Eine Therapie machen - hilft das wirklich?

Ellen
Ich wurde kürzlich gefragt, was die ganzen Therapien gebracht haben,es würde mir doch trotzdem nicht gutgehen.

Und meine Antwort darauf kommt wie aus der Pistole geschossen:
(brauche gar nicht lang überlegen)

im Gegensatz zu früher geht es mir gut, auch wenn es Zeiten gibt, in dene alles noch mal schwieriger wird.

Hätte ich meine Thrapien nicht gemacht, hätte ich mein heutiges Selbstbewußtsein nicht.
- Ich hätte die Ausbildung zur Erzieherin nicht gemacht vor ca. 10 Jahren
- Ich hätte keine Freunde
- Ich könnte keine Nähe ertragen, geschweige denn, genießen
- Ich würde mich und meinen Körper weiterhin hassen
- Ich hätte mich niemals lieben gelernt
- Ich würde sinnlos essen in mich reinstopfen
- Ich hätte jetzt keine Arbeit die mir Spass macht
- Ich würde niemals hier im Forum schreiben
- Ich würde jetzt noch ständig wie ein Kind fühlen
- Ich hätte mich nicht weiterentwickeln können
- Die Welt wäre für mich ein Ort, auf dem ich kein Recht hätte zu sein,
weil ich mich so klein , schäbig , wertlos und dreckig fühlen würde.
- Ich hätte meine Gefühle nicht, wäre eine lebende Tote
- Und vielleicht wäre ich Alk.
Aber ich hab die Therapien gemacht, lange Zeit, und ich bin gewachsen in der Zeit.
Es war wirklich nicht leicht, aber es hat sich gelohnt diesen schweren Weg zu gehen.

Auch wenn es vielleicht in den letzten Monaten nicht so rübergekommen ist, weil das Schwere im Fordergrund stand, weil die Gefühle dieses kleinen Mädchen nach vorne drängten, und ich manchmal mein mir erarbeitetes Rückrat kaum spüren konnte, war all das immer da, sonst hätte ich da auch nicht so rangehen können, wie ich es getan habe.

weil ich die Therapien gemacht habe, bin ich da, wo ich heute bin, und auch wenn ich gerade viel dafür tun muß, das auch wieder mehr zu spüren, es ist da, und mein Grundgefühl zu mir als Erwachsene ist dieses hier, und nie mehr gänzlich zu verändern:

Ich weiß, wer ich bin.
Ich weiß, daß ich was wert bin
Ich kenne meine Fähigkeiten und bin stolz drauf
Ich hab Erfolg im Beruf, und kann trotzdem zu meinen Schwächen stehen, ohne mich klein zu fühlen
Ich kann Menschen vertrauen
Ich kann mich Menschen zeigen, mit allem was mich ausmacht.
Ich bin selbstbewußt im Umgang mit den Menschen
Ich kann meine Grenzen setzen
Ich kann mir holen was ich brauche
Ich kann meinen Körper akzeptieren, ich mag ihn
Und ich hab mich ziehmlich, ziehmlich lieb

All die Unsicherheiten der letzten Zeit, kamen mit der Kleinen, was aber nicht hieß, daß all das andere was ich für mich erreicht habe, wirklich weg war.
Ich glaube sogar, daß es gerade das war, was es mir ermöglicht hat, da so genau hinzusehen.
Und ich denke, aus dieser Krise, nach dieser Arbeit an mir werde ich noch gestärkter hervorgehen


Und die Hoffnung auf ein besseres Leben darf man in sich selbst nicht aufgeben, unabhängig von dem, was andere in ihren Therapien erreichen.
Das kann blockieren, entäuschen.

Ich hab mir selbst immer gesagt:
Guck auf Dich, und was Dir möglich ist, für Dich selbst zu tun.

Du willst es schaffen, und dann schaffst Du das.


Liebe Grüße von Ellen

25.08.2009 21:11 • #1


A
Du kannst sehr stolz auf Dich sein, dass Du all das geschafft hast!!!


*HUT ZIEH*

25.08.2009 22:11 • #2


A


Hallo Ellen,

Eine Therapie machen - hilft das wirklich?

x 3#3


N

SUUUPER-KLASSE !!!
da springt mich die Energie gleich am Monitor an...

Wie lange hast Du Therapie gemacht? welche Art der Therapie, und bei wieviel Therapeuten? Ich frag' nur weil ich gerade auch ziemlich über dieses Thema nachdenke...

lieben Gruß
Natascha

26.08.2009 06:46 • #3


Ellen
Liebe Natascha,
meine erste Therapie habe ich vor ca. 22 Jahren angefangen, in einer Frauenberatungsstelle.

Ich hatte das Glück auf eine verständnisvolle, kompetente Psychologin zu treffen, die genau wußte, was sie mit Mißbrauchsopfern anfängt.
Bis dahin wußte ich nicht mal, daß ich eins war.

