Siraita
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Als wir uns kennengelernt haben, war er der festen Überzeugung, nie wieder eine depressive Phase zu haben Naja, habe ich ihm das nicht geglaubt. Zu Recht. Natürlich gab es - nach den ersten Verliebtheitshochphasen - immer mal wieder schlechte Tage, auch mal Phasen, wo er eine Woche oder zwei krankgeschrieben war. Aber mit liebevollem Auf-Ihn-Zugehen und Ruhe gönnen, ging das auch immer wieder gut vorbei. Zudem konnte er auf eine Teilzeitstelle wechseln.
Er wollte mich aber mit bestimmten Gedanken seinerseits nicht belasten und so war unsere Idee, dass er sich um einen Termin bei seiner ehemaligen Psychologin bemüht. Die war nicht mehr da, die Nachfolgerin attestierte kurzfristig eine schwere depressive Phase und empfahl Tagesklinik. Dort war er im Sommer zwei Monate. Seitdem geht alles nur noch bergab.
Er hat in der Zeit in der Klinik Rente beantragt und ist krankgeschrieben (er ist 57, seinen Job im Forschungsbereich hat er sehr gemocht - er erzählte mir anfangs, der sei in seiner schlimmen familiären, depressiven Zeit sehr hilfreich gewesen. Zudem ist er, da ÖD und Teilzeit, abwechslungsreich und nicht übermäßig fordernd). Seit er nicht mehr zur Arbeit rausgeht, geht er kaum noch raus. Soziale Kontakte lässt er einschlafen, seine Tochter mit Enkelkind lebt im gleichen Ort wie wir, aber er meint, er fällt denen nur zur Last. Zu einem gebuchten WE an der Ostsee fuhr ich allein. Seinen Sport macht er immer weniger. WENN das mal klappt, dass er mit Freunden unterwegs ist, wir zum Sport gehen, geht es ihm besser. Ich hab auch schon Treffen mit seiner Tochter und Enkelin angeleiert und hatte so gar nicht seinen Eindruck. Aber alleine macht er da nichts. Wem was an ihm liegt, kann sich ja melden. So macht er meistens nichts und verliert sich in Gedanken darüber, wie sein Leben hätte sein können, wenn, wenn, wenn.
Er geht noch ca. alle zwei Wochen zur Therapie, das scheint aber nichts zu helfen, ihn nur mehr in der Vergangenheit festzunageln. Er selber wartet offenbar darauf, dass von außen etwas passiert, dass die Welt wieder schön macht. Passiert natürlich nicht.
Über seine Passivität und sein Nichtstun geraten wir zunehmend in Streit. Ich habe das Gefühl, ihm ist alles egal. Kleine Fortschritte, große Rückschritte.
Zumal er kein Krankentagegeld mehr erhält, seine Ersparnisse sind wegen alter Schulden gleich null bzw. eh im Minus. Das macht uns beiden Angst, aber ich habe das Gefühl, für ihn ist es ok, dass ich alles stemme. Denn er ist ja offiziell bestätigt depressiv.
Ich habe eine Tochter im Grundschulalter, die bei uns lebt und arbeite Vollzeit. So langsam drehe ich am Rad. Ich komme mit nichts weiter. Ich will mich nicht streiten, aber dem Nichtstun zuschauen? Es ist so klar, dass ihm diese Isolation nicht gut tut.
In allen Beiträgen liest man, Therapie ist DIE Hilfe. Bei uns ist seitdem alles schlimmer geworden. Und ich seh nicht, wie sich die Spirale wieder drehen lässt, wenn ihm daran offenbar nicht so viel gelegen ist, dass er auch etwas dafür tut.
Liebe Grüße,
Siraita
Lange Eede kurzer Sinn: