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Diagnose Schizophrenie abschaffen?

M
Ich möchte gleich mal vorwegnehmen, dass ich selbst nicht von Schizophrenie betroffen bin. Da ich aber einen Freund hatte (lebt noch, aber kein Kontakt möglich), der unter Schizophrenie leidet, interessiert mich schon, was Betroffene davon halten:

Ludger Tebartz van Elst (nicht der mit der Protz-Kirche, sondern sein Bruder, ein Psychiater) stellt die These auf, dass die Diagnose Schizophrenie in einigen Jahren Geschichte sein wird: https://www.psychiatrie.de/buecher/kran...renie.html.

Ist jemand schon mit einem Therapeuten konfrontiert gewesen, der dieses Krankheitsbild für konstruiert hält? Und wenn ja, was bedeutet das für euch als Betroffene? Oder seht ihr da überhaupt eine Auswirkung auf euere Situation? Denn für mich als unbeteiligtem Beobachter stellt sich die vielleicht banale Frage: Ja, und dann? Was ist dabei gewonnen, wenn das Kind nun anders genannt wird?

Wie gesagt, ich bin glücklicherweise nicht selbst betroffen. Aber weil ich jemand sehr vertrauten kenne, der durch diese Krankheit ein sehr schweres Leben inkl. überlebtem Selbstmordversuch mit körperlicher Einschränkung als Folge hat, hört sich das für mich zunächst nach einer leichtfertigen These an. Der Titel des Buches klingt meines Erachtens revolutionär genug, um als Autor Aufmerksamkeit zu bekommen (aus Sicht eines Marketers sehr erfolgversprechend).

07.10.2021 07:32 • #1


bones
Die Frage, die ich mir stelle ist, was möchtest du damit erreichen , was deine Frage betrifft?

Ich habe zwar nicht direkt eine Schizophrenie, wohl schizoaffekte Störung. Und kann da nur sagen, dass es eigentlich egal ist, was für Diagnose mein Krankheitsbild hat. Ist wirklich unwichtig. Hab auch damit wenig Probleme , was die Gesellschaft oder welch Personen es auch sein möge. Es ist auch davon abhängig , wie man dazu steht und wie man auftritt.

Warum es immer wieder Menschen gibt, die meinen zu müssen, was in Frage zu stellen, finde ich selber unnötig. Warum einfach nicht so belassen wie es ist. Es gibt wichtigere Sachen als das in Frage zu stellen.

08.10.2021 19:38 • x 3 #2


A


Hallo Michael808,

Diagnose Schizophrenie abschaffen?

x 3#3


M
Zitat von bones:
Die Frage, die ich mir stelle ist, was möchtest du damit erreichen , was deine Frage betrifft
Meine Antwort auf diese Gegenfrage fällt so banal aus, wie sie selbst ist: Eine Antwort darauf, z.B.:
Zitat:
Und kann da nur sagen, dass es eigentlich egal ist, was für Diagnose mein Krankheitsbild hat. Ist wirklich unwichtig. Hab auch damit wenig Probleme , was die Gesellschaft oder welch Personen es auch sein möge. Es ist auch davon abhängig , wie man dazu steht und wie man auftritt.


Zitat:
Warum es immer wieder Menschen gibt, die meinen zu müssen, was in Frage zu stellen, finde ich selber unnötig. Warum einfach nicht so belassen wie es ist.
Warum? Weil mich Dinge interessieren. Weil ich Dinge verstehen will. Weil es auch zur Selbstreflexion beiträgt, zu erfahren, welche Probleme andere Menschen haben und vor allem, wie sie damit umgehen.
Zitat:
Es gibt wichtigere Sachen als das in Frage zu stellen.
Macht man im Leben nur Dinge, die wichtig sind? Und selbst wenn, bin ich wieder bei dem Punkt Selbstreflexion. Und die empfinde ich für mich als nicht unwichtig.

Du hättest mir übrigens auf die Frage nicht antworten müssen, wenn du meinst, das gehe mich nichts an. Das ist hier alles freiwillig. Da könnte ich den Spieß rumdrehen und sagen: Es gibt wichtigeres, als im Internet mit jemand über Dinge zu diskutieren, von denen du meinst, die gehen ihn nichts an.

