connyhoff
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Hallo zusammen! Ich habe mich hier angemeldet weil ich mich gerade in einer Situation befinde die mich total überfordert. Ich erhoffe mir evtl. Tipps von Menschen die aufgrund ihrer Depression vielleicht nachfühlen können wie es mir geht.
Ich leide seit meiner Jugend an Dysthymie, was ich aber erst vor ein paar Jahren in einer Klinik erfahren habe. Bis dahin dachte ich, ich sei nur empfindlicher, nachdenklicher und viel melancholischer als alle anderen. Zusätzlich kommen immer wieder Phasen schwerer Depressionen. Momentan habe ich die volle Erwerbsminderungsrente.
Kurz zu meiner Geschichte, zum Verständnis für meine Situation:
Als ich 11 war ist meine Mutter gestorben. Zu meinem Vater hatte ich lange Zeit kein gutes Verhältnis. Für ihn war Leistung immer sehr wichtig. Im Gegensatz zu meiner 5 Jahren jüngerer Schwester konnte ich seinen hohen Ansprüchen nie gerecht werden, obwohl ich es wirklich versucht habe. Er konnte auch nie mit meiner Stimmung umgehen. Ich hörte immer nur: reiß dich zusammen, stell dich nicht so an, usw. Erst im Alter hat sich das geändert. Daher wahrscheinlich mein Hang zu Perfektionismus, ich würde mich auch als hochfunktionelle Depressive bezeichnen.
Als ich 13 war hat mein Vater wieder geheiratet. Meine Stiefmutter war ein sehr schwieriger Mensch. Sie war die launischste Person die man sich vorstellen kann, außerdem musste sich immer alles nur um sie drehen. Wir Kinder saßen zB fröhlich mit ihr zusammen und auf einmal lief sie weinend davon, oder wurde wütend und warf Dinge durch die Gegend. Für mich als Kind kam das immer grundlos und ich saß da und fragte mich was ich jetzt schon wieder falsch gemacht habe? Ich hatte jeden Tag Angst aus der Schule zu kommen weil ich nie wusste was mich erwartete. Wahrscheinlich liegt es daran dass ich versuche es jedem immer recht zu machen, oder jeden Konflikt zu vermeiden. Alles nur keinen Streit
Nachdem mein Vater schon länger verschiedene Altersbeschwerden hatte erkrankte er letzten Sommer mit 77 Jahren an Prostatakrebs. Er bekam Bestrahlungen und anschließend eine Reha. Hinterher ging es ihm so gut wie lange nicht mehr. Die ganze Familie war begeistert. Ab Herbst fing er dann an abzubauen. Blutarmut, niedriger Blutdruck, Schwindel Deshalb ist er mehrfach gestürzt was seine orthopädischen Probleme verschlechterte und zu chronischen Schmerzen führte.
Gleichzeitig bekam meine Stiefmutter starken Diabetes, starke Bauchschmerzen und hat rasant abgenommen.
Am 11. Februar kam mein Vater wegen seines schlechten Zustandes ins Krankenhaus. Wegen Corona konnten wir ihn nicht besuchen und die Kommunikation mit dem Krankenhaus war wegen Überlastung schwierig. Eine Woche später hieß es dann meine Stiefmutter und ich dürften ihn besuchen. Wir waren beide entsetzt: als er eingeliefert wurde war er geistig noch total fit und jetzt war er kaum noch ansprechbar. So richtig konnte man uns das nicht erklären. Wir durften ihn dann jederzeit mit negativem Coronatest besuchen. Meine Schwester hat sich ziemlich raus gehalten. Sie wohne ja weiter weg (60km), außerdem würde ihr das zuviel.
In der gleichen Woche hatte meine Stiefmutter einen Arzttermin. Man entdeckte Schatten auf der Leber und sie musste die Woche darauf ins Krankenhaus. Gleichzeitig wurde beschlossen dass mein Vater ins Pflegeheim kommen soll weil man im Krankenhaus medizinisch nichts machen könne. Weil meine Stiefmutter ja selbst im Krankenhaus war habe ich mich um einen Platz gekümmert was wegen Corona nicht einfach war. Außerdem habe ich ihn jeden Tag besucht. Meinem Vater ging es sehr unterschiedlich. Mal war er kaum ansprechbar, dann war er wieder wach und hat richtig Anteil genommen. Das gab uns immer wieder Hoffnung.
