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Eine Frage unter Menschen über Freundschaft

R
Ohne große Umschweife würde ich gerne wissen, wie eure Freundschaften eigentlich entstanden sind. Wie stehen die Verhältnisse zu den jeweiligen Beziehungen? Und wie viel Offenheit ist da im Spiel?

Also ganz konkret: Wie definiert ihr Freundschaft?

Ich frage deshalb, weil ich im Laufe meines Lebens viele Bekanntschaften hatte, aber irgendwie hat sich nie etwas wie Freundschaft entwickelt. Es waren eher wie entspannte Gespräche am Bahnhof – nett, aber man weiß, dass man gleich wieder getrennte Wege geht.

Da gibt es jemanden, den ich seit 18 Jahren kenne. Sie meinte mal beiläufig zu mir: „Naja, man kennt nun mal Menschen, mit denen man sich trifft, aber eher, weil nichts anderes verfügbar ist.“ Ihre Formulierung war nicht ganz so barsch, aber die Botschaft kam klar rüber – so nach dem Motto: „Du bist die letzte Wahl, aber hey, willkommen im Club!“ Das hat mich ein wenig tangiert.

Rückblickend stellt man fest, dass es nie so etwas wie Freundschaft gab.

Ich will hier nicht im Selbstmitleid versinken; ich bin einfach nur neugierig, wie eure Freundschaften entstanden sind ?

Danke

Gruß
Rira

11.10.2024 11:57 • x 2 #1


W
Interessante Frage. Ich denke, dass die Vorstellungen was Freundschaft ausmacht ziemlich weit auseinander gehen können. Der Begriff verliert durch diverse Social Media schnell an Bedeutung, wenn man jede Person mit der man sich mal nett unterhalten hat, zu seiner Freundesliste hinzufügt. Dennoch reicht eine nette Unterhaltung auch aus, um jemand im realen Leben schnell mal als Freund anzusehen. So kommt man recht schnell auf eine große Anzahl an Personen die man als Freunde bezeichnet, obwohl man sie eigentlich gar nicht richtig kennt, was ich persönlich jedoch als Voraussetzung ansehe um jemanden Freund zu nennen. In meinen Augen wird der Begriff Freund zunehmend inflationär gebraucht, es hat nicht viel zu bedeuten.
Meine Definition von Freundschaft ist, dass man sich gut kennt, Vertrauen hat, viele gemeinsame Erlebnisse, und natürlich eine offene Kommunikation. Demnach habe ich nur zwei Freunde, alles andere sind Bekanntschaften.

11.10.2024 14:52 • #2


A


Hallo Rira,

Eine Frage unter Menschen über Freundschaft

x 3#3


Stromboli
Liebe Rira

Danke für deine interessante Frage.

Mir ist es bis vor wenigen Jahren, also bis gegen 60, ähnlich ergangen mit Freundschaften, für die der Begriff Bekanntschaft zutreffender war. Ich hatte mich immer mal wieder gefragt, wieso keine einzige meiner zeitweiligen Freundschaften, z.B. aus der Gymnasial- und Unizeit oder der langen beruflichen Tätigkeit am gleichen Ort zwischen 35 und 55 Bestand hatte. Als nach 55 noch einmal eine grosse Krise ins Leben einbrach, mit Scheidung und Jobverlust, stand ich ohne einen einzigen Freund oder eine Freundin da. Mein soziales Netz war quasi auf meine beiden Kinder reduziert, die auch gerade erst erwachsen waren und die ich nicht für freundschaftliche Gespräche in meinem Zustand beanspruchen wollte und konnte.

Ich habe dann im Lauf der Therapie, die ich damals wieder anfing, mehr und mehr den Zusammenhang bemerkt, wie sehr die als Kind erfahrene Bezugs- und Bindungslosigkeit es mir verunmöglicht hatte, eine Fähigkeit zum Eingehen, Pflegen und Aufrechterhalten von Freundschaften zu entwickeln. Dem stand viel zu sehr die tief im Unterbewusstsein eingeprägte Überzeugung im Weg, dass ich schlicht und einfach zu uninteressant sei für andere und meine Bedürfnisse an eine Beziehung gar nichts wert waren.

Das muss bei dir jetzt nicht denselben Hintergrund haben, aber irgendeine Wurzel hat es sicher auch.

