Hallo, liebe Schokolove, (du hast dir einen tollen Namen gegeben!)
Meine Schwester zeigte sich zugänglicher als mein Bruder. Beide Geschwister sind wesentlich älter als ich. Sie sind in einer Zeit aufgewachsen, wo es einfach keine psychischen Störungen zu geben hatte, um zu überleben. Sie gestehen mir heute noch nicht zu, Depressionen zu haben und an Erschöpfung zu leiden, denn als ich geboren wurde, gab es in D doch nur Motivation zum Wiederaufbau und die Anfänge neuen Wohlstandes waren zu erkennen. Wie man denn da zu Depressionen kommen könnte?
Mein Bruder ist der Meinung, nur den Allerwertesten zusammenkneifen zu müssen, um aus dem Dilemma zu kommen. Er erkennt nicht an, dass gerade das jahrelange Zusammenreißen meinen Zustand verschlechtert hat. Selber gab er zu, auch nicht unbelastet zu sein, aber halt anders damit umgehen würde.
Weil ich ahnte, wie meine Geschwister reagieren würden, schrieb ich diesen sehr offen gehaltenen Brief.
Meine Schwester reagierte verwundert, räumte aber ein, dass Depressionen wohl jeden treffen könnten und bedauert, dass ich als Familienmitglied nun dieses wörtlich benannte schwarze Schaf sei. Bestenfalls akzeptiert sie meinen Zustand, aber so ganz verstehen kann sie ihn nicht. Mein Bruder fühlt sich sehr zurückgesetzt, wenn ich aus persönlichen Gründen nicht seinen Vorstellungen entspreche. Er möchte gern zusammen mit mir und meinem Mann etwas unternehmen und dadurch mehr Farbe ins eigene Leben bekommen. Das aber können wir nicht erfüllen. Dazu geht es mir auch körperlich zu schlecht.
Und so dümpeln wir durch die Tage ohne rechte Lösung. Ich müsste sehr sehr deutlich bei meinem Bruder werden und schrecke dennoch davor zurück. Er ist der Typ, der MIR die Schuld in die Schuhe schiebt, verantwortlich für den Zwist und das Auseinanderleben zu sein.
Eigentlich müssen weder du mit deinen 38 Jahren noch ich mit meinen 64 Jahren uns vor unseren Verwandten für unseren Zustand rechtfertigen.
LG von Mayke
20.11.2020 08:30 •
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