M
Michael808
- 340
- 17
- 267
Ich habe hier im Forum ja schon mal angekündigt, dass ich noch einen Erfolgsbericht schreiben würde, wenn ich meine (inzwischen 4.) depressive Episode mal überwunden habe. Noch während ich krank war, sagte mir mein Psychotherapeut, dass es wichtig ist, sich wieder Ziele zu setzen. Das hier zu schrieben, um anderen zu helfen, nahm ich mir als oberstes vor. Leider habe ich nur durch Zufall herausgefunden, dass ich auch Bandscheibenvorfälle in HWS und BWS habe, deren Symptome bisher alle Ärzte auf die Depression geschoben haben. Insofern habe ich meine alte Lebensqualität noch lange nicht zurückgewonnen, bevor diese behoben sind. Aber was ich definitiv jetzt schon sagen kann ist: Die Depression ist vorbei. Ich ertappe mich noch manchmal dabei, in kranke Verhaltensmuster zurückfallen zu wollen, aber wehre diese aktiv ab. Dazu mehr weiter unten.
Manche, die meine Beiträge verfolgt haben, wissen schon, dass mir ein Antidepressivum nicht geholfen hat und ich mich weigerte, weitere auszuprobieren. Das ist ein kontroverses Thema, auf das ich hier nicht mehr weiter eingehen werde. Ich würde nur jedem raten, sich auch unabhängig von den Empfehlungen der Ärzte über die Wirkstoffe und ihre Geschichte zu informieren und ggf. auch Packungsbeilagen zu lesen. Es gibt dazu auch mehrere Sendungen aus dem ÖRR, die man sich bei YouTube anschauen kann.
7 Sitzungen bei einem Psychotherapeuten habe ich in Anspruch genommen. Es handelte sich dabei um die tiefenpsychologisch orientierte Therapie. War es das, was mir geholfen hat? Ich glaube, nur bedingt. Die Chemie mit dem Therapeut stimmte, was sehr wichtig ist. Allerdings halte ich die Methode, nach Fehlern in der Biografie zu suchen und diese aufzuarbeiten, nicht für wirklich heilend. Sie trägt vermutlich dazu bei, dass man sein Leben folgend etwas anders gestaltet und dient damit sicher zu einer Rückfallprävention. Wirklich geholfen haben mir allerdings eher Denkansätze, die aus der Kognitiven Verhaltenstherapie stammen, wie ich später herausfand. Ich will mal versuchen zu beschreiben, wie ich vorgegangen bin.
Ein ganz entscheidender Punkt war, dass ich die Krankheit akzeptieren musste. Es dämmerte mir langsam, dass ich Tag ein, Tag aus damit beschäftigt war, mich über den nicht enden wollenden Zustand zu ärgern. Man ließt oft, man solle den Kampf nicht aufgeben. Vielleicht ist das auch einfach nur anders zu interpretieren, als ich es tat. Aber mir ist heute klar: Ich habe immer gedacht, gegen die Depression anzukämpfen. In Wahrheit war die Depression aber ein wesentlicher Teil meiner Persönlichkeit und habe somit dauernd gegen mich selbst gekämpft. Erst als ich das begriffen hatte, konnte eine Veränderung des Denkens beginnen. Ich nahm die Depression an, sagte mir: Es ist jetzt so, ich muss es akzeptieren. Erst das bereitete mir den Weg, tatsächlich etwas an meinem Denken zu ändern. Ich begann nun mit einem Spiel, das, wie ich später herausfand, sich einer Methode der kognitiven Umstrukturierung bedient.
