
David Spritz
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In einer Folge von den Drei Fragezeichen, die ich als Kind oft gehört habe, verrät sich ein Schurke dadurch, dass er Senf und Blut auf dem Esstisch hinterlässt, obwohl er behauptet hat, Vegetarier zu sein. Der Sprecher kommentiert das mit: „Man fällt eben nicht ungestraft aus der Rolle.“ Als Kind kannte ich aber noch nicht die Redewendung „aus der Rolle fallen“ und interpretierte diesen Ausspruch als: „Man tanzt eben nicht ungestraft aus der Reihe.“ Dies untermauerte eine Vermutung, die ich einige Zeit vorher durch Schlussfolgerung aus dem Verhalten meiner Mutter abgeleitet hatte, nämlich dass man immer schön lieb, brav und angepasst sein sollte, weil man Anderen sonst mit seinen „Ecken und Kanten“ zur Last fallen würde. Als ich diese alte Folge letztes Wochenende mit meinen Kindern gehört habe, ist mir das plötzlich klar geworden. Es war wie eins von vielen fehlenden Bruchstücken, das plötzlich wieder auftauchte.
Zunächst habe ich mir nichts Besonderes dabei gedacht, aber jetzt, einige Tage später, ist die Konsequenz bei mir durchgesickert: Ich habe damals eine falsche Schlussfolgerung mit einer missverstandenen Redewendung bewiesen und seitdem mein Leben danach gelebt. Ich habe diese Gedanken später nicht mehr geprüft. Durch das häufige Hören des Hörspiels in meiner Kindheit waren sie wie in Marmor gemeißelt und bildeten eine meiner Lebens-Maximen. Ich war mir so sicher, dass meine Theorie wahr ist, dass ich beschloss, sie zu verinnerlichen und nie wieder in Frage zu stellen.
Da drängt sich mir doch die Frage auf: Wie vielen dieser falschen Schlussfolgerungen und Missverständnisse bin ich noch aufgesessen? Wie viele sachlich völlig falsche Weisheiten bestimmen noch heute mein Leben? Es wird sich ja hier nicht um einen Einzelfall handeln!
Das gibt einem echt zu denken, oder?