Aber du fragst eigentlich nur, wie ich Freundschaft definiere, im Gegensatz zu blosser Bekanntschaft. Ich würde es so umschreiben: Eine Beziehung, in der ich mich gesehen und verstanden fühle und in der das gegenseitig so ist, ein Geben und Nehmen. Eine Beziehung, in der ich mich wohl fühle, in der ich nicht Angst habe, so zu sein und mich zu zeigen, wie ich bin, und das auch tue. Eine Beziehung zudem, die lebt, das heisst in der man/frau sich regelmässig sieht, telefoniert und/oder schreibt, etwas zusammen unternimmt, ohne dass es zwanghaft ist, sondern eben weil es ein gegenseitiges Bedürfnis ist. Eine Beziehung, in der ich vielleicht auch mal längere Zeit nichts höre oder von mir hören lasse und trotzdem weiss, der Freund, die Freundin und die Verbundenheit ist da.
Etwa so.

Dass ich das jetzt so benennen kann, hat damit zu tun, dass mir das Leben tatsächlich in den letzten Jahren solche Beziehungen/Freundschaften geschenkt hat, wie ich sie nie real gekannt hatte vorher. Es ist kein grosser Freundeskreis, aber es sind doch etwa ein halbes Dutzend Menschen, die ich als solche Freunde und Freundinnen empfinde. Wenige, aber nahe Freundschaften, das entspricht mir und meinem Wesen auch mehr. Und im Rückblick zeigt sich, dass paradoxerweise die grosse Krise erst den Raum freigemacht hat dafür.

Ich hoffe, du kannst damit etwas anfangen.
Herzlichen Gruss an dich

11.10.2024 14:58 • x 1 #3


Mit180gen0
....andersüberegt

11.10.2024 20:59 • #4


R
Zitat von Mit180gen0:
....andersüberegt

?

11.10.2024 21:40 • #5


Grenzgaenger
Zitat von Rira:

11.10.2024 21:45 • #6


R
Meine Frage ist, was damit gemeint ist?

11.10.2024 22:16 • #7


Dys
Ich persönlich bezeichne manchmal jemanden, gegenüber einem anderen Menschen, den ich kenne und mit dem Ich befreundet bin, als Freund. Aber eher nur, weil es der Sprachgebrauch hergibt. Hauptsächlich bezeichne ich diese Menschen aber eher als Bekannte.

Für eine „echte“ Freundschaft hat es bei mir wohl nicht gereicht. Zumindest lege ich da für mich selbst Maßstäbe an, die ich aber niemals jemandem der mir sehr nahe stand, tatsächlich erbringen konnte. Und wenn das für mich nicht kann, so erwarte ich es auch von dem Anderen nicht. Einem Freund, so denke ich, kann man unbedingt vertrauen. Ich kann das aber nicht. Es gibt immer irgendwelche Bedenken meinerseits, was ich jemandem (an)vertrauen könnte. Bei einem „echten“, „wahren“ Freund sollte ich das meines Erachtens aber können.

Auch bin ich der Meinung, ein Freund kann „wahre Worte“ vertragen, habe aber festgestellt, dass es eben so nicht ist. Zwar sage ich offen und ehrlich meine Meinung oder Ansichten einem Bekannten gegenüber, merke aber, dass die wenigsten in der Lage ist, sachliches als solches anzunehmen und reagieren halt entsprechend. Ein Freud sollte da trennen können.

Wohlgemerkt, ich lege das auch für mich so fest und scheitere auch gelegentlich.
Erwartungsgemäß kann ich aber mit Bekannten schon über vieles, dass mich bewegt, sprechen. Auch wenn ich um Rat bitte, kann ich Ratschläge von Ihnen annehmen. Eine Umsetzung ist dann eh nur an mir und ob ich etwas umsetzen will. Ein Freund könnte meines Erachtens damit umgehen, wie auch immer ich mich entscheiden würde. Das erwarte ich von Menschen, die lediglich Bekannte sind, nicht und deshalb kommt es auch mal zu Distanzierungen, die dann mehr oder weniger beständig bleiben können.

Kurzum, einen Freund habe ich nicht und hatte auch nie einen. Zumindest nach meiner derzeitigen Einschätzung. Ob mich jemand als Freund bezeichnen würde oder auch tut, kann ich nicht einschätzen, bezüglich dessen, ob ich das erwidern könnte.