Mitte der Woche dann die Nachricht von meiner Stiefmutter dass sie Bauchspeicheldrüsenkrebs im Endstadium hat. Uff, nächste schlechte Nachricht
Am Freitag den 26.2. wurde mein Vater ins Pflegeheim verlegt. Als er ankam war er in einem so schlechten Zustand dass ich total entsetzt war. Auch die Pflegekräfte konnten nicht verstehen dass man ihm das zugemutet hat. Während ich dort war sprach er nur Unverständliches vor sich hin. Das einzige was er immer wieder deutlich sagte war "lasst mich gehen, lasst mich doch gehen". Ich dachte er meinte die anstrengende Verlegung und versuchte ihn zu beruhigen. Erst nach einer Weile verstand ich was er wollte Ich sagte ihm dann schweren Herzens dass er gehen könne wenn er wolle. Da hat er beruhigt aufgeatmet und sprach nicht mehr. Nach einer Weile bin ich dann gegangen weil meine Stiefmutter, die am gleichen Tag entlassen wurde, später noch kommen wollte.
(Sorry, ich kenne mich hier noch nicht aus. Hätte ich den letzten Abschnitt triggern sollen?)
Nachmittags zuhause fing ich plötzlich ganz furchtbar an zu weinen und sagte nur noch "mein Papa stirbt, ich glaube er stirbt!" Mein Mann versuchte mich zu beruhigen und meinte er müsse erst mal die anstrengende Verlegung verkraften. Kurze Zeit später rief das Pflegeheim an. Mein Vater war gestorben. Und zwar ziemlich zu der Zeit als ich so weinte. Eigentlich glaube ich nicht an Übernatürliches aber ich finde es ist schon ein merkwürdiger Zufall.
Meine Stiefmutter war mit der ganzen Situation natürlich total überfordert und ich habe ihr geholfen alles zu regeln. Auch sämtliche Formalitäten haben mein Mann und ich geregelt.
Für meine Stiefmutter war eine Chemotherapie geplant in die sie große Hoffnungen setzte. Gleichzeitig baute sie immer mehr ab. Weil sie wegen den Schmerzmitteln nicht mehr Autofahren durfte und es ihr oft nicht gut ging habe ich sie zu verschiedenen Terminen gefahren, eingekauft, geputzt usw. Wegen unseres schlechten Verhältnisses fiel mir das oft nicht leicht. Aber zum einen fühlte ich das meinem Vater schuldig und außerdem kann ich niemanden leiden sehen. Sie tat mir trotz allem leid, so krank und einsam
Mitte April kam sie wegen Gallenverschluss ins Krankenhaus der in einem kleinen Eingriff behoben werden sollte. Nachts dann der Anruf: es gab Komplikationen, wahrscheinlich überlebt sie die Nacht nicht, gibt es eine Patientenverfügung? Was tun? Ich war komplett überfordert. Außerdem bin ich rein rechtlich nicht mit ihr verwandt und konnte (zum Glück) sowieso nichts entscheiden. Ihre nächsten Verwandten sind die 94jährige Mutter und ihr Bruder, die ca. 100km weg wohnen. Wieder Erwarten überlebte sie doch, lag aber auf der Intensivstation. Mittwoch wurde ich angerufen, wenn ich sie noch mal sehen will solle ich sofort kommen, sie liegt im Sterben. Ich bin natürlich hin (allein) und habe mich verabschiedet. Sie war nicht mehr bei sich in einem Zustand in dem man nicht beurteilen kann was sie noch wahrnimmt. Alle lebensverlängernden Maßnahmen wurden abgesetzt. Trotzdem ging es noch 5 Tage bis sie gestorben ist. Ich habe sie jeden Tag besucht, ihr vorgelesen oder erzählt. Ihr Bruder hat sich um gar nichts gekümmert, er hat ja die Mutter. Auch meine Schwester hat mich ziemlich alleine gelassen.
Anschließend musste natürlich auch wieder alles geregelt werden.
Jetzt haben wir angefangen das Haus leer zu räumen und das fällt mir soo schwer. Zum einen konnten meine Eltern schwer etwas wegwerfen uns es hat sich über die Jahre viel angesammelt. Zum anderen kommen so viele Erinnerungen hoch.
Ich habe die letzten Monate immer nur irgendwie funktioniert, aber jetzt kann ich nicht mehr! Es geht einfach nichts mehr. Ich kann nicht mehr denken, bekomme manchmal gar nichts mehr mit, man muss mir alles sagen, höre nicht wenn man mich anspricht, vergesse wichtige Dinge, verpasse Termine, usw. Und immer muss ich weinen
Sorry für den langen Text, aber ich musste mir das von der Seele schreiben. Normalerweise bin ich auch nicht so wehleidig
Danke an alle die das bis zum Ende gelesen haben!
