Einige gute Tage liegen hinter mir. Tage an denen ich erschreckt meinen verlangsamten, chaotischen Sohn wahrnahm, verwandelten sich machbare Aktivitäten. Ich zerbrach mir den Kopf, wie ich dem jungen Mann förderlich zur Seite stehen kann. Loben auch für Kleinigkeiten, Mut machen und erinneren an seine Kraft, Disziplin halfen ihm, seine Niedergeschlagenheit umzuwandeln in Handlungsfähigkeit. Strukturierungshilfen kamen sehr gut an, auch das Einhalten von Vorhaben gelang ihm einigermaßen. Ich erinnerte ihn daran, daß viel junge Menschen nicht seine Probleme haben und es normal ist, sich angesichts der Erfordernisse überfordert zu fühlen.
Ich freue mich, daß er Hinweise annehmen und auch umsetzen konnte. Und er stellt fest, wie erleichternd es ist, notierte Vorhaben nach Erledigung abzuhaken. Sein A D S will er nicht behandeln lassen, das macht es eben so schwierig. Sohn und Mutter haben A D S, was neben dem Alltag auch das Miteinander erschwert.
Die jetzige Pollenallergie macht ihm wieder so sehr zu schaffen, daß er nicht aus dem Haus ging. Haut, Augen, Atemwege sind trotz höchstdosierten Medikamenten schlimm betroffen. Und er nahm den Rat an, sich für kurze Zeit Kortison verschreiben zu lassen. Eine unglaubliche Verbesserung trat ein. Seine Meinung, Kortison sei Gift, konnte ich mit der kurzzeitigen Notwendigkeit begründen. Die Dosis macht das Gift.
Zu seiner Freude gingen wir shoppen und ich schenkte ihm eine Jacke, finanziert aus den Ersparnissen. Und nun liebt er diese Jacke, trägt sie total gerne. Im Gegenzug wird er mir helfen im Garten, sobald die Pollensaison zuende ist.
Ich habe immer wieder Angst um ihn, gerade wenn er so passiv und niedergeschlagen ist. Zu groß war die Katatsrophe vor zwei Jahren, als alles um ihn zusammenbrach. Ich stand ihm bei, half, bis ich selbst nicht mehr konnte. Es gibt niemanden mehr, der für ihn da sein kann. Der Tod seines Vaters war und ist immer noch ein großer Schock. Gerade deshalb sind kraftspendende angenehme Erlebnisse so wichtig.
Und ich bin den den Hausaufgaben der Therapie beschäftigt, arbeite mich langsam ein und verstehe schon, worum es geht. Emotional bin ich da noch zurückhaltend, zumal bei einer Übung das verletzte Kind aus mir sprach unnd tonlos weinte. Die Therapeutin half mir aus der Situation, und wenn ich das richtig sehe, ist momentan die gesunde Erwachsene dran in der Schematherapie. Verblüfft bin ich schon, daß es auch gesunde Anteile gibt. Dieser wird jetzt soweit getärkt, daß die verletzten Kindanteile danach genügend Gegengewicht haben können, wenn die gesunde Erwachsene helfen kann. Die damals in der Trauma- Ergotherapie gefundenen Persönlichkeitsanteile geben viel Orientierung. So fesselnd diese Art der Therapie auch ist, so anstrengend ist sie emotional. Das wollte ich ja auch: an die Emotionen herankommen, manchmal will ich das auch nicht.... Da gibt es unendlich viel Trauer, Niedergeschlagenheit, Todessehnsucht, und jegliches Ausbleiben von Freude, Spaß haben, sich ausprobieren, gehört werden, interessiert sein an mir, Geborgenheit, Liebe, Zuwendung, zarte Gefühle....
Tages- und Wochenstruktur helfen, mich zu ankern, nicht ins trudeln zu geraten. Ich mache einfach weiter mit meinen Vorhaben, so gut ich kann. Meine Energie ist begrenzt durch die Verausgabung bei meinem Sohn. Und es tut mir unendlich gut, zu sehen, wie er sich aus dem Tief herauskämpft.
Ich lasse mir Zeit, lasse mich in Ruhe, sorge für Ruhe, davon brauche ich sehr viel.
Heute ist wieder so ein Tag, an dem ich kaum aus den Augen gucken kann und das Hirn im Handbetrieb läuft. Das hatte ich letzte Woche auch, und es dauerte knapp 7 Stunden, bis ich im Hier und Jetzt angekommen war: wach und startklar. Es kann sein, daß die Schilddrüsenhormone erhöht werden, dann ginge es mir besser. Die Ärztin bei der Sonografie empfahl einen höheren TSH Wert. Ich muss mal nachfragen in der Hausarztpraxis.
Auf jeden Fall wird es erstmal ein Tag im Schneckentempo
19.04.2024 09:25 •
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