Hallo Chaotine,
ich bin erstmals in diesem Forum. Aus einem eigentlich ganz anderen Grund.
Dann habe ich deinen Beitrag gesehen - und glaube, ein bisschen nachempfinden zu können, welchen Herausforderungen du immer wieder aufs Neue stellst. Du hast deine Situation gut beschrieben. Auf mich machst du den Eindruck, reflektiert zu sein (bitte lass dich nicht abschrecken, falls dir das oder was ich noch schreiben werde zu viel Lob ist. Denn ich meine es viel eher als Feststellung).
Ich kenne deine Gedanke, quasi fast mein ganzes Leben lang. Meine biographischen Verarbeitungen liegen quantitativ weit unter den Verarbeitungen, die noch offen stehen. Das löst mal mehr oder weniger Stress aus, je nachdem wie belastet mein allgemeiner Zustand.
Ich möchte dir Mut zu sprechen, einen Weg der Verarbeitung statt der Vermeidung zu gehen. Das ist anstrengend, erfordert nahezu alle deine Ressourcen und sollte unbedingt in einem professionellen Rahmen seinen Anfang finden.
Selbst bin ich mir dankbar und stolz, immer mehr (z. T. wirklich aus dem Stand heraus) bewältigen zu können. Manchmal ohne dass nicht mal der Ansatz negativer Selbstbeurteilungen in meine Gedanken Einzug findet.
Die Sätze, die du nennst, kenne ich eins zu eins. Sie sind jahrelang meine stetiger Begleiter gewesen. Ich kann kaum in Worte fassen, wie viel sich meine Lebensqualität verbessert hat als ich es nach und nach und in mini mini Schritten in den Griff bekam. Das ist auch noch nicht abgeschlossen. Aber ich kann wesentlich besser damit umgehen.
Hier ein paar ganz akutelles Beispiel:
-- 1,5 Jahre gebraucht bis ich mich endlich für ein neues Laptop entschieden habe
(Wie kann man nur so blöd sein, sich nicht entscheiden zu können. Wieso halte ich an meinen Kriterien fest, wenn der Markt dem nicht entsprechen kann? Das ist so oberdumm. Ich bin so unfähig.) Ich war aber nicht unfähig, ich wusste nur genau was ich wollte und mich durch die Suche zur Laptop-Expertin entwickelt. Das sehe ich aber nur rational. Das Gefühl von Unfähigkeit bleibt.
Dann kaufe ich mir endlich ein Highend Gerät zu einem Highend Preis, freue mich, dass endlich wieder kratz-freien Ton haben werde, funktionierende Buchsen, Akku, der halbwegs berechenbar ist, mehr als drei Tabs offen und trotzdem stürzt das Laptop nicht ab usw.
Neues Laptop wird geliefert. Dann festgestellt, dass es einen werkseitigen Hardwarefehler hat, Akku defekt.
Es folgte die nächste gedankliche Reaktion
(Wie kann man nur so blöd sein, sich kurz vor Ostern und mit Corona ein Laptop zu bestellen. Jetzt erreiche ich weder Hersteller, noch Händler. Die werden auch völlig unterbesetzt sein. OMG, was für ein Fehler. Was kann ich überhaupt?! Außer wertlos sein.)Nach Ostern folgte das volle Programm mit Mircosoft Kontakt (deren Support ist echt ein Witz, da rede ich mir mein Versagen nicht ein) und dem Händler. Dieser hat vorbildlich reagiert, aber auch ich war eine vorbildliche Kundin, indem ich alles tat, was die Bearbeitug verkürzt. Ein Austauschgerät frühestens in 6 bis 10 Wochen. Gleiche negativen Gedanken wieder:
Wenn ich besser nachgedacht hätte, dann hätte ich nicht bestellt, dann gäbe es jetzt kein Problem = totale Unfähigkeit.Am Ende wurde mir zwei Wochen nach der Schadensmeldung die bestmöglichste Option angeboten. Das Laptop hat zwei Akkus, nur eines ist defekt. Das ist zum Glück in der Tastatur und die wird mir neu zugeschickt. Ist nächste Woche da.
Das war nur möglich, weil ich mich genau über die Konstruktion des Laptops (Convertible) informiert habe. 10 Sekunden später sehe ich, dass das gleiche Modell wieder verfügbar ist und sogar 70 Euro weniger kostet.
Normalerweise hätte ich mir auch wieder, nur wegen 70 Euro, ein Gefühl der Fehlentscheidung zugesprochen,
aber das wollte ich nicht. rot: destruktiv
grün: das ist mir gut gelungen
Weshalb schildere ich das so genau? Ich schließe mich Bernhard an. Es ist das Denkmuster, was bei deiner Lebensgeschichte verständlich ist, das dir zu Schaffen macht.
Es gibt erlernbare Strategien, umzudeuten. So wie du deine Beiträge verfasst hast, hast du auf jeden Fall auch die kognitiven Kapazitäten. Jemand sagte mal zu mir: Wie wir etwas nennen, hat Auswirkungen darauf, wie wir etwas wahrnehmen. Dies konnte ich oft beobachten. Es ist ein Prozess, den ich in extremen Situation fast schon als Kampf mit mir selbst wahrnehme, aber es lohnt sich. Natürlich wird deine Welt auch danach nicht zum Paradies, aber es ist nicht mehr zeitweise die Hölle.
Dass solche Gedanken eine Hölle im Kopf sind, habe ich erst realisiert, als ich mich lösen konnte.
Gerne würde ich dir mehr Positives schreiben, mehr Stärken, die sich aus deinen Zeilen lesen lassen. Wenn du das möchtest, schreib das bitte einfach.
Achja, das was mir persönlich eher weniger hilft, wenn ich anderen meine negativen Gedanken offenbare (sehr sehr selten) und diese dann einfach sagen: Ach, das wird schon... kann jedem passieren... Nimm es dir nicht zu Herzen Ja, stimmt alles. Kommt dann aber nicht bei mir an. Eher hilft mir mit Hilfe von anderen oder auch alleine genau zu schauen, was der Auslöser ist, worauf dieser wieder zurück zu führen ist und mir dann die Frage zu stellen, wie viel Zeit möchte ich mich jetzt dafür investieren mit dem Risiko, mich am Ende wieder niederzumachen, ist es mir wert und komme ich damit weiter.
Zu meinem Laptop Fail ist klar zu sagen: Nicht meine Schuld. Aber es gibt ja noch anderes. Da hilft mir dann reden.
Das ist aber alles nur meine Ansicht und nur meine Erfahrungen nach vielen Jahres der aktiven Auseinandersetzung. Wenn dir etwas von den Ausführungen nicht hilft, einfach streichen. Nimm das, was dir sinnvoll erscheint.
Alles Gute für dich : )