Liebe Birgit,
Du scheinst sehr offen zu sein für ganz unterschiedliche Methoden und Werkzeuge und ich weiß von mir wie erleichternd es ist, wenn man etwas gefunden hat, das wenigstens ein kleines bisschen zu helfen scheint - auch wenn es wie bei den Entspannungsübungen nur von kurzer Dauer ist. Das habe ich bei mir genauso erlebt, dass das eine punktuelle Entlastung darstellt und der Effekt dann viel zu schnell wieder vergeht.
Zitat von Birdi:Es ist als fehlt mir jegliche Sicherheit, ich habe nichts mehr in der Hand und ich achte übertrieben auf die körperlichen Symptome und habe jedes Mal Angst, dass das jetzt immer so bleibt oder noch schlimmer wird.
Deine Sätze entsprechen meinem Erleben. Es gab tatsächlich überhaupt nichts mehr, was mir Sicherheit hätte vermitteln können. Weswegen sich auch das Ablenken erledigt hat, denn es gab nichts mehr, mit dem ich mich hätte ablenken können. Es war eine ziemlich absurde Situation, kaum zu erklären und für andere nachzuvollziehen, denn für die meisten Menschen funktioniert Ablenken wunderbar. Und ähnlich wie Du hatte ich den Eindruck, dass es mit der Zeit schlimmer wurde. Deswegen habe ich einen harten Schnitt gemacht, mich komplett zurückgezogen und mich nur noch damit beschäftigt eine Lösung zu finden (ist nicht als Vorschlag gemeint, das war mein Weg). Und da bin ich - wie schon geschrieben - inzwischen ein gutes Stück vorangekommen und deshalb will ich Dir auch jetzt nochmal Mut machen.
Es gibt sehr konkrete Mechanismen, die ich nutze. Es ist zwar ein Haufen Arbeit, doch wenn Du merkst, dass es was bringt, dann spielt das eine untergeordnete Rolle. Hast Du Dich schon mal mit der körperlichen Dimension der Angst befasst? Und ich meine nicht, dass Du auf Deine Symptome achtest, sondern wie Angst im Körper wirkt. Ich habe dazu sehr viel gelesen und diese Informationen haben dazu beigetragen, dass ich mich irgendwann selbst davon überzeugt habe, dass ich das würde ändern können. Dadurch konnte ich dann wiederum Gedankenschleifen unterbinden, wie Du sie auch beschreibst, wenn man sich fragt, ob das jetzt immer so bleibt oder sogar noch schlimmer wird. Denn solcherart Gedanken lösen Emotionen / Angst aus und so wird das Ganze zu einem Teufelskreis - womit ich Dir wahrscheinlich nichts Neues erzähle. Ich habe in diesem Thema
Woher nehmt ihr die Kraft jeden Tag neu zu kämpfen? schon mal sehr ausführlich zu all dem geschrieben.
Ich kann gut nachvollziehen, dass Aussagen wie nicht mehr dagegen ankämpfen sondern die Angst annehmen Dir so theoretisch erscheinen. So war es für mich auch und ich habe kaum Zugang dazu bekommen. Das hat sich erst geändert, als ich mich sehr stark damit auseinandergesetzt habe wie Angst genau funktioniert, denn seitdem nutze ich meinen Körper als Feedback-Möglichkeit: Entweder meine Muskulatur verspannt, dann kämpfe ich, oder ich schaffe es, die Muskulatur loszulassen, dann nehme ich (die Angst) an.
Ich glaube, dass die mentalen Methoden, von denen Du schreibst, für viele gut funktionieren. Das nervige kleine Sams finde ich übrigens besonders charmant . Glaubst Du daran? Genauso mit den Zielen wie Dein Leben ohne Angststörung sein würde, glaubst Du daran, was Du Dir laut vorgesagt hast? Ich fand es beispielsweise extrem schwer, mir mein Leben ohne vorzustellen, weil dieser untergründige Angstnebel einfach alle meine Gefühle beeinträchtigt hat. Meiner Meinung nach liegt das an den körperlichen Verspannungen durch die nervliche Übererregung, aus denen ich nicht mehr rausgekommen bin. Was normalerweise passiert, wenn Du Dir eine Situation intensiv vorstellst, ist, dass Du bestimmte Gefühle aufrufst. Wir nutzen das dauernd, wenn man gerade verliebt ist, ist das sehr angenehm, wenn man einen Trauma-Flashback hat, weniger, und wer einen Streit nochmal durchgeht, wird wahrscheinlich relativ schnell Wut in sich hochsteigen fühlen. Gefühle umfassen auch bestimmte muskuläre Anspannungs- bzw. Entspannungsmuster. Da ich meine Muskulatur aus der Angstanspannung nicht mehr loslassen konnte, blieb ich in der Angstwolke hängen, egal, was ich dachte. Das muss bei Dir nicht genauso sein, doch vielleicht bietet so eine Info für Dich einen Ansatzpunkt?
Mit dem mir etwas laut vorsagen, habe ich trotz der Angst-Verspannungen auch gute Erfahrungen gemacht: Ich habe Affirmationen genutzt, um meine Gedanken zu verändern (falls Dich das interessiert, habe ich hier mal was dazu geschrieben:
Panik vor der neuen Arbeit, Beitrag # 6).
Ich hoffe, dass Dir diese Informationen weiter Mut machen. Vielleicht findest Du darin etwas, was Dir weiterhilft und Deinen Werkzeugkasten sinnvoll ergänzt? Ich bin überzeugt davon, dass Du für Dich einen Weg da rausfinden kannst. Bei mir wie bei Dir anscheinend auch hat es eine Zeit davor gegeben. Das heißt, dass es nicht immer so war. Und genau das habe ich mir immer wieder vor Augen geführt: Wenn es einen Weg rein gab, dann gibt es auch einen wieder raus.
Liebe Grüße,
Julia