Wer einem „besten“ Freund wohl am nächsten kam, war mein Kater, der jetzt aber schon beinahe zwei Jahre tot ist.

12.10.2024 07:09 • #8


Fritz
Hi Rira
Ich brauche keine Freundschaft, naja bis auf so 2 - 3 Freunde.
Mit ist wichtig, mit Menschen zu sprechen, die meine Gedanken nachempfinden können und umgekehrt.
Ich habe mich in den letzten Jahren von vielen, sogenannten Sonnenfreunde, getrennt.
Für die Freundschaft spielt wohl auch das Alter eine Rolle.
Ich bin bereits 70 Jahre alt und bin nicht von Freundschaften abhängig.
Da lebe ich lieber allein.
Übrigens: Um Freunde zu gewinnen, muss man zuerst selber einer sein.
Du bist ja erst 43 Jahre, da solltest du schon echte Freundschaften haben.
Meine Einstellung
Servus

12.10.2024 07:49 • x 1 #9


A
Hallo Rira.
Ein Freund,
ob weiblich, männlich oder.....
ist für mich etwas ganz BESONDERES.
Ein Freund, ist einer dem ich auf Augenhöhe begegne und umgekehrt.
Ein Freund ist jemand,
der mir zugewandt ist.
Bei dem ich sein kann,
wie ich BIN und er wie er ist.
ohne sich verstellen zu müssen.
Ein Freund ,
ist einer dem ich viel anvertraue,
der viel weiß von mir.
Derjenige muß mich nicht stehts verstehen,
allerdings sollte er mich mit Respekt behandeln.
Mit einem Freund muß ich nicht stehts einer Meinung sein,
man kann sich auch zweinigen.
Ich habe 3 Freude, zur Zeit.
Durch meine Erkrankung bin ich mir sehr nahe gekommen
und weiß was ich möchte.
Danke für die spannende Frage.
Einen schönen Tag wünsche ich dir.

12.10.2024 08:16 • x 1 #10


R
@way2go

zunehmend inflationär gebraucht, es hat nicht viel zu bedeuten.

Meine Definition von Freundschaft ist, dass man sich gut kennt, Vertrauen hat, viele gemeinsame Erlebnisse, u



Das kommt mir ebenfalls verdächtig bekannt vor. Der Begriff ‘Freund’ wird oft leichtfertig verwendet, ohne dass man sich über seine tiefere Bedeutung Gedanken macht. Damit meine ich ganz bestimmte Menschen in meinem Umfeld (Nicht verallgemeinernd) Aber gut, jeder hat wohl seine eigene Vorstellung davon, was Freundschaft wirklich bedeutet.

Danke für deine Rückmeldung !

12.10.2024 08:51 • #11


ZeroOne
Ein spannendes Thema. Danke, @Rira !

Vieles wurde dazu ja schon geschrieben, z.B. die inflationäre Benutzung des Begriffs Freund durch die ganzen sozialen Plattformen (...als Freund hinzufügen...).

Tatsächlich wird jeder den Begriff Freund für sich anders eng oder weit auslegen. Für den einen ist ein Freund einer, mit dem er am Wochenende um die Häuser ziehen und Spaß haben. Für einen anderen ist ein Freund hingegen der Fels in der Brandung. Für einen dritten muss ein Freund vielleicht beides und noch viel mehr erfüllen.

Für mich war ein Freund immer etwas besonderes, der/die weit über Kumpel, Bekanntschaft, etc. steht.

Zu Beginn meiner psychischen Erkrankung vor über einem Jahrzehnt war ich eigentlich immer der Meinung viele, sehr gute Freunde zu haben, die auch in schwierigen Zeiten zu einem stehen. Fail...

Seither habe ich viele - auch teilweise sehr nette, umgängliche - Menschen kennengelernt. Mit manchen verbringe ich auch gerne mal Zeit. Aber früher oder später komme ich immer wieder zu dem Schluss, dass es zwar sehr angenehme Bekanntschaften sind, ich sie aber nicht als (enge) Freunde bezeichnen möchte.
Dazu würde z.B. für mich gehören, diesen Menschen so weit zu vertrauen, dass ich mich im Ernstfall auf sie verlassen kann. Das sehe ich aber nicht. Und wenn ich das in meinem Gegenüber nicht erkennen kann, dann kann ich selbst auch nicht diesen wesentlichen (Freundschafts-)Dienst anbieten.
Und gerade in den letzten Jahren ist meine Skepsis gegenüber neuen Bekanntschaften weiter gewachsen. Ich bin für jeden Spaß zu haben, aber mir reicht eine oberflächliche Ebene vollkommen aus.