Ich sagte mir: Grübeln ohne weiterzukommen, das tue ich schon seit Monaten. Also nahm ich mir vor, das sinnlose Grübeln durch ein ständiges, rationales Bewerten der täglichen Ereignisse zu ersetzen. Etwa so: Ich habe gerade einen Auftrag bearbeitet und abgeschlossen. Was daran ist negativ zu bewerten und was positiv oder einfach neutral? Ich vergab imaginär für jede Situation einen Score. Abends im Bett ließ ich mir dann das alles nochmal durch den Kopf gehen und merkte mir, wie die Gesamtbilanz ausfiel. Ich nahm mir dann vor, wenn etwas wirklich schlecht lief, den nächsten Tag damit zu beginnen, mich zu fragen, wie ich es anders machen würde. Und nie habe ich mit dem Bewerten aufgehört. Nach etwa einer Woche fiel mir auf: Es waren nur Kleinigkeiten, die schief liefen. Dann sagte ich mir: Fehler machen auch gesunde Menschen. Wie weit bin ich also - rational gesehen - von einem gesunden Menschen entfernt. Und tatsächlich: Durch das ständige, rationale Hinterfragen, Bewerten und Bilanzieren des Tages stellte sich heraus: Es gibt gar nichts wesentliches, wofür ich mir schämen müsste und mein Leben für wertlos halten sollte.
Dann mähte ich eines Tages abends den Rasen und während dessen geschah etwas merkwürdiges: Mir kamen plötzlich Erinnerungen an schöne Zeiten. Es fiel auf, dass ich Monate lang nur an meine schlechten Zeiten und Misserfolge gedacht hatte und die positiven gar nicht mehr erinnerte. Ich fasste immer noch nicht, was geschehen war, aber es kam eine kleine Freude auf. Ich sagte mir immer: Erwarte nicht zuviel, es ist noch nicht vorbei. Aber dennoch begann die Welt plötzlich, sich für mich anders anzufühlen. Ich nahm plötzlich Geräusche, Gerüche, Formen und Farben wahr, ohne etwas negatives daran zu finden. Dann schaute ich alte Fotos an und konnte mich sehr genau in die damaligen Situationen hineinversetzen.
Seit dem kommen - ohne Anstrengung - immer mehr alte Erinnerungen wieder hoch. Plötzlich kann ich mich wieder freuen, Feierabend zu haben, nach Hause zu kommen. Ich fühle mich, wie in der Zeit zurückgereist. Das geht nun schon seit 3 Wochen so und ich dachte nicht einmal mehr daran, mir das Leben zu nehmen.
Das Spiel, was ich oben beschrieben habe, bedient sich der sog. ABC-Methode aus der Kognitiven Verhaltenstherapie. Grundprinzip dahinter ist, dass eine Situation (A) erst durch unsere persönliche Bewertung (B) für uns zu einer guten, neutralen oder schlechten Erfahrung (C) führt, die unsere Biografie prägt. Diese Dynamik liegt vielen psychischen Störungen zugrunde. Wie wir also die Geschehnisse selbst bewerten, hat einen wesentlichen Einfluss darauf, wie psychisch gesund wir sind.
Ich selbst habe über diese Methode im Buch Methoden der Kognitiven Umstrukturierung von Beate Wilken gelesen. Das Prinzip ist aber, anders als man es vielleicht aus der Psychologie erwarten würde, überhaupt nicht schwer zu verstehen. Insofern denke ich, könnt ihr euch auch einfach andere Bücher zu diesem Thema aussuchen oder auch auf Websites über das Prinzip informieren, das dürfte keine Rolle spielen. Das ABC-Prinzip ist ein gängiges Modell der Psychologie.
Ebenfalls empfehlen kann ich euch dieses Material zum Imaginary Rescripting: https://clinical-neuropsychology.de/ima.g-deutsch/
Dort ist, wie ich finde, in einem PDF sehr gut und kompakt gehalten beschrieben, wie unser Denken funktioniert und beeinflusst werden kann.
Ich hoffe, ich habe mich einigermaßen verständlich ausgedrückt und kann euch mit diesem Post helfen. Ich würde mich freuen, wenn ihr das Beschriebene an euch selbst ausprobiert und auch hier schreibt, ob es euch hilft.
Was ich hier geschrieben habe, findet sich in Ansätzen auch in manch anderem meiner Posts in diesem Forum. Aber mir war es wichtig, das mal ausführlicher unter der Rubrik Heilung Erfolgserlebnisse zu posten. Denn ich erinnere mich, wie ich hier unzählige Posts von Menschen las, die mitten in der Schei*** stecken. Auch wenn der Austausch unter Betroffenen enorm wichtig ist, hatte ich dabei doch ständig das Gefühl, dass niemand mehr schreibt, sobald er die Depression besiegt hatte (auch wenn das nicht tatsächlich so ist). Deshalb ist es mir wichtig, diesen Text nun genau in dieser Rubrik zu posten!
