Hope38
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ich weiß nicht so recht wie oder wo ich anfangen soll. Ich bin einfach aufgewühlt, emotional, reizbar, verwirrt, überfordert oder vielleicht doch einfach nur zu wenig stressresistent und faul? Im Großen und Ganzen denke ich, dass entweder meine Einstellung oder mein Job das Problem sind. An ersterem habe ich, gemäß den Ratschlägen meiner Mitmenschen (wenn du die Situation nicht ändern willst, ändere deine Einstellung), bereits massiv versucht zu arbeiten (eine Auflistung folgt weiter unten), aber irgendwie wird es nur noch schlimmer, sodass ich keine Kraft mehr habe an zweiterem zu arbeiten.
Zu meiner Person
Ich bin 35 Jahre alt, in einer glücklichen Beziehung, habe keine Kinder und arbeite seit 7 Jahren im Büro im Vertriebsinnendienst. Ich wusste noch nie so richtig ob Büro überhaupt das richtige für mich ist, aber es ist ein sicherer Beruf mit relativ gutem Verdienst. Und das ist ja genau das, was einem vorgelebt wird. Freunde beschreiben mich als kreativ und eigentlich! perfektionisstisch und sagen mir außerdem ständig, dass ich ein zu großes Helfersyndrom habe und alles zu nah an mich ran lasse. Eigentlich schreibe ich deswegen, weil ich aktuell weder Kraft habe anderen zu helfen noch meine Arbeit perfekt auszuführen.
Vorgeschichte
Da ich vermute, dass auch folgendes relevant sein könnte, kurz ein Auszug aus der Zeit vor diesem jetzigen Job.
In meinem Ausbildungsbetrieb habe ich bis zu meinem jetzigen Job gearbeitet, war aber auch dort nie so wirklich glücklich. Allerdings eher unterfordert. Hatte aber Angst etwas zu ändern und wusste auch sowieso nicht wohin mit mir. Nachdem ich dann Mitte 20 plötzlich per Zufallsbefund eine Krebsdiagnose bekam und die Chemotherapie plus Bestrahlung und anschließender Reha nach 9 Monaten erfolgreich abgeschlossen habe und ich kurz danach endlich begriffen habe, dass mein damaliger Freund ein narzisstischer Trottel ist und zudem ein Doppelleben führt, hatte ich beschlossen endlich den Hintern hoch zu kriegen, mich zu trennen und mein Leben irgendwie zu ändern. Also entschloss ich mich für einen neuen Job und bin nun da gelandet wo ich heute bin. Paradoxerweise habe ich mir damals fest vorgenommen intensiver zu leben, dankbarer zu sein und das Leben einfach zu genießen. Nicht so viel Wert auf den Job zu legen und zu akzeptieren, dass ich nicht immer perfekt sein kann und Fehltritte halt zum Leben dazugehören. Blöderweise dachte ich nämlich, bis zu meiner krebs Diagnose und meinem Exfreund, dass ich alles unter Kontrolle habe und eine gute Menschenkenntnis besitze. Dem war bzw ist offensichtlich nicht so. Und auch das mit dem den Job nicht so wichtig nehmen hat nicht funktioniert.
Zu meinem Beruf
Meine Vorgesetzt und Kollegen haben also schnell bemerkt, dass ich schlecht nein sagen kann und selbst wenn ich nein sage, schnell umzustimmen bin. Ich sehr genau, zuverlässig und strukturiert arbeite, ich außerdem nie krank bin und wenn doch, auch krank zur Arbeit komme. Ich gerne unbezahlte Überstunden in Kauf nehme, weil ich angefangene Arbeit nicht einfach liegen lassen kann, weil es mich sonst gedanklich bis in den Feierabend verfolgt. (Ich bin mir bewusst, dass das bescheuert ist) Man will es ja schließlich jedem recht machen und nicht als Versager da stehen. Man sollte eigentlich meinen, dass ich es aufgrund meiner gesundheitlichen Vorgeschichte besser weiß.
In meiner Abteilung herrscht eine sehr hohe Fluktuation. Wir waren vor 7 Jahren, als ich dort angefangen habe, 6 1/2 Personen. Von der Stammbesetzung gibt es heute nur noch eine einzige übergebliebene Kollegin und eben mich. Insgesamt sind wir wegen Corona nur noch zu 4. In den letzten Jahren habe ich ca. 10 Kollegen kommen und gehen sehen. Teilweise waren wir dann einige Zeit nur noch zu 3.
Obwohl das Unternehmen jedes Jahr eine Gewinnmaximierung erzielt, wird das Personal erst dann aufgestockt, wenn wir Übriggebliebenen nervlich am Ende sind bzw. die Arbeit der fehlenden Besetzung auch mit Überstunden nicht mehr von uns aufgefangen werden kann. Diese außerordentlich angeordneten Überstunden werden immerhin vergütet. Allerdings wird von einem erwartet, dass man Überstunden macht, auch wenn sie nicht vergütet werden.
Wer pünktlich geht wird verspottet. Wer krankgeschrieben ist macht einfach nur blau und lässt seine Kollegen im Stich, da die Kollegen dann natürlich die Arbeit der fehlenden Person zu 100 Prozent und in der gleichen Geschwindigkeit auffangen müssen.
Man wird ständig kontrolliert und gefragt ob man noch genügend zu tun hat, der Umsatz muss am Ende des Tages stimmen, sonst gibt's ärger. Der Umgangston der GF ist launenabhängig und teilweise cholerisch. Man wird mit den Kollegen verglichen, wer zu langsam ist oder Fehler macht wird nicht gekündigt sondern sozusagen raus geekelt. Stehst du auf der Liste, spürst du es. Du wirst vor der gesamten Belegschaft angeschrieen, kriegst keine komplexen Aufgaben mehr und deine Kollegen hassen dich, weil sie ja deine Aufgaben für dich auffangen müssen. So lange jeder in seiner Spur läuft, ist alles bestens.
Ich hatte bisher zwar sozusagen Glück, habe bisher scheinbar alles richtig gemacht und habe sogar das Gefühl, dass die Vorgesetzten meine Arbeit schätzen, schließlich geben sie mir immer die schwierigen Aufgaben. Aber die Angst einen Fehler zu machen, genau weil sie meine Arbeit schätzen, wird immer unerträglicher. ich will ja auch niemanden, einschließlich mich selbst, enttäuschen. Ich sehe wie alle um mich herum immer schneller arbeiten ( die langsamen Kollegen sind ja schließlich schon gegangen-worden). Ich kann mich nicht mehr konzentrieren. Lese jeden Satz zur Sicherheit 5 x Korrektur und verzettele mich. Jedes Geräusch ist mir zu viel. Und das Schlimmste und Unangenehmste an der ganzen Sache: bei den kleinsten Problemen oder schon bei minimalem Stressaufkommen (oder mittlerweile auch nur bei dem Gedanke an Stress) raste ich völlig aus, verfallen in eine Art Panik, fluche lautstark und sinnlos rum und muss anschließend heulen und blockiere, sodass ich den restlichen Tag nichts mehr auf die Reihe kriege. Die Abstände meiner Ausraster werden immer kürzer.
Meine Kollegen sagen, ich solle mich nicht so anstellen und halt einfach Eins nach dem Anderen bearbeiten. Die Zeit, die ich mit Fluchen verschwende, hätte ich auch arbeiten können. Recht haben sie ja.
Mein Vorgesetzter ignoriert meine Ausraster und Heulkrämpfe und hat zu anderen Kollegen wohl schon gesagt, dass das bei der normal ist. So lange sie noch flucht ist alles okay, die beruhigt sich wieder und macht dann ihre Arbeit.
Meine Freunde und Familie sagen ich soll kündigen.
Seit einer ganzen Weile träume ich immer wieder von der Arbeit oder den Kollegen. Kann entweder gar nicht erst einschlafen oder schlafe nicht durch. Am Wochenende wiederum schlafe ich zumindest Freitags und Samstags 10 bis 12 Stunden. Sonntags fängt dann wieder das Gedankenkarusell an. Ich weiß jedoch nicht mal wovor ich Angst habe. Wäre das schlimmste was passieren könnte, eine Kündigung, wohl doch gleichzeitig auch das Beste was mir passieren könnte. Dann wäre ich schließlich gezwungen mir eine neue Arbeit zu suchen und alles wird gut.
Aber dann kommen wieder Phasen, an denen ich mir denke: reis dich zusammen, hör auf es zu überdramatisieren, so schlimm ist es nicht, du übertreibst, du bist nur zu ängstlich und zu faul. Du verdienst gutes Geld und der Arbeitsplatz ist trotz Corona sicher, andere wären froh so einen Arbeitsplatz zu haben. Irgendwo anders wird es dir wieder so gehen, weil du nunmal so bist wie du bist. Lass es halt einfach nicht so nah an dich ran. Suche dir einfach einen Ausgleich Zuhause. Steigere dich nicht immer in alles rein. Du bist gesund, glücklich vergeben, hast eine tolle Wohnung und einen sicheren, gut bezahlten Job, sei gefälligst glücklich. Außerdem, was willst du denn stattdessen machen?
Dazu kommt, dass ich unheimliche Angst vor Prüfungen habe, ich träume heute noch von Prüfungssituationen aus der Vergangenheit, obwohl ich noch nie durch eine Prüfung durchgeflogen bin und immer 1er Schüler war. Genauso ist es mit Bewerbungsgesprächen. Zumal ich ja nicht mal weiß, was mich beruflich glücklicher machen würde.
Ich habe in den letzten Jahren schon folgendes probiert um entspannter zu werden
Yoga, Fitnessstudio, Meditation, Bulletjurnaling, Tagebuch schreiben, stricken, pflanzliche Beruhigungstabletten, Lavendelspray u.ä. Habe mich in diversen Büchern und online zu Themen wie Selbstfindung, Selbsttherapie und Ayurveda eingelesen. Die meisten habe ich jedoch aufgrund mangelnder Konzentration nie fertig gelesen.
Habe Faszienrollen, Basenbäder und Akupressurmatte ausprobiert.
Habe die Pille abgesetzt und das Rauchen aufgehört.
Ich weiß nicht wo ich anfangen soll und habe keine Kraft mehr, das Chaos in meinem Kopf zu sortieren. Freunde und Familie können die alte Leier schon lange nicht mehr hören und senden mir regelmäßig Stellenangebote. Keiner mag Jammerlappen. Wenn ich nur an Montag und den Stapel auf meinem Schreibtisch denke, fange ich an zu heulen. Ich habe mir für das neue Jahr fest vorgenommen, einfach lockerer zu werden. Welch Ironie, schon am 4. Arbeitstag habe ich meinen ersten Heulkrampf hinter mich gebracht.
Liebe Grüße von der, die sich einfach nicht kurzfassen kann.