Hallo ihr Lieben,
ich bin neu hier und habe mich schon ein bisschen durch den Thread gelesen. Erst einmal finde ich es wahnsinnig toll, wie ihr euch gegenseitig unterstützt und welch großartige Hilfestellung selbst Betroffene geben. Das ist so wertvoll!
Ich habe mich entschieden, nun auch etwas zu schreiben, da ich dringend einen Ratschlag brauche und selbst nicht so richtig weiterkomme.
Kurz zur Situation: Mein Freund und ich sind noch nicht lange zusammen. Wir haben uns im Oktober letzten Jahres kennengelernt - wir arbeiteten zusammen - er hat fast herzzerreißend um mich gekämpft und unser ganzes Umfeld hat inständig gehofft, dass er Erfolg haben wird. Ich befand mich in Trauer und es fiel mir schwer, mich darauf einzulassen. Ich hatte irgendwie Angst. M. ist ein unglaublich netter Mensch mit dem sonnigsten Gemüt, das man sich vorstellen kann. Seine bezaubernde Art, seine Unterstützung und das Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit, das er mir vermittelte, ließen mir am Ende gar keine Wahl. Ich verliebte mich in ihn und wir verbrachten eine wundervolle Zeit miteinander. Alles fühlte sich richtig an. Ich hatte noch nie so viel Wertschätzung erfahren. Ich fühlte mich bei ihm Zuhause.
Aber schlagartig wurde alles anders. Ich wusste, dass er bereits vor einigen Jahren einen Klinikaufenthalt hatte wegen Depression, er ging recht offen damit um und betonte immer wieder, dass er seit einem Jahr keine Symptome habe und wenn die Episoden kämen, dann eh nur noch kurz und nicht intensiv.
Dann veränderte er sich Stück für Stück, wurde ruhiger, nicht mehr so fröhlich, und begann plötzlich, richtig genervt mit mir zu reden. Am Anfang sagte er immer, es sei nichts, wenn ich ihn darauf ansprach, dann waren es nur Rückenschmerzen, kein guter Tag oder Mir geht´s nicht so gut. Bis er sich endlich eingestand, dass die Depression wieder zurück ist.
Ich muss zugeben, dass ich im Umgang damit nicht viel Erfahrung habe. Und deswegen habe ich zu Beginn auch einiges falsch gemacht. Ich sprach ihn immer wieder darauf an, ich weinte, ich wollte ihn zu einem Gespräch drängen. Er sagte einfach immer nichts, während ich immer verzweifelter und wütender wurde, dass er mich einfach nicht ernst nahm, dass er einfach nicht mit mir redete. Die Lage spitzte sich ziemlich zu. Dass wir zusammen arbeiten, machte es auch nicht besser, da wir uns da nicht aus dem Weg gehen können - und ich auch nicht verstand, wieso er zu allen anderen ganz normal sein konnte und zu mir nicht (jetzt verstehe ich es - dank euch )
Letzte Woche sagte ich ihm, dass ich die Nase voll habe und dass wir dieses Gespräch führen MÜSSEN. Das war am Donnerstag. Er kam nach der Arbeit zu mir und plötzlich war er wie immer. Er sagte, dass es aufwärts geht. Er war plötzlich in der Lage, mir alles zu erklären - so, wie es hier auch oft geschrieben steht. Die Depression erstickt einfach alles. Er hat keine Gefühle, er kann nicht mit mir sprechen. Er kann gar nichts. Er ist einfach nicht in der Lage, mir zu antworten, weil alles zu viel ist, weil da nur ein Rauschen ist und er nur versucht, irgendwie da durch zu kommen. Aber jetzt wird es besser und wir können das Wochenende zusammen verbringen. Am Freitag war er wieder viel mehr er selbst, am Samstag wurde es wieder schlimmer, am Montag versuchte ich dann nochmal, die emotionale Distanz anzusprechen - und alles war genau wie vorher. Er kann nicht mehr mit mir reden, er hat wieder Rückschritte gemacht, er ist wieder im Loch.
Ich bin nach Hause gegangen. Ich bin diese Woche krank geschrieben, deswegen sehen wir uns nicht bei der Arbeit.
Er meinte, wir können Zeit miteinander verbringen, aber nur nichts machen. Nicht reden. Nichts unternehmen. Nur einen Film schauen oder so.
Ich bin mir absolut unsicher, wie ich damit umgehen soll.
Unsere Beziehung ist noch so frisch. In dieser Phase hätten wir doch Input gebraucht, die Gefühle weiter aufbauen.
So ist es, als wäre er einfach weg. Die Person, in die ich mich verliebt habe, ist einfach weg. Und er fehlt mir so.
Es hat so lang gedauert, bis ich mich darauf einlassen konnte und von heute auf morgen fühlt es sich an, als wäre ich einfach ins kalte Wasser fallen gelassen worden. Ich weiß, dass er krank ist - und das macht es so schwer. Ich darf nicht mal wütend auf ihn sein! Ich weiß nicht, wohin mit all den Gefühlen der Enttäuschung, der Trauer, des Schmerzes und der Wut.
Er sagt, seine Gefühle sind nur verschüttet und sicher kommen sie irgendwann wieder. Aber momentan kann ich mir das einfach nicht vorstellen. Wir waren verliebt. Und nun ist da nichts mehr. Da ist nichts mehr schön. Er beteuert, dass seine Gefühle für mich nicht weg sind, dass er mich ganz tief drin immernoch genauso liebt. Dass er es nur nicht fühlen und zeigen kann.
Und nun würde ich gerne wissen: Ist es besser, erst einmal auf Abstand zu gehen? Ihm den Raum zu lassen, dass es besser werden kann?
Oder ist es besser, präsent zu sein?
Er hat mir heute geschrieben und angeboten, dass ich während er arbeitet bei ihm Zuhause sein Internet nutzen darf (meins geht gerade nicht). Ich konnte nicht antworten. Weil ich einfach keinen Schimmer habe, was.
Wie macht ihr das, all das einfach zu schlucken?
Bis gestern hatte ich das Gefühl, dass es mich innerlich zerreißt. Heute habe ich entschieden, keinen Kontakt zu ihm zu haben und mich nur um mich zu kümmern. Das hat auch gut funktioniert.
Nur frage ich mich ganz ehrlich, ob wir uns nicht noch viel mehr distanzieren, wenn ich jetzt auf Abstand gehe. Und ob es vielleicht besser ist, einfach mit ihm da zu sein und zu signalisieren, dass er das nicht allein durchmachen muss.
Oder ob Abstand doch der richtige Weg ist - nur wie stelle ich sicher, dass er sich nicht hängen gelassen fühlt?
Entschuldigt den langen Text. Ich bin einfach so durcheinander.
25.03.2020 20:06 •
x 2 #2146