besser kennenlernen und ihre Macht schwächen. Bei diesen Erkrankungen ist die Verhaltenstherapie, zu der die Expositionsübungen gehören, eher geeignet, als Tiefenpsychologische oder Tiefenanalytische Behandlungen.
Aufgrund meiner ängstlichen Natur habe ich neben den beschriebenen Symptomen und den von dir genannten dutzende weitere Symptome entwickelt, die sich auf Atmung, Wahrnehmung und Empfindung bezogen und aus Angst vor ihnen kamen natürlich allerlei körperliche Veränderungen nach. Zuletzt haben sich die Symptome auf meinen Kopf ausgeweitet, sodass ich mit Hören, Sehen und Denken Probleme bekam.
Neben einem Verständnis der Erkrankung (Psychoedukation) ist es sehr hilfreich, dass man wieder lernt, seine Aufmerksamkeit auf Dinge zu richten, die außerhalb unseres Körpers stattfinden. Ein Arzt hat dazu geschrieben, dass sehr viele Menschen Körperängste entwickeln, die sich generell zu viel mit sich selbst beschäftigen, also über keinen Zweck verfügen, der über ihre eigene Person hinausgeht. Mit diesem Punkt kann ich mich leider identifizieren, weil mein Leben im Grunde von Selbstbeobachtung und Grübeln/Nachdenken besteht.
Heute leide ich zwar noch unter einigen (chronischen) Symptomen und Befürchtungen, aber die Meisten und heftigsten sind vorbei und eine intensive Panikattacke habe sehr lange nicht mehr gehabt, weil ich beginne meinem Körper in dieser Hinsicht zu vertrauen, dass er so funktioniert, wie er sollte. Ich kann förmlich erkennen und fühlen, wenn sich ein Symptom durch eine Belastungssituation entwickelt und wie es sich verändert. Und das ist gut so, denn ich merke den Zusammenhang zwischen meinem Kopf und Körper, was ich damals nicht akzeptieren wollte.
Ich will dir auf gar keinen Fall eine Erklärung für deine individuelle Situation geben, sondern Anregungen geben, über das eine oder andere nachzudenken, dass vielleicht damit zusammenhängt Auf jeden Fall ist eine professionelle Hilfe beim Therapeuten oder Klinik das Beste, was du tun kannst. Und vor allem, vertraue deinem Körper, versuche dich wieder zu entspannen und nimm die Symptome als Signale, dass etwas aus der Balance ist, was sich wieder richten wird, wenn du dich dem positiv widmest: die Erfolge werden kommen.
Bis bald.
23.01.2019 22:03 •
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