Daher finde ich die Formulierung deiner Bekannten zwar hart (und unglücklich formuliert) aber gar nicht so realitätsfern, zumindest was meine momentane Art zu denken betrifft:
Zitat von Rira:
„Naja, man kennt nun mal Menschen, mit denen man sich trifft, aber eher, weil nichts anderes verfügbar ist.“


Ich selbst würde in meinem Leben nur noch von 2 Menschen (im Zweifelsfall einem) sprechen, die ich als echte Freund*Innen bezeichnen würde. Denen ich voll und ganz vertraue und mit denen auch ich im Ernstfall durch dick und dünn gehen würde.

12.10.2024 08:59 • #12


R
Zitat von Stromboli:
Dem stand viel zu sehr die tief im Unterbewusstsein eingeprägte Überzeugung im Weg, dass ich schlicht und einfach zu uninteressant sei für andere und meine Bedürfnisse an eine Beziehung gar nichts wert waren.

Danke @Stromboli für deine Ansichten..
Es tut mir wirklich leid (Und das soll nicht platitüdenhaft klingen)
Wenn große Schicksalsschläge in unser Leben treten, gibt es oft die Tendenz, dass sich viele Menschen entweder für immer oder für eine gewisse Zeit zurückziehen. Ich weiß nicht, wie du das siehst, aber ich denke, es hat nicht nur mit eigenen Themen wie Bindungs- und Entwicklungstrauma zu tun – was es zweifellos fundamental tut. Vielmehr scheinen Themen wie Tod, Krankheit oder Jobverlust so große Ängste auszulösen, dass sich viele nicht damit auseinandersetzen wollen. Ich habe das selbst erlebt, als meine Mutter schwer krank wurde (Krebs). Plötzlich waren nur noch zwei Menschen übrig. Ich war dankbar, dass es sie gab, aber zugleich verwundert über andere, die vorher einen ganz anderen Eindruck vermittelt hatten. Ich habe das auch offen angesprochen, was letztlich dazu führte, dass der Kontakt endete.

Ich verstehe aber, was du meinst. Ich kann nur an meinen eigenen Themen arbeiten und nicht versuchen, andere zu ändern. Trotzdem bin/war ich enttäuscht..

Es hilft aber auch Realitäten zu akzeptieren, anstatt permanent auf etwas hoffen was nicht eintritt..

Danke @Stromboli

12.10.2024 09:03 • x 2 #13


R
Danke für deine Gedanken! @ZeroOne

Dass du diese zwei Menschen in deinem Leben hast, ist ein Gewinn oder vielmehr eine Bereicherung..

Was deine Skepsis gegenüber Bekanntschaften angeht, kann ich das gut nachvollziehen. In den letzten Jahren hatte ich zwei fast schon amüsante Begegnungen (damals waren sie allerdings eher ärgerlich), bei denen es nur um die Anliegen der anderen ging. Es war so offensichtlich, dass die Gespräche immer geschickt auf sie gelenkt wurden. Damals hatte ich das Gefühl, mich ständig an sie anpassen zu müssen, habe aber den Kontakt relativ schnell abgebrochen.

Diese extreme Selbstbezogenheit fällt mir immer wieder auf. Ein kleines bisschen Neid verspüre ich allerdings, weil du diese zwei besonderen Menschen in deinem Leben hast.

Alles Gute weiterhin

12.10.2024 09:17 • x 1 #14


A


Hallo Rira,

x 4#15


R
Zitat von anir:
allerdings sollte er mich mit Respekt behandeln.
Mit einem Freund muß ich nicht stehts einer Meinung sein,
man kann sich auch zweinigen.
Ich habe 3 Freude, zur Zeit.

Wie du schon sagst, man kann definitiv unterschiedlicher Meinung sein und trotzdem sein Gegenüber als Freund betrachten.

Ich wünsche dir weiterhin wertvolle Freundschaften, die auf gegenseitigem Respekt und Augenhöhe basieren.

12.10.2024 09:21 • x 1 #15

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