Danke für deine Antwort, Pilsum. Ich werde mal versuchen, deine Rückfragen zu beantworten.
Zitat von Pilsum: Warum und ab wann könntest Du für einen anderen Menschen zur Last werden?
Und können auch andere Menschen für Dich zur Last werden?
Die Frage beantworte ich zwei geteilt - in Bezug auf die Familie und auf die FReunde.
Für meine Familie werde ich zur Last, sobald ich Wünsche oder Erwartungen und/ oder negative Gefühle äußere. Dies auch unabhängig davon, auf welche Art und Weise ich das jeweilige äußere (ruhig und gefasst, emotional und aufgewühlt, in der Situation oder mit kühlem Kopf).
Ich stamme aus einer großen Familie, mit mehreren Geschwistern, vielen Tanten und Onkels, Cousinen und Cousins und bin in einem Mehrgenerationenhaus mit meinen Großeltern, Eltern und Geschwistern aufgewachsen. „Familie“ und „Zusammenhalt“ sind große werte. Gleichzeitig gab es aber in meiner engsten Kernfamilie (Eltern und Geschwister) schon immer große Stressoren - Alk., Dro.sucht, Krebs, Pflegebedürftigkeit und viele Todesfälle in den letzten Jahren.
Ich bin diejenige, bei der es objektiv am besten läuft im Leben. Mir wurde die Rolle zugerodnet, der Fels in der Brandung zu sein, ruhig und gelassen meinen Weg zu gehen, selbstständig zu sein (d.h. Keine Probleme zu machen, um die man sich „auch noch“ kümmern müsste) und sich um die Chaoten der Familie zu kümmern.
Sobald ich den EIndruck erwecke, dass meine „Felsenhaftigkeit“ bröckelt gerät das Familiensystem in Panik. In dem Moment in dem ich nicht mehr ruhig und gelassen bin und den Eindruck erwecke, ich bräuchte Unterstützung gerät das Familiensystem ins Wackeln und alle kriegen Angst, dass sie ins Meer stürzen. D.h., ich werde ein Unsicherheitsfaktor und dadurch zur Last, dass ich an Stabilität und Verlässlichkeit verliere. Das kann dadurch verursacht werden, , das ich Überforderung äußere, negative Gefühle äußere oder zeige - also vermeintliche Schwäche zeige.
Diese familiäre Situation führt zu einer großen Stressbelastung bei mir.
In Bezug auf Freunde bin ich bisher sehr häufig zur Last geworden, wenn ich mich wirklich öffne und die Probleme mit denen ich familiär ausgesetzt bin adressiere. Ich habe die Erfahreung gemacht, dass Menschen in meinem Alter in der Regel keine Werkzeuge an der Hand haben um mit mir auf Augenhöhe meine Probleme wirklich zu besprechen. Das wiederum löst stress bei ihnen aus. Dieser Stress äußert sich dadurch, dass sie Dinge sagen wie „Mensch, jetzt weiß ich gar nicht mehr was ich sagen soll“ oder „Da kann ich dir auch nicht helfen“ und dann das Thema ablenken. Dadurch löse ich Stress bei den Menschen aus und werde zur Last. Deswegen habe ich mir auch angewöhnt, mich nicht mehr zu öffnen. Es brachte mir schließlich nichts außer angespanntes schweigen und hilflose und mitleidige gesichter.
Ich glaube aber, das ich jetzt älter werde und mehr Menschen in meinem Umfeld in der Lage sein könnten, mir mehr auf Augenhöhe zu begegnen. Daher ich suche ich nun nach Mitteln und wegen diese früher mal notwendigen und hilfreichen Muster zu durchbrechen.
Zitat von Pilsum: Warum interessiert sich niemand für Dein Leid?
Ist es eine Grundvoraussetzung, dass sich jemand mit dem Du Kontakt hast, sich dafür interessiert,
wie und warum Du leidest?
Die erste Frage habe ich, denke ich, mit der obigen Antwort schon adressiert.
