Viel Zeit ist dahingegangen, so viele Wochen schon lebe ich nun ohne ihn. Und es geht mir zumeist gut.
Ich habe eine liebe Freundin dazugewonnen, sie verlor ihren Partner nur 5 Tage nachdem mein Thomas gegangen ist. Wir fühlen uns sehr verbunden, begreifen unseren Trauerprozess auf die gleiche Weise. Sie war es auch, die mir ein Bild zeichnete vom Suizid, von Thomas, der mir eine Möglichkeit aufzeigte, endlich meinen Frieden mit Thomas zu machen. Meine Wut ist gegangen und einer friedvollen Auseinandersetzung mit seiner Abwesenheit gewichen. Ich vermisse ihn, ja, aber ich bin nicht mehr wütend auf ihn.
Meine wunderbare Freundin beschrieb mir seinen Suizid wie das Drücken auf eine Play-Taste im Unterbewusstsein von Thomas, sein Denken und Handeln waren nicht mehr bewusst steuerbar, es ist einfach passiert. Das, was er vermutlich schon viele Male gedanklich durchgespielt hat, ist tief in sein Unterbewusstsein gedrungen und hat irgendwann dann die Play-Taste bedient. Zu begreifen, dass er diese Handlung nicht bewusst gesteuert hat, versöhnt mich wieder mit ihm. Ich kann seinen Suizid jetzt besser begreifen als Teil seiner Depression. Er hat mich nicht im Stich gelassen, er konnte sich nur einfach nicht mehr wehren gegen diese schlimmen Gedanken. Niemals wollte er mir das antun, nicht bewusst. Ihm war klar, wie weh mir das tun würde. Thomas hätte nie gewollt, dass ich so sehr leide. Niemals! Er hat mich geliebt, das weiß ich.
Aber Liebe allein kann eine Depression nicht verhindern, behandeln oder beeinflussen. Sie ist eine Krankheit, die sich ungeachtet der größten Liebe ausbreitet, ein Seelenkrebs ... ein böses Geschwür, das unbehandelt offensichtlich den Tod bringt.
Ein Gedicht trägt mich zurzeit und drückt am Besten aus, was ich denke und fühle:
Aus Liebe will ich weiterleben,
mit meinen Ohren will ich für dich hören,
mit meinen Augen will ich für dich sehen,
mit meinen Händen will ich für dich tasten,
und meine Zunge, die soll schmecken all das Süße und das Herbe.
Und erleben möchte ich die ganze Vielfalt der Schöpfung.
Mit Liebe will ich weiterleben.
Aus Liebe will ich für uns hoffen,
aus Liebe will ich auch den Schmerz ertragen.
D.Tausch-Flamme
Mir geht es gut, ich trage ihn bei mir, in mir, nehme ihn Tag für Tag mit und zeige ihm mein Leben. Seine Seele begleitet mich, er ist selbst erschrocken über seine Tat und nun froh, wenn ich es irgendwie schaffe, damit klar zu kommen, wieder zu leben. Und so trägt auch er mich durch den Tag, die Stunden, teilt jeden meiner Augenblicke mit mir.
Ich gehe wieder arbeiten und gehe darin auf. Es tut gut, auf bekanntes Terrain zu stoßen, sich darin zu bewegen und die Sicherheit wieder zu finden. Nur manches aus meinem Alltag vorher mit Thomas tut noch weh. Ich kann immer noch nicht wieder zum Chor gehen. Warum weiß ich nicht, ich traue es mir einfach nicht zu. Dabei singe ich doch so gerne und gerade jetzt singen sie die schönen alten Weihnachtslieder. Aber nach der Chorprobe bin ich immer zu ihm nach Hause gefahren. Jetzt käme ich in eine leere Wohnung. Und so bleibe ich lieber gleich zu Hause ...
Und auch Veranstaltungen mit Familien tun mir weh. Gestern war ich auf der Weihnachtsfeier im Hort meines Sohnes. Und ich habe mich so einsam gefühlt zwischen all diesen Familien, Mütter und Väter, Eltern, Großeltern, und ich dazwischen ganz allein. Ich bin heulend nach Hause gegangen ...
Und auch hier ist eine spürbare Veränderung eingetreten. Ich kann meine Gefühle der Trauer zulassen, weine dann viel und weiß doch, es geht wieder vorbei. Uns so fühle ich mich nach einem verheulten Abend von gestern heute schon wieder viel besser. Ich bin einen Tag weiter gekommen auf meinem Weg! Wohin er führt weiß ich erst, wenn ich angekommen bin ...
02.12.2011 23:10 •
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