Nikolai
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entschuldigt den etwas philosophisch angehauchten Titel - ich hoffe, hier eine spannende Diskussion eröffnen zu können.
Ich bin neu hier - also kurze Minivorstellung: ich bin Niko, 29, und habe ein Leben in Saus und Braus geführt. Nie finanzielle oder gesundheitliche Sorgen, Schule top, Studium top - und immer fröhlich und voller Energie.
Um nichts im Leben zu verpassen, habe ich meine Energie für viel Schönes und Gutes eingesetzt - Reisen, Ehrenämter, soziales Netwerk aufbauen, viel Sport etc. Das hat mir und anderen viel Freude bereitet und ich wäre nicht auf den Gedanken gekommen, wie schnell sich das ändern kann.
Hier nun meine Burnout Kurzgeschichte:
Von einem Tag auf den anderen habe ich Panikattacken bekommen und einen Grossteil meiner Energie verloren. Ich war extrem belastungsempfindlich und Angst war mein ständiger Begleiter. Die Symptome waren kunterbunt - Rückenschmerzen, trockener Mund, Schwitzen oder Frösteln, Tinnitus, Schlafstörung, Muskelschwäche, etc. Meine Versuche, die Ursachen zu erkennen, endeten immer im Sorgenkarussell um Inhalte wie Impfnebenwirkung, Superdepression oder Erschöpfungssyndrome. Ich habe nichts mehr verstanden. In meinen Augen war mein Leben vorher weder anstrengend, noch sonstwie überfordernd gewesen. Nach 3 Monaten war ich im absoluten Loch angekommen, total ratlos. Escitalopram hat mich da raus geholt. Weiter gings mit einer psychiatrischen Klinik, 5 Wochen Aufenthalt. Danach der Versuch der Reintegration in den Alltag mit reduzierter Arbeit. Unglaubliche Stimmungsschwankungen, Energie langsam wieder da, aber immer wieder auch totale Löcher. Jetzt - ein Jahr später - komme ich ganz okay zurecht, aber habe oft noch tiefere Downphasen, Erschöpfung und bin mit meinen Erklärungen vielleicht ein kleines bisschen weiter.
Nun zu meinem Titel - was sind wirklich die Auslöser eines Burnouts? Jeder beschreibt hier so viel Unterschiedliches und oft sind Traumata, Belastungen und Druck mit dabei. Bei mir nicht, jedenfalls nicht bewusst. Gibt es etwas, was uns alle verbindet, auch wenn es von aussen betrachtet nicht so scheinen mag?
Hier meine Versuche einer Erklärung, in denen ihr euch vielleicht wiederfinden könnt und mir gerne eure Sicht dazu nennen könnt:
1) Symphatikusdominanz. Das war die Erklärung, die ich in der Klinik bekommen habe. Wenn man permanent in Aktion ist, selbst wenn es tolle, spassige Dinge sind, gerät das autonome Nervensystem aus der Balance und voìla - ein Burnout ist das Ergebnis.
2) Verzerrte Wahrnehmung. Ich muss zugeben, mein Leben wird von mir oft als entspannt beschrieben, jedoch ist das Feedback von aussen oft, dass ich ein unglaublich anstrengendes Leben führe. Das habe ich nie so wahrgenommen und mich so auch nicht oft gefühlt. Dinge, die ich als entspannt sehe (sich mal in den Zug setzen und durch Deutschland fahren, um Freunde zu sehen), sind es womöglich einfach nicht.
3) Gleichgewicht. Ich habe jahrelang ein Leben mit absoluten Stimmungshöhepunkten erlebt und mir seltsame Fragen gestellt wie Warum geht es vielen so schlecht und mir immer gut?. Vielleicht muss eine solche Phase in mein Leben kommen, damit ich merke, dass das Leben einfach anders ist, als ich dachte.
4) Dysfunktionale Emotionsbewältigungsstrategien und subjektives Empfinden. Wow, was für ein Wort! Was ich damit meine - jeder nimmt Emotionen anders war und bewertet sie anders. Für den einen ist eine leichte Müdigkeit schon starke Erschöpfung, für den anderen ist es nur ein gewöhnliches Alltagsgefühl. Manchmal habe ich den Eindruck, dass ich meine negativen Emotionen schnell als sehr gefährlich und krankhaft sehe und mich enorm dagegen wehre, weil ich denke, dass irgendetwas in mir falsch läuft. Es sind nicht die Gedanken, die meine Erschöpfung erklären, sondern mein eigenes gedankliches Kreisen um diese Emotionen.
5) Die Seele vs der Verstand. Meine ganze Burnoutgeschichte ist von Paradoxen geprägt. Alles, was ich dachte, was mir gut täte, hat mir auf einmal nicht mehr gut getan. Und umgekehrt. Irgendwann habe ich erkannt, dass mein Verstand Dinge sehr schnell bewertet und fixe Vorstellungen davon hat, was mir gut tut. Mein Verstand ist/war total dominierend und ich habe ihn als die einzige Wahrheit gesehen. Meine Seele möchte mich vielleicht einfach davon wegtragen und mir zeigen, dass vieles nicht erklärbar ist und ich einfach mal loslassen darf (fällt mir unglaublich schwer).
Ich hoffe, damit vielleicht auch jemandem in seiner schwierigen Phase helfen zu können, denn diese für mich scheinbar nicht erklärbare Situation, mit der auch Ärzte und Terapheuten überfordert waren, tritt vielleicht in dieser Form auch bei anderen auf.
Ich freue mich sehr über eure Kommentare und wünsche euch alles Gute für euren Weg.
Liebe Grüsse,
Niko