Ich hab hier mal ein Gedicht in Unser Sammesurium reingesetzt, was ziehmlich genau beschreibt, wie das zwischen uns und mit mir war.

Es heißt, glaube ich, meine Helfefrau.

Dort mußte ich aufhören, als meine Therapeutin dort aufhörte zu arbeiten, und in eine andere Stadt zog.

Sie empfahl mir eine Kollegin in einer anderen Beratungsstelle, die sie gut kannte.

Also machte ich nach einer Pause bei ihr weiter.

Und wieder hatte ich Glück, es passte, und auch sie verfügte über genug Erfahrung und Wissen.
Vielleicht ist das der Vorteil, wenn man Therapie in solch einer Beratungsstelle macht, die Therapeuten dort sind mit dem Thema vertraut.

In diesen vielen ersten Jahren, in denen ich aus dem Reich der lebenden Toten vorgekrochen bin, habe ich sehr viel Unterstützung und Zeit dafür bekommen,
gerade in der Zeit als ich bei meiner 2. Thera war, ging es mir oft so, daß ich alles nicht aushalten konnte, nicht allein, und irgendwie hat sie es immer wieder möglich gemacht, daß ich außer der Reihe kommen konnte.

Parallel dazu war ich noch in der Selbsthilfegruppe die unter ihrer Leitung stand.

Das war eine ganz intensive Zeit.
Ja, was waren das für Therapien?

So genau weiß ich das bis heute nicht ganz genau.
Gesprächstherapie, ja, auf jeden Fall. Aber auch Traumaverarbeitung, wobei es , glaube ich die Begrifflichkeiten, die ich heute so lese, damals noch nicht gab, oder ich wußte es nicht.

In dieser Zeit wurde ganz viel aufgedeckt, wiedergefunden, und irgendwo unter den Trümmern meines Lebens fand ich mich, mit all meinen Gefühlen, aber auch mit all meinen Möglichkeiten.

Irgendwann hörte auch diese Frau auf, dort zu arbeiten, weil sie ein Kind erwartete, und vielleicht sollte es so sein, denn freiwillig wäre ich da nicht weggegangen.

Es war nämlich an der Zeit, meine Ängste und Panikattacken in Angriff zu nehmen, und dafür war sie nicht die Richtige.
Sie empfahl mir eine Studienkollegin, die verhaltenstherapeutisch arbeitet.

Ganz seltsam, die ersten Male ( das hatte ich noch nie ), war ich froh, wenn ich da wieder weg konnte.
Obwohl mir die Frau sehr sympatisch war. Aber ich ahnte,hier hört das Kindsein irgendwie auf, hier geht es ans Eingemachte, hier muß ich mich meinen Ängsten stellen, und der Erwachsenen in mir Raum geben.

Hauptsächlich ging es erst mal um meine Ängste, um Konfrontation mit Situationen in denen ich Panik kriege, darum, zu lernen mit ihnen umzugehen.
Und bald war ich wieder in der Lage, mit öfentlichen Verkehrsmitteln zu fahren, Kaufhäuser zu btreten, Aufzug zu fahren u.s.w..

Aber es ging auch um viele andere Sachen, auch um den Mißbrauch, und um meine Probleme, die heute immer wieder daraus resultieren.
Meine Therapeutin, die ich auch jetzt wieder habe, versteht es sehr gut, zum einen verständnisvoll gegenüber meiner Vergangenheit und dem kleinen Mädchen zu sein, aber sie hilft mir auch immer wieder gut da raus, mich wie die Kleine zu fühlen.

Hält mir selbstschädigendes Verhalten immer wieder so klar vor Augen, und meine selbstverantwortung, meine Stärke, daß es bei mir Klick macht.
Ich hab sie aber, bevor es Klick macht, dafür schon hundertfach verflucht, weil sie den Nagel auf den Kopf geroffen hat, und es war blöd, daß sie Recht hatte, weil es blöd war, daß ich erwachsen sein sollte und ich mich nicht mehr hinter der Kleinen verstecken konnte.

Momente lang, war all das blöd, anfangs auch lange Momente ( 1 oder 2 Wochen), aber dann war ich ihr dankbar, weil ich merkte, daß es genau das war, was gut für meine Entwicklung war.
Ich schätze sehr ihre Offenheit und Direktheit ( wobei das Verständnis niemals auf der Strecke bleibt)

Nach einigen Jahren Pause hab ich im Oktober wieder angrfangen mit der Therapie weil viele genauere Erinnerungen kamen, die Depressionen schlimmer wurden, und ich bin froh, daß ich sie hab. Und ich weiß, es wird nicht wieder Jahre dauern.

Jetzt hab ich , glaube ich viel zu viel geschrieben, aber das kam jetzt so aus mir.

Ich hatte wirklich Glück.

Es ist sicherlich nicht leicht, die richtigen Therapeuten zu finden, aber es gibt sie und man darf nicht aufgeben, sie zu finden. Weil man sich selbst nicht aufgeben darf.

Liebe Grüße von Ellen

26.08.2009 13:18 • #4

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