Liebe Grüße,
Conny
Ich leide seit meiner Jugend an Dysthymie, was ich aber erst vor ein paar Jahren in einer Klinik erfahren habe. Bis dahin dachte ich, ich sei nur empfindlicher, nachdenklicher und viel melancholischer als alle anderen. Zusätzlich kommen immer wieder Phasen schwerer Depressionen. Momentan habe ich die volle Erwerbsminderungsrente.
Kurz zu meiner Geschichte, zum Verständnis für meine Situation:
Als ich 11 war ist meine Mutter gestorben. Zu meinem Vater hatte ich lange Zeit kein gutes Verhältnis. Für ihn war Leistung immer sehr wichtig. Im Gegensatz zu meiner 5 Jahren jüngerer Schwester konnte ich seinen hohen Ansprüchen nie gerecht werden, obwohl ich es wirklich versucht habe. Er konnte auch nie mit meiner Stimmung umgehen. Ich hörte immer nur: reiß dich zusammen, stell dich nicht so an, usw. Erst im Alter hat sich das geändert. Daher wahrscheinlich mein Hang zu Perfektionismus, ich würde mich auch als hochfunktionelle Depressive bezeichnen.
Als ich 13 war hat mein Vater wieder geheiratet. Meine Stiefmutter war ein sehr schwieriger Mensch. Sie war die launischste Person die man sich vorstellen kann, außerdem musste sich immer alles nur um sie drehen. Wir Kinder saßen zB fröhlich mit ihr zusammen und auf einmal lief sie weinend davon, oder wurde wütend und warf Dinge durch die Gegend. Für mich als Kind kam das immer grundlos und ich saß da und fragte mich was ich jetzt schon wieder falsch gemacht habe? Ich hatte jeden Tag Angst aus der Schule zu kommen weil ich nie wusste was mich erwartete. Wahrscheinlich liegt es daran dass ich versuche es jedem immer recht zu machen, oder jeden Konflikt zu vermeiden. Alles nur keinen Streit
Nachdem mein Vater schon länger verschiedene Altersbeschwerden hatte erkrankte er letzten Sommer mit 77 Jahren an Prostatakrebs. Er bekam Bestrahlungen und anschließend eine Reha. Hinterher ging es ihm so gut wie lange nicht mehr. Die ganze Familie war begeistert. Ab Herbst fing er dann an abzubauen. Blutarmut, niedriger Blutdruck, Schwindel Deshalb ist er mehrfach gestürzt was seine orthopädischen Probleme verschlechterte und zu chronischen Schmerzen führte.
Gleichzeitig bekam meine Stiefmutter starken Diabetes, starke Bauchschmerzen und hat rasant abgenommen.
Am 11. Februar kam mein Vater wegen seines schlechten Zustandes ins Krankenhaus. Wegen Corona konnten wir ihn nicht besuchen und die Kommunikation mit dem Krankenhaus war wegen Überlastung schwierig. Eine Woche später hieß es dann meine Stiefmutter und ich dürften ihn besuchen. Wir waren beide entsetzt: als er eingeliefert wurde war er geistig noch total fit und jetzt war er kaum noch ansprechbar. So richtig konnte man uns das nicht erklären. Wir durften ihn dann jederzeit mit negativem Coronatest besuchen. Meine Schwester hat sich ziemlich raus gehalten. Sie wohne ja weiter weg (60km), außerdem würde ihr das zuviel.
In der gleichen Woche hatte meine Stiefmutter einen Arzttermin. Man entdeckte Schatten auf der Leber und sie musste die Woche darauf ins Krankenhaus. Gleichzeitig wurde beschlossen dass mein Vater ins Pflegeheim kommen soll weil man im Krankenhaus medizinisch nichts machen könne. Weil meine Stiefmutter ja selbst im Krankenhaus war habe ich mich um einen Platz gekümmert was wegen Corona nicht einfach war. Außerdem habe ich ihn jeden Tag besucht. Meinem Vater ging es sehr unterschiedlich. Mal war er kaum ansprechbar, dann war er wieder wach und hat richtig Anteil genommen. Das gab uns immer wieder Hoffnung.