Zur zweiten Frage: Das braucht eine differenzierte Antwort: Nein, es ist nicht für alle Kontakte eine Grundvoraussetzung. Ich habe ja auch viele Kontakte gehabt in meinem Leben, in dem Interesse an meinem Leid überhaupt kein Thema war. Ich kannte es ja gar nicht, dass sich irgendwer dafür interessiert.
Nunmehr ist aber die Brücke zu meinem Ausgangsproblem zu schlagen: Obwohl ich Kontakte habe und pflege und mich austausche fühle ich mich nach treffen häufig einsam. Ich führe das mittlerweile darauf zurück, dass Teil dieser Kontakte eben nicht ist, dass ich mich wirklich öffnen kann. Das heißt, in Kontakten die mir bei dem Kampf gegen dies Einsamkeitsgefühle helfen könnten - ja, da wäre es schon ein Faktor, dass ich als ganze Person von Interesse bin. Also auch mein Leid.
Zitat von Pilsum: Für wen bist Du nicht wichtig?
Und warum bist Du für niemanden wichtig?
Vielleicht muss ich das präzisieren: Wichtig ist schon, dass ich da bin (muss ja der Felsen sein). Aber nur wenn ich weiter aus stabilem Granit bin und nicht bröckel.
In meiner Familie gab und gibt es Probleme, die immer Vorrang davor hatte, sich um mich zu kümmern. Meine Probleme waren ja immer objektiv kleiner als die der anderen. Ich war immer gesund, gut in der Schule und Selbstständig. Meine Bedürfnisse, Gefühle und mein Wesen waren nicht so wichtig wie die der anderen, weil nicht auf den ersten Blick so existenziell und damit nicht priorisiert. Und da die Kapazitäten der Personen, die sich um mich hätten kümmern können schon aufgebraucht waren, ehe überhaupt der Gedanke auf mich kam, bin ich hinten rüber gefallen.
Mir ist neulich bewusst geworden, dass ich diese familiären Grundbedingungen auch auf meine Freundschaften übertrage. Ich konnte mir lange gar nicht vorstellen, dass ich überhaupt für irgendwen von Bedeutung bin. Das habe ich irgendwann etwas überwunden und habe erkannt dass ich schon Bedeutung bin aber nur wenn ich stark bin - also nicht als ganze Person.
Und jetzt bin ich an dem Punkt an dem mir auch das im Wege steht.
Zitat von Pilsum: Warum solltest Du es sich anstellen nennen, wenn Du doch berechtigte Sorgen und Bedenken in Deinen Gedanken täglich mit Dir herumträgst?
Siehe oben.
Dieser Ansatz ist ebenfalls aus familiärem Vorleben entstanden. Objektiv gesehen war ich nie Dro.abhängig oder hatte Krebs, wie viele andere in meinem Umfeld. Das heißt, meine Sorgen waren nicht so existenziell wie die der anderen. Ich habe mich nie um mein Leben gesorgt. Das heißt meine Sorgen und Bedenken sind objektiv kleiner gewesen als die der anderen.
Mir diesen Satz anzueignen, war auch ein Weg, damit klar zu kommen, dass keine Kapazitäten hatte sich um mich und meine Sorgen zu kümmern. Wenn ich mir selber sage, dass mein Leid nicht so groß ist, kann ich es auch alleine tragen. Wenn ich sie so groß anerkenne wie sie sind, brauche ich Tragehilfe. Die - so habe ich erfahren - ist für mich aber nicht so leicht zu bekommen.
Ich bin grade also an dem Punkt, an dem ich erkannt habe, dass mir derartige Sätze im Weg stehen und ich etwas ändern möchte.
Ich suche Rat Erfahrungen von anderen die mir vielleicht etwas helfen könnten. Vielleicht sogar wende ich mich das erste mal in meinem Leben so offen nach außen, wie ich es hier grade getan habe…. Deswegen schicke ich den Post jetzt auch schnell ab, bevor ich ihn wieder lösche.