09.10.2021 08:50 • #3


buddl1
... eine Meinung ist immer noch besser, als keine Meinung zu haben oder zu geben....
wenn berufene Wissenschaftler, Professoren eine Krankheit definieren,
damit diese endlich bezeichnet und damit auch als solche gewertet werden konnten,
warum muss dieses dann wieder in Frage gestellt werden?
durch uns, Laien....
man kann sich sicher jeder Theorie anschließen und doch erreichen wir nicht die Tiefe, die zur Klassifizierung einer Krankheit oder deren Beschaffung führen könnte...
es wäre jetzt mühselig für uns doch all die bekannten Krankheiten zu hinterfragen die Dank der Wissenschaft ihren Namen, ihre Klassifizierung erhielt.

Ich selber kenne/(kannte genügend schwere und wendigere schwere, klassifizierte Menschen und ich empfinde es als immensen Erfolg, dass zum einen einige ihre Erkrankung erkennen können und damit ihre Leben einrichten konnten und die die es einfach nicht können,
ihre Fürsorge von anderen erhalten, ohne jemals den Dank der Erkrankten erhalten zu können.

Anhand deiner intensiven Betrachtung lieber @Michael 808,
die eigentlich schon sehr in eben diese Richtung,
zumindest denken lässt,
schließe ich mich @bones an,
dass nicht alles was einen selbst oder anderen betrifft, in Frage zu stellen und Dinge
dann für sich zumindest so zu nehmen wie sie sind,

einfach um damit leben zu können.

Buddl1,
die Welt ist voller Irrtümer,
der größte
vermutlich.
. Sind wir selbst..

10.10.2021 08:47 • #4


M
Hi,
ich finde das eine interessante Frage. Ich habe mir die Beschreibung des Buchs bei springer.com durchgelesen. Meine Meinung zu der These: die Wissenschaft entwickelt sich immer weiter, wird präziser und passt Begriffe an. Das scheint hier wohl auch der Fall zu sein.

Zitat:
Limbische oder autoimmune Enzephalitiden und andere milde Enzephalitiden sind offenbar eine bis vor kurzem selten oder gar nicht erkannte klinische Entität in akut psychiatrischen Patientengruppen mit meist schizophren oder affektiv ausgeprägten Psychosyndromen, die immer wieder überraschend schnell und effektiv mit immunmodulatorischen Therapien behandelt werden können.

Das ist aus der o.g. Beschreibung. Scheinbar können Schizophrenien mit entzündlichen oder immunologischen Prozessen einhergehen. Für mich als Laie ist das ein Henne-Ei Problem. Sind die entzündlichen Prozesse die Ursache der Schizophrenie oder ist das umgekehrt? Und: Trifft das auf alle Betroffenen zu oder nur auf manche?

Zitat:
Im neunten Kapitel wird schließlich der Krankheitsbegriff auf dieser Grundlage nochmals hinterfragt [...] was letztlich dann wieder schon der Idee von Eugen Bleuler bei der Schaffung des Schizophreniebegriffs sehr nahekommt, der ja davon sprach, dass es sich wahrscheinlich um eine Gruppe von Schizophrenien handele.

Hier wird angedeutet, dass es sich bei Schizophrenie um eine Gruppe von Erkrankungen handeln könnte. Das meine ich mit Wissenschaft entwickelt sich weiter und wird präziser.

Hat das eine Auswirkung auf Diagnose und Therapie? Ich glaube nicht. Auch bei Depressionen gibt es Forschungen zu entzündlichen und immunologischen Prozessen. Eigentlich kommt hier der ganze Körper aus dem Gleichgewicht: erhöhte Entzündungswerte, erhöhter Cortisolspiegel, gestörter Hormonhaushalt, gestörter Fettstoffwechsel, usw. Trotzdem wäre es wohl falsch zu sagen, dass eine Entzündung in den meisten Fällen die Ursache ist. Es ist eher eine Begleiterscheinung. Dann gibt es noch die neurochemische Perspektive: zu wenig Serotonin. Aber auch das ist eben nur ein Blickwinkel und man kann die Krankheit nicht nur auf ein chemisches Ungleichgewicht zurückführen. Sonst würden SSRIs viel häufiger helfen. Genausowenig kann man Schizophrenie mMn auf eine Hirnhautentzündug zurückführen. Das klinische Bild ist am Ende entscheidend und das ist viel umfassender.

10.10.2021 22:28 • x 1 #5


M
Das ist mal eine ausführliche Antwort. Vielen Dank, Michi!
Was du schreibst, klingt für mich auch plausibel.

11.10.2021 09:06 • #6

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