Ich habe es geschafft, und auch ihr werdet es irgendwann schaffen. Gebt nicht auf (also macht keine Dummheiten), aber hört auf, gegen euch selbst zu kämpfen - das war für mich die entscheidende Voraussetzung zur Remission.
Alles Gute,
Euer
Michael
Manche, die meine Beiträge verfolgt haben, wissen schon, dass mir ein Antidepressivum nicht geholfen hat und ich mich weigerte, weitere auszuprobieren. Das ist ein kontroverses Thema, auf das ich hier nicht mehr weiter eingehen werde. Ich würde nur jedem raten, sich auch unabhängig von den Empfehlungen der Ärzte über die Wirkstoffe und ihre Geschichte zu informieren und ggf. auch Packungsbeilagen zu lesen. Es gibt dazu auch mehrere Sendungen aus dem ÖRR, die man sich bei YouTube anschauen kann.
7 Sitzungen bei einem Psychotherapeuten habe ich in Anspruch genommen. Es handelte sich dabei um die tiefenpsychologisch orientierte Therapie. War es das, was mir geholfen hat? Ich glaube, nur bedingt. Die Chemie mit dem Therapeut stimmte, was sehr wichtig ist. Allerdings halte ich die Methode, nach Fehlern in der Biografie zu suchen und diese aufzuarbeiten, nicht für wirklich heilend. Sie trägt vermutlich dazu bei, dass man sein Leben folgend etwas anders gestaltet und dient damit sicher zu einer Rückfallprävention. Wirklich geholfen haben mir allerdings eher Denkansätze, die aus der Kognitiven Verhaltenstherapie stammen, wie ich später herausfand. Ich will mal versuchen zu beschreiben, wie ich vorgegangen bin.
Ein ganz entscheidender Punkt war, dass ich die Krankheit akzeptieren musste. Es dämmerte mir langsam, dass ich Tag ein, Tag aus damit beschäftigt war, mich über den nicht enden wollenden Zustand zu ärgern. Man ließt oft, man solle den Kampf nicht aufgeben. Vielleicht ist das auch einfach nur anders zu interpretieren, als ich es tat. Aber mir ist heute klar: Ich habe immer gedacht, gegen die Depression anzukämpfen. In Wahrheit war die Depression aber ein wesentlicher Teil meiner Persönlichkeit und habe somit dauernd gegen mich selbst gekämpft. Erst als ich das begriffen hatte, konnte eine Veränderung des Denkens beginnen. Ich nahm die Depression an, sagte mir: Es ist jetzt so, ich muss es akzeptieren. Erst das bereitete mir den Weg, tatsächlich etwas an meinem Denken zu ändern. Ich begann nun mit einem Spiel, das, wie ich später herausfand, sich einer Methode der kognitiven Umstrukturierung bedient.
Ich sagte mir: Grübeln ohne weiterzukommen, das tue ich schon seit Monaten. Also nahm ich mir vor, das sinnlose Grübeln durch ein ständiges, rationales Bewerten der täglichen Ereignisse zu ersetzen. Etwa so: Ich habe gerade einen Auftrag bearbeitet und abgeschlossen. Was daran ist negativ zu bewerten und was positiv oder einfach neutral? Ich vergab imaginär für jede Situation einen Score. Abends im Bett ließ ich mir dann das alles nochmal durch den Kopf gehen und merkte mir, wie die Gesamtbilanz ausfiel. Ich nahm mir dann vor, wenn etwas wirklich schlecht lief, den nächsten Tag damit zu beginnen, mich zu fragen, wie ich es anders machen würde. Und nie habe ich mit dem Bewerten aufgehört. Nach etwa einer Woche fiel mir auf: Es waren nur Kleinigkeiten, die schief liefen. Dann sagte ich mir: Fehler machen auch gesunde Menschen. Wie weit bin ich also - rational gesehen - von einem gesunden Menschen entfernt. Und tatsächlich: Durch das ständige, rationale Hinterfragen, Bewerten und Bilanzieren des Tages stellte sich heraus: Es gibt gar nichts wesentliches, wofür ich mir schämen müsste und mein Leben für wertlos halten sollte.
