cpw423
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ich wende mich an euch mit einem womöglich sehr ungewöhnlichen Anliegen, dass im Vergleich zu anderen Problemen des täglichen Lebens fast schon lächerlich erscheinen mag. Mich macht es jedoch zunehmend psychisch fertig und daher würde ich mich über hilfreiche Tipps zur Bewältigung sehr freuen.
Seit etwas mehr als drei Jahren habe ich nun meinen Führerschein und fahre seitdem auch regelmäßig Auto. Ich bin von Natur aus ein sehr pedantischer Mensch, der stets versucht, keine Fehler zu machen und sämtliche Anlegenheiten mit der größtmöglichen Sorgfalt und Genauigkeit zu erledigen. Leider bin ich auf der anderen Seite auch wenig selbstbewusst und zweifle oft an der Richtigkeit meiner Handlungen. Dieses Mindset macht sich auch in meinem Fahrverhalten bemerkbar: Ich achte beim Fahren immer sehr genau auf die zulässige Höchstgeschwindigkeit, ich bremse bei gelben Ampeln ab und bin beim Abbiegen sehr vorsichtig, wenn ich Fußgänger und Fahrradfahrer erkenne und warte diese sicherheitshalber lieber ab, wenn ich sie ansonsten auch nur zur kleinsten Verzögerung zwinge. Kurz gesagt: Ich fahre haargenau so, wie man auch in der Fahrprüfung fahren muss, um den Führerschein zu bekommen. Aufgrund meiner Persönlichkeit und ebenso meiner beruflichen Absichten (ich studiere derzeit Jura) habe ich grundsätzlich eine starke Abneigung dagegen, Gesetze zu missachten, selbst, wenn ein regelwidriges Fahrmanöver (objektiv betrachtet) ungefährlich wäre.
Würden alle anderen Autofahrer nach denselben Prinzipien fahren wie ich, gäbe es ja eigentlich auch überhaupt kein Problem. Dies ist aber leider nicht der Fall. Auf der Straße werde ich für meine Fahrweise nahezu täglich bedrängt, angehupt, riskant überholt und dabei geschnitten etc. Auch bekomme ich oft Mittelfinger zu sehen oder mir wird der Vogel gezeigt. Als ich einmal an einer gelben Ampel gebremst habe, ist mir mein Hintermann voll hinten aufgefahren. Seine Begründung war, dass er mit einem Bremsmanöver meinerseits nicht gerechnet habe und ich doch noch ,,locker hätte fahren können“, da die Ampel ja nicht rot war. Da diese Reaktionen keine Einzelfälle sind und immer wieder vorkommen, beginne ich, immer mehr an meinem Fahrverhalten zu zweifeln und setze mich selber stark unter Druck. Auch meine Familienmitglieder und Freunde kritisieren meine Fahrweise, wenn sie mal mit mir mitfahren und behaupten, diese sei nicht ,,praxistauglich“. Nach ihrer Meinung würde ich die Verkehrsregeln viel zu ernst und genau nehmen.
Vor einigen Tagen ist es dann passiert: Ich stand an einer sehr stark befahrenen Vorfahrtsstraße und musste Vorfahrt gewähren. Ich wollte nach links abbiegen. Es kamen von beiden Seiten permanent Autos, wodurch sich einfach keine Lücke geboten hat, um rechtskonform in die Straße einzufahren (also ohne jemanden zum Bremsen zu zwingen). So wartete ich bestimmt 10 Minuten an der Kreuzung und es wurde einfach nicht leerer. Währenddessen wurde ich von meinem Hintermann bestimmt 10 Mal angehupt und ich sah im Rückspiegel, wie er wild mit den Händen fuchtelte. Normalerweise lässt mich sowas ja kalt. Nach 10 Minuten stieg der Fahrer aber sogar aus, ging zu meinem Fenster und fragte mich aggressiv, ob ich denn an der Kreuzung übernachten wollen würde. Ich zeigte nur auf die vorbeifahrenden Autos und machte ihm klar, dass ich nicht fahren dürfte. Daraufhin schrie der Mann mich an und behauptete, dass ich auch gleich bis übermorgen warten könnte, wenn ich hier rechtlich alles korrekt machen würde. Ich würde nach seiner Ansicht alle anderen behindern und den Verkehr mit meiner Fahrweise zum Erliegen bringen. Ich ignorierte ihn und konzentrierte mich weiter auf den Verkehr. Als sich auch nach weiteren 3 Minuten keine Lücke bot, hörte ich von weiteren hinter mir wartenden Fahrzeugen etliche Hupkonzerte und fühlte mich irgendwie schuldig, obwohl ich ja eigentlich alles korrekt machte. Da ich mich sehr unter Druck gesetzt gefühlt habe, habe ich es nicht mehr ausgehalten und bin mit Vollgas in die Kreuzung eingefahren, obwohl von rechts ein Auto kam, dass vielleicht nur noch 40 Meter von mir entfernt war. Obwohl ich sehr stark Gas gegeben habe, merkte ich beim Einfahren, dass das vorfahrtsberechtigte Auto abbremsen musste und ich dem Fahrer somit die Vorfahrt genommen habe. Er hat mich nicht angehupt oder bedrängt, sondern ist danach normal und mit angemessenem Abstand hinter mir hergefahren. Ich habe meine Hand aus dem Fenster ausgestreckt und eine entschuldigende Geste gemacht.
Dennoch lässt mir diese Aktion seitdem keine Ruhe und ich zweifle nun permanent an meiner Eignung zum Führen eines Kfz, da ich letztendlich nachgegeben und den Dränglern gegeben habe, was sie wollten. Natürlich wäre ich niemals in die Kreuzung eingefahren, wenn hinter mir niemand gewartet hätte. Ich habe also mein eigenes Handeln von den unberechtigten Forderungen eines anderen Verkehrsteilnehmers abhängig gemacht und dies ruft bei mir nun große Schuldgefühle hervor. Ich habe seitdem keine Lust mehr, in mein Auto zu steigen. Ebenso kann ich mich nicht mehr auf mein Studium konzentrieren, weil ich permanent an diese Situation zurückdenke und mir ausmale, was passiert wäre, wenn der Vorfahrtsberechtigte nicht für mich gebremst hätte oder mich vielleicht anzeigen wird. Ich kann seitdem auch kaum etwas essen und schlafe schlecht, weil es mich psychisch fertig macht, nicht Herr meiner Handlungen gewesen zu sein.
Was würdet ihr an meiner Stelle tun? Sollte ich mich vielleicht an einen Psychologen wenden, um die Sache mit ihm zu besprechen? Ich weiß, dass es sich lächerlich anhört, aber ich brauche einfach mehr Selbstbewusstsein, damit so etwas nie wieder passiert. Ich zweifle aber, ob ich dieses Selbstbewusstsein selber ausstrahlen kann, wenn ich das nächste Mal wieder bedrängt werde. Habt ihr da irgendwelche Tipps?
Vielen Dank im Voraus und sorry für den langen Text.
LG