Soylent
- 34
- 1
- 72
es fühlt sich seltsam an diese Zeilen zu schreiben. Weil ich so lange mit meinen Problemen und Zuständen konfrontiert bin, dass diese sich schon normal und als Standard anfühlen. Naja, erstmal zum Anfang.
Ich bin 31 Jahre alt. Habe 2008 mein Abitur geschrieben und mich dennoch gegen ein Studium entschieden. Habe einen handwerklichen Beruf in der Ausbildung gelernt und auch abgeschlossen. Heute wohne ich mit meiner Freundin zusammen in einer kleinen Wohnung. Wir denken über Kinder nach und reden öfter darüber in eine größere Wohnung zu ziehen. Wir haben auch einen gemeinsamen Freundeskreis. Wobei nur ein kleiner Bruchteil durch mich dazu gekommen ist. Das sind Leute die ich seit der Grundschulzeit kenne. Aber auch das Verhältnis zu ihnen ist nicht das allerbeste. Ich sehe sie eigentlich fast jedes Wochenende. Aber es fühlt sich etwas oberflächlich an. Wir reden nur noch über den Job. Insgesamt langweile ich mich immer mehr. Es gibt weniges das nicht schon gesagt wurde. Das beschränkt sich aber nicht auf meine Freunde. Auch die Beziehung zu meiner festen Freundin geht in diese Richtung. Und ich habe auch das Gefühl, dass ich sie langweile. Wir unternehmen sehr selten nur etwas zu Zweit. Immer lädt sie weitere Personen ein wenn wir etwas unternehmen wollen. Sie ist aber auch der Typ Person der nie über Probleme offen reden will. Sie frisst auch alles gerne in sich hinein. Versteht mich nicht falsch: ich liebe sie und ich glaube wenn ich sie nicht hätte, würde es nicht mehr viel geben das mich am Leben hält. Aber auch die Beziehung ist in einer Abwärtsspirale. Ich würde mich nie trauen mit ihr über meine Zustände zu reden. Ich habe Angst dass sie es nicht versteht. Dass sie mich dann anders sieht, sieht, was für ein Jammerlappen ich bin. Dass unsere Beziehung sich weiter verschlechtert.
In der Grundschule hatte ich selten Probleme. War ein guter und ruhiger Schüler. Hatte meinen kleinen Freundeskreis. Auch familiär war eigentlich alles soweit gut. Leider wurde ich von meinen Eltern überhaupt nicht gefördert, es gab keinerlei Clubs die ich besuchte oder Aktivitäten, die ich gerne unternahm. Ich denke trotzdem insgesamt sehr gerne an meine Kindheit zurück.
Eigentlich habe ich seit der Zeit auf dem Gymnasium meine Probleme. Die Eingewöhnung fiel mir extrem schwer. Damals hatte ich teilweise schon Schlafschwierigkeiten, habe mich oft schnell in etwas hinein gesteigert. Ein Knackpunkt waren auch Referate - das erste mal vor anderen großen Gruppen sprechen müssen. Der reinste Horror für mich. Ich denke da hat sich meine soziale Phobie angefangen auszubilden. Heute habe ich zu alten Kameraden von damals (die paar die ich hatte) keinen Kontakt mehr und wenn ich zufällig einem begegne tue ich so als hätte ich ihn nicht gesehen oder gehe ihnen aus dem Weg.
Prinzipiell ist es heute so, dass ich mich von meinem Job etwas unterfordert fühle. Und dennoch das Gefühl habe nicht wirklich besonders gut darin zu sein. Ich bin in einem IT Beruf tätig. Für das alltägliche Pensum reicht mein Wissen gerade noch. Aber wenn es darüber hinaus geht - meine Kollegen sprechen aus Eigenantrieb oft und gerne über andere Bereiche der IT - rede ich eigentlich nie mit bzw. kann es auch nicht weil ich kein Wissen darüber habe und mein Interesse sich auch stark in Grenzen hält.
Wahrscheinlich habe ich den falschen Beruf gewählt damals.
Allgemein ist mein Selbstbewusstsein alles andere als gesund.
Das liegt aber auch daran, dass ich in so gar nichts wirklich gut bin. Ich denke auch dass die mangelnde Förderung in der Kindheit durch meine Eltern sich hier extrem auswirkt. Ich habe an so gut wie nichts wirklich Interesse. Hobbys habe ich außer an der Konsole zocken bzw. Filme/Serien gucken eigentlich keine. Ich fühle mich nicht nur so, nein ich bin wirklich ein Versager der nie etwas geschafft oder vollbracht hat.
Klingt alles langweilig. Und das ist es auch. Weder wurde ich Zeuge eines besonders schlimmen Ereignisses noch erlebte ich schlimme Dinge in der Kindheit. Ich fühle mich nur noch extrem verkorkst und neurotisch. Wenn ich mal wieder etwas im Selbstmitleid versinke merke ich irgendwann wie lächerlich ich bin. Wie wenig Grund ich habe dieses Selbstmitleid haben zu können. Das Leben gibt nicht viel her. Alles ist nur noch eine Kopie einer Kopie einer Kopie.
Und mit jeder Kopie verblassen alle Bilder immer mehr.
Ich bin im Kundendienst tätig. Was seltsam ist, da ich Kontakt zu anderen Leuten meide. Manchmal denke ich aber, dass der Job das einzige ist, das mich davon abhält mich komplett von meiner Umwelt abzukapseln (bis in gewisser Weise auf meine Freundin und meine Freunde) Oft sitze ich in meinem Auto vor dem Kunden und brauchte etwas Zeit um mich zu überwinden rein zu gehen. Das sind dann kleine Angstattacken. Wenn ich besonders einsam bin während der Fahrt fließen unvermittelt auch mal die Tränen. Bis dieses Lächerlichkeitsgefühl wieder aufkommt und ich mich fast selbst auslachen möchte. Es fühlt sich an als wäre ich in einem Käfig, dessen Tür offen steht. Aber ich habe Angst aus dem Käfig zu gehen bzw. kann es einfach nicht schaffen.
Und ja, wenn ich an den Tod denke, dann fühlt er sich wie etwas erlösendes an. Diese Farce wäre endlich vorbei.
Aber ich würde mir nie etwas antun, dafür bin ich ein zu vernünftig denkender Mensch. So würde ich nicht gehen wollen.
Ich treibe seit einem Jahr regelmäßig Sport (joggen) und habe es mit Johanniskraut versucht um meine Gedanken etwas aufzuhellen. Die Wirkung ist leider nur sehr begrenzt. In Behandlung befinde ich mich nicht und war ich auch noch nie. Ich könnte mich meinem Hausarzt auch nie anvertrauen. Heute erst habe ich wieder einmal alle Therapeuten in der Nähe im Internet aufgerufen und durchgeklickt. Ich schaffe es einfach nicht einen anzurufen. Auch hier ist viel Angst im Spiel. Angst dass ich nicht ernst genommen werde. Die Angst, dass wenn das auch nicht hilft - was dann? Mir ist klar dass ich das nur rausfinden kann wenn ich es versuche. Dennoch schaffe ich es einfach nicht.
Es klingt vielleicht dumm - aber selbst die Anmeldung in diesem Forum ist für mich ein großer Schritt vor dem ich Angst habe.
Und ich weiß eigentlich auch nicht was ich mir davon verspreche. Vielleicht ist es auch nur Druckabbau, sprudelt ja schließlich alles aus mir heraus. Vielleicht hat das Schreiben dieses Textes ja schon eine kleine therapeutische Wirkung.
Naja, wer es geschafft hat sich durch das da oben durchzuquälen: Sorry für den langen Post.