Blüte
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nachdem ich nun schon einige Zeit fleißig mitlese, habe ich mich nun entschlossen aktiv zu werden und meine Geschichte zu offenbaren und freue mich auf den Austausch mit euch.
Meine erste depressive Episode hatte ich vor vier Jahren. Was damals der Auslöser war kann ich bis heute nicht eindeutig festmachen. Ich vermute es hat mit einer firmeninternen Umstrukturierung zu tun, bei der mein direkter Vorgesetzter und zugleich auch Mentor aus heiterem Himmel abgesägt wurde. Er und auch ich waren sehr leistungsbereit, haben viel Einsatz und Herzblut für den Job gegeben (was auch Spaß gemacht hat) und nun wurden wir umstrukturiert, einer neuen Abteilung einverleibt und bekamen andere Aufgabengebiete mit weniger Freiraum. Ich vermute es war damals ein Gefühl von Enttäuschung, vielleicht gepaart mit einer generellen Überlastung meinerseits.
Da ich noch relativ jung war (24 Jahre) und noch überhaupt keinen Bezug zu psychischen Krankheiten hatte, wusste ich erst nicht was mit mir los war, habe nach einigen Wochen aber erkannt, dass etwas nicht stimmt und mir ärztliche und auch psychologische Hilfe geholt. Mit der Einnahme von Citalopram und unterstützend der KVT ging es mir nach kurzer Zeit schon wieder sehr gut und ich konnte die letzten drei Jahre ein schönes Leben mit normalen Aufs und Abs führen.
Ich habe eine tolle intakte Familie und wunderbare Freunde als Stütze also eigentlich sehr gute Rahmenbedingungen. Leider leidet mein Vater auch schon seit über 30 Jahren an Depressionen, die er aber medikamentös sehr gut im Griff hat. Es ist also eine genetische Veranlagung durchaus vorhanden.
Nachdem es mir nun drei Jahre lang gut ging und ich mich sehr stabil fühlte, habe ich das Citalopram nach ärztlicher Rücksprache letzten Sommer abgesetzt, was auch keine Probleme bereitet hat.
Kurze Zeit darauf habe ich mit einem berufsbegleitenden Studium begonnen, da ich Lust hatte meinen Horizont noch zu erweitern und mir das Lernen auch nie schwer gefallen ist. Außerdem dachte ich mir, dass jetzt wo ich noch jung bin der richtige Zeitpunkt wäre - später mit Familie und weiteren Verpflichtungen wäre es sicher schwieriger. Leider kam zu dieser Zeit aber auch immer mehr Stress in meinem Job hinzu und ich fühlte mich immer öfter überfordert und am Ende auch im Stich gelassen von meinem Vorgesetzten. Anfangs hat es mir aber noch Spaß gemacht mich zu beweisen und ich habe das Projekt als Chance gesehen viel zu lernen und Erfahrungen zu sammeln.
Nachdem dann heuer die ersten Klausuren des Studiums anstanden (die ich alle mit Bravour gemeistert habe) und auch das große Projekt in den finalen Zügen steckte, dachte ich, dass nun wieder ruhigere Zeiten anstehen und habe mich auf die Entspannung gefreut, wenngleich ich da schon ständig unter Strom stand. Leider bekam ich dann plötzlich eine Angstattacke und meine zweite große depressive Episode begann. Mittlerweile nehme ich wieder Citalopram und bald beginnt auch eine erneute Psychotherapie. Mir geht es mittlerweile wieder relativ gut, ich kann mich wieder an Dingen erfreuen, kann wieder essen und auch entspannen. Ich habe mit autogenem Training und Meditation begonnen und gehe oft lange spazieren. Leider bin ich schon seit Monaten in einem Dauerzustand von Erkältungen gefangen, weshalb ich nicht wie gewohnt meinen Sport zum abreagieren nachgehen kann.
Ich glaube mein Problem sind meine hohen Ansprüche an mich selbst. Ich würde meinen Perfektionismus so gerne ablegen, da ich ja weiß, dass er mir nicht gut tut. Ihr kennt das sicher mit den konditionierten Verhaltensweisen.
Aktuell stehe ich vor der Frage was ich in meinem Leben alles ändern sollte.
Das Studium aufgeben, obwohl es mir Spaß macht und fachlich auch keine allzugroße Herausforderung darstellt?
Oder den Job aufgeben, der mir grundsätzlich schon gefällt und bei dem ich viele tolle Kollegen habe und menschlich mit allen (auch mit dem Chef) super auskomme? Meinem Vorgesetzten habe ich bereits mehrfach mitgeteilt, dass es so nicht weitergehen kann. Er hat auch Unterstützung angeboten, will einen zusätzlichen Mitarbeiter ins Team holen, aber das dauert natürlich.
Am wichtigsten wird wohl sein langfristig an meinen Verhaltens- und Denkmustern zu arbeiten, was aber sicherlich ein großes aber auch hoffentlich lohnendes Stück Arbeit wird.
Danke an alle, die diesen ellenlangen Text gelesen haben. Ich freue mich auf Anregungen, eure Erfahrungen und den Austausch.
Liebe Grüße
Blüte