Dann mähte ich eines Tages abends den Rasen und während dessen geschah etwas merkwürdiges: Mir kamen plötzlich Erinnerungen an schöne Zeiten. Es fiel auf, dass ich Monate lang nur an meine schlechten Zeiten und Misserfolge gedacht hatte und die positiven gar nicht mehr erinnerte. Ich fasste immer noch nicht, was geschehen war, aber es kam eine kleine Freude auf. Ich sagte mir immer: Erwarte nicht zuviel, es ist noch nicht vorbei. Aber dennoch begann die Welt plötzlich, sich für mich anders anzufühlen. Ich nahm plötzlich Geräusche, Gerüche, Formen und Farben wahr, ohne etwas negatives daran zu finden. Dann schaute ich alte Fotos an und konnte mich sehr genau in die damaligen Situationen hineinversetzen.
Seit dem kommen - ohne Anstrengung - immer mehr alte Erinnerungen wieder hoch. Plötzlich kann ich mich wieder freuen, Feierabend zu haben, nach Hause zu kommen. Ich fühle mich, wie in der Zeit zurückgereist. Das geht nun schon seit 3 Wochen so und ich dachte nicht einmal mehr daran, mir das Leben zu nehmen.
Das Spiel, was ich oben beschrieben habe, bedient sich der sog. ABC-Methode aus der Kognitiven Verhaltenstherapie. Grundprinzip dahinter ist, dass eine Situation (A) erst durch unsere persönliche Bewertung (B) für uns zu einer guten, neutralen oder schlechten Erfahrung (C) führt, die unsere Biografie prägt. Diese Dynamik liegt vielen psychischen Störungen zugrunde. Wie wir also die Geschehnisse selbst bewerten, hat einen wesentlichen Einfluss darauf, wie psychisch gesund wir sind.
Ich selbst habe über diese Methode im Buch Methoden der Kognitiven Umstrukturierung von Beate Wilken gelesen. Das Prinzip ist aber, anders als man es vielleicht aus der Psychologie erwarten würde, überhaupt nicht schwer zu verstehen. Insofern denke ich, könnt ihr euch auch einfach andere Bücher zu diesem Thema aussuchen oder auch auf Websites über das Prinzip informieren, das dürfte keine Rolle spielen. Das ABC-Prinzip ist ein gängiges Modell der Psychologie.
Ebenfalls empfehlen kann ich euch dieses Material zum Imaginary Rescripting: https://clinical-neuropsychology.de/ima.g-deutsch/
Dort ist, wie ich finde, in einem PDF sehr gut und kompakt gehalten beschrieben, wie unser Denken funktioniert und beeinflusst werden kann.
Ich hoffe, ich habe mich einigermaßen verständlich ausgedrückt und kann euch mit diesem Post helfen. Ich würde mich freuen, wenn ihr das Beschriebene an euch selbst ausprobiert und auch hier schreibt, ob es euch hilft.
Was ich hier geschrieben habe, findet sich in Ansätzen auch in manch anderem meiner Posts in diesem Forum. Aber mir war es wichtig, das mal ausführlicher unter der Rubrik Heilung Erfolgserlebnisse zu posten. Denn ich erinnere mich, wie ich hier unzählige Posts von Menschen las, die mitten in der Schei*** stecken. Auch wenn der Austausch unter Betroffenen enorm wichtig ist, hatte ich dabei doch ständig das Gefühl, dass niemand mehr schreibt, sobald er die Depression besiegt hatte (auch wenn das nicht tatsächlich so ist). Deshalb ist es mir wichtig, diesen Text nun genau in dieser Rubrik zu posten!
Ich habe es geschafft, und auch ihr werdet es irgendwann schaffen. Gebt nicht auf (also macht keine Dummheiten), aber hört auf, gegen euch selbst zu kämpfen - das war für mich die entscheidende Voraussetzung zur Remission.
Alles Gute,
Euer
Michael