lotus
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ich bin lotus, in den 40ern und seit 5 Wochen wegen Burn out krankgeschrieben. Gestern hatte ich einen ziemlich unangenehmen Streit mit meiner Schwester bei der sie mir quasi vermittelte, dass sie mich für eine Person hält, die nur um sich selbst kreist, sich egoistisch verhält und sich selbst zum Opfer hochstilisiert. Ich erinnere mich nicht mehr an alle Einzelheiten (ich bin leider seit einiger Zeit ziemlich vergesslich), aber was mich richtig mitgenommen hat, dass sie weder versteht, was bei mir los ist, noch mich ernst nimmt. Sie sagte so etwas wie: wenn du denn mal irgendwann fertig bist, mit dem was du da gerade machst, was auch immer das ist. Das hat mich stark verletzt, sie weiß von meiner Situation und hat sich dazu bisher nicht wirklich positioniert. So kamen auch keine Worte der Anteilnahme. Das habe ich registriert, aber was sollte ich dazu sagen, ich kenne eben auch diese unangenehme Seite von ihr, die wenig herzlich oder verständnisvoll ist.
Es fielen noch weitere verletzende Äußerungen, warum ich aber diese meiner Geschichte voran stelle, weil sie mit ihrer Aussage einen wunden Punkt bei mir trifft. Seit dem meine Hausärztin Anfang des Jahres zu mir sagte, ich hätte Symptome eines Burn Outs begleitet mich eine innere Stimme. Diese flüstert mir stetig zu, dass ich nur vorgebe mich nicht mehr arbeitsfähig zu fühlen, weil ich eigentlich kein Bock mehr auf meinen Job habe. Schuld und Scham sind also Teil meiner derzeitigen Gefühlswelt.
Zu meiner Burn Out Geschichte:
Ich bin seit fünf Jahren in dem gleichen Job bei einem großen Unternehmen beschäftigt. Bis zur Pandemie 2020 pendelte ich ca. 1,15h eine Strecke vom Wohn- zum Arbeitsort, fünf Tage die Woche. Dann wurde bei uns großzügig Home Office eingeführt. Ich gewöhnte mich sehr schnell an die Vorzüge und Entlastung nicht mehr pendeln zu müssen. Mit Zurückfahren der Corona-Maßnahmen in Unternehmen, wurden auch die Mitarbeitenden meiner Firma ins Büro zurückgerufen. Wir bekamen eine neue flexible Regelung für ca. 2 Tage HO in der Woche. Da ich mich sehr an den frühen Feierabend gewöhnt hatte und es mir sehr schwer fällt bis spät im Büro zu bleiben, entschied ich mich so früh wie möglich an den Bürotagen aufzustehen, um früh wieder Feierabend machen zu können. Meine Aufstehzeit war zwischen 4 und 4.30h. Ich brauche sehr viel Zeit morgens mich einzustellen auf den Tag, meist ging ich dann um 6h los. Ich zog das ein 3/4 Jahr durch und bekam in dieser Zeit Schlafstörungen. Ich konnte nicht mehr richtig einschlafen und wachte meistens 1-2h vor meiner Aufstehzeit auf. Hauptsächlich aus Angst zu verschlafen. Das ganze führte dazu, dass ich tagsüber durchgängig übermüdet war und es kaum im Büro aushielt. Es wurde schließlich so schlimm, dass ich an Home Office Tagen mich während der Arbeit hinlegen musste, weil ich mich nicht mehr wach halten konnte.
Das ist ein Teil der Geschichte. Hinzukommen psychische Probleme aufgrund familiäre Vorgeschichte (schwer depressiver Vater, der emotional und körperlich übergriffig war, kein S.. Missbrauch), eine Trennung 2019 von einer tox. Beziehung mit Suizidgedanken, daraus entstandene Schwierigkeiten in persönlichen Beziehungen (Konfliktvermeidung, Verlustängste, keine Grenzen setzen können, Bedürfnisse nicht ansprechen). Ich musste mich da mühsam rauskämpfen und habe immer noch Schwierigkeiten in zwischenmenschlichen Beziehungen, insbesondere mit romantischen Beziehungen.
Zum Burn out haben wohl schlussendlich die Schlafstörungen in Kombination mit inhaltlicher Unterforderung im Job (Bore out) und Überforderung durch Prozesse geführt. Dann ein unterschwelliger Konflikt mit einem mir übergeordneten Kollegen. Dazu kommt, dass ich angefangen habe mich im Betriebsrat zu engagieren und gleichzeitig außerhalb des Jobs im politischen Bereich. Auf mich sind viele neue Aufgaben, Informationen und Herausforderungen zugekommen. Ich hatte irgendwann das Gefühl alle sind schlauer, weiter, informierter und leistungsfähiger als ich. Ich wollte sehr gerne mitdiskutieren, mitreden und mitgestalten können doch kam mir das, was ich nachzuholen hätte, um mich einmischen zu können, wie eine riesige nicht zu bewältigende Hürde vor. Das ist jetzt eigentlich immer noch so.
Alles in allem kommt mir meine Geschichte so gar nicht vor wie die typische Burn Out Geschichte, weil es gibt ja eigentlich nicht eine zu hohe Arbeitsbelastung und ich habe mir auf Arbeit auch keinen Stress gemacht. Dennoch reagierte mein Körper mit zunehmender Erschöpfung, Gereiztheit kam dazu, Lustlosig- und Antriebslosigkeit, sowie ein Gefühl, dass nichts mehr so richtig Sinn macht und mir auch nichts wirklich hilft, wieder Freude empfinden zu können. Ende letzten Jahres musste ich viele private Termine canceln, ich konnte mich nicht mehr dazu aufraffen. Ich fühlte mich sozial isoliert, es kamen zwischenmenschliche Konflikte dazu, aber ich konnte nichts daran ändern, weil ich mich nur noch zurückziehen wollte.
So jetzt sitze ich hier, nach dem Streit mit meiner Schwester, in der 5 Woche zuhause und frage mich, wie es weitergehen soll. Ich habe Ideen für Veränderung im Job (Arbeitsstunden/Tage reduzieren), habe mich sogar bei einem anderen Unternehmen beworben (an meinem Wohnort) und ein paar Dinge erledigen können. Jedoch fühle ich mich nach wie vor nicht bereit nächste Woche wieder in einen Arbeitsalltag zurückzukehren. Ich könnte mich noch eine Woche krankschreiben lassen, dann rutsche ich ins Krankengeld. Was ich unbedingt vermeiden wollte und ich kann das Gefühl nicht ablegen mir zuzugestehen, dass ich zur Zeit eben nicht kann.
Wie werde ich dieses Gefühl eine Simulantin zu sein los? Ging es euch so? Wie gehen eure Angehörigen mit euch um? Wer zeigt Verständnis für euch? Habe ich überhaupt ein Burn Out? Was ist das alles?
Ich weiß mittlerweile, was mir gut tut: mit Menschen zusammen zu sein, die mich nicht negativ triggern. Ich habe eine Freundschaft beendet aus diesem Grund. Ich möchte mich wieder mehr bewegen. Durch das ganze rumliegen habe ich Rückenschmerzen und meine Verspannungen haben sich verschlechtert. Ich möchte mit dem Rauchen aufhören, mit dem ich etwas kompensiere. Was das weißt ich nicht.
Dennoch weiß ich nicht, wie ich das alles angehen kann ohne mir selbst den Druck zu machen, dass ich während einer Krankschreibung nicht noch auf für meine Genesung etwas leisten muss. Wie lange dauert ein Burn Out überhaupt?
Bin für jeden Tipp/Support dankbar.
Lotus