Mitte der Woche dann die Nachricht von meiner Stiefmutter dass sie Bauchspeicheldrüsenkrebs im Endstadium hat. Uff, nächste schlechte Nachricht
Am Freitag den 26.2. wurde mein Vater ins Pflegeheim verlegt. Als er ankam war er in einem so schlechten Zustand dass ich total entsetzt war. Auch die Pflegekräfte konnten nicht verstehen dass man ihm das zugemutet hat. Während ich dort war sprach er nur Unverständliches vor sich hin. Das einzige was er immer wieder deutlich sagte war "lasst mich gehen, lasst mich doch gehen". Ich dachte er meinte die anstrengende Verlegung und versuchte ihn zu beruhigen. Erst nach einer Weile verstand ich was er wollte Ich sagte ihm dann schweren Herzens dass er gehen könne wenn er wolle. Da hat er beruhigt aufgeatmet und sprach nicht mehr. Nach einer Weile bin ich dann gegangen weil meine Stiefmutter, die am gleichen Tag entlassen wurde, später noch kommen wollte.
(Sorry, ich kenne mich hier noch nicht aus. Hätte ich den letzten Abschnitt triggern sollen?)
Nachmittags zuhause fing ich plötzlich ganz furchtbar an zu weinen und sagte nur noch "mein Papa stirbt, ich glaube er stirbt!" Mein Mann versuchte mich zu beruhigen und meinte er müsse erst mal die anstrengende Verlegung verkraften. Kurze Zeit später rief das Pflegeheim an. Mein Vater war gestorben. Und zwar ziemlich zu der Zeit als ich so weinte. Eigentlich glaube ich nicht an Übernatürliches aber ich finde es ist schon ein merkwürdiger Zufall.
Meine Stiefmutter war mit der ganzen Situation natürlich total überfordert und ich habe ihr geholfen alles zu regeln. Auch sämtliche Formalitäten haben mein Mann und ich geregelt.
Für meine Stiefmutter war eine Chemotherapie geplant in die sie große Hoffnungen setzte. Gleichzeitig baute sie immer mehr ab. Weil sie wegen den Schmerzmitteln nicht mehr Autofahren durfte und es ihr oft nicht gut ging habe ich sie zu verschiedenen Terminen gefahren, eingekauft, geputzt usw. Wegen unseres schlechten Verhältnisses fiel mir das oft nicht leicht. Aber zum einen fühlte ich das meinem Vater schuldig und außerdem kann ich niemanden leiden sehen. Sie tat mir trotz allem leid, so krank und einsam
Mitte April kam sie wegen Gallenverschluss ins Krankenhaus der in einem kleinen Eingriff behoben werden sollte. Nachts dann der Anruf: es gab Komplikationen, wahrscheinlich überlebt sie die Nacht nicht, gibt es eine Patientenverfügung? Was tun? Ich war komplett überfordert. Außerdem bin ich rein rechtlich nicht mit ihr verwandt und konnte (zum Glück) sowieso nichts entscheiden. Ihre nächsten Verwandten sind die 94jährige Mutter und ihr Bruder, die ca. 100km weg wohnen. Wieder Erwarten überlebte sie doch, lag aber auf der Intensivstation. Mittwoch wurde ich angerufen, wenn ich sie noch mal sehen will solle ich sofort kommen, sie liegt im Sterben. Ich bin natürlich hin (allein) und habe mich verabschiedet. Sie war nicht mehr bei sich in einem Zustand in dem man nicht beurteilen kann was sie noch wahrnimmt. Alle lebensverlängernden Maßnahmen wurden abgesetzt. Trotzdem ging es noch 5 Tage bis sie gestorben ist. Ich habe sie jeden Tag besucht, ihr vorgelesen oder erzählt. Ihr Bruder hat sich um gar nichts gekümmert, er hat ja die Mutter. Auch meine Schwester hat mich ziemlich alleine gelassen.
Anschließend musste natürlich auch wieder alles geregelt werden.
Jetzt haben wir angefangen das Haus leer zu räumen und das fällt mir soo schwer. Zum einen konnten meine Eltern schwer etwas wegwerfen uns es hat sich über die Jahre viel angesammelt. Zum anderen kommen so viele Erinnerungen hoch.
Ich habe die letzten Monate immer nur irgendwie funktioniert, aber jetzt kann ich nicht mehr! Es geht einfach nichts mehr. Ich kann nicht mehr denken, bekomme manchmal gar nichts mehr mit, man muss mir alles sagen, höre nicht wenn man mich anspricht, vergesse wichtige Dinge, verpasse Termine, usw. Und immer muss ich weinen
Sorry für den langen Text, aber ich musste mir das von der Seele schreiben. Normalerweise bin ich auch nicht so wehleidig
Danke an alle die das bis zum Ende gelesen haben!
Liebe Grüße,
Conny