Danke, @selly - in deinem detaillierten posting ist wirklich alles drin, finde ich, und das als die von der anderen Seite, also als die Depressive in meiner eigenen Partnerschaft bzw. Ehe. Und ich erinnere mich auch noch an deinen ganzen weiten Weg hier seit den Anfängen der Depression deines Partners.
Die Angehörigensicht kenne ich allerdings auch unfreiwillig intensivst aus der Sicht der Tochter und Enkelin in einem depressiven Haus während meiner Jugendzeit. Horror, wenn dann die Depressiven noch zu Aggressionen und Sadismus/Narzissmus neigen! Anderes Thema, dennoch kenne ich die Trauer immer wieder über alles, was nicht sein kann an normaler liebevoller Beziehung und ich kenne das Entsetzen, die Hilflosigkeit angesichts eines so wechselhaften Verhaltens wie Tag und Nacht zwischen gesünderen und depressiven Phasen beim nahen Angehörigen.
Auch wenn PartnerInnen ja erwachsen sind und nicht wie ich damals als Kind abhängig von diesem Wechselverhalten war, haut es dennoch nicht wenig rein, wenn der oder die Liebste mal liebevoll und mal eiskalt ist.
Mein Mann formuliert das so: Ich weiß, dass ich mich nicht mehr so auf dich verlassen kann wie früher. Darum bin ich selber auch zurückhaltender, damit es mir nicht wieder zu nahe geht, wenn eine schlechte Phase kommt.
Und so habe ich es mit meiner Mutter auch gehandhabt - und da sie keine Krankheitseinsicht hat und sich nur behandeln lässt, wenn sie quasi am Boden liegt und das eben schon immer, daher bin ich irgendwann ganz auf Distanz gegangen, weil ich mir ihre Ausfälle nicht mehr antun wollte.
Eine Depression ist eine schwere Erkrankung, schon eine leichte Depression, und wer an wiederkehrenden oder chronischen Depressionen leidet und sich nicht behandeln lässt, ist sich und seinen Nächsten gegenüber so fahrlässig, dass ich es nicht akzeptiere. Schon gar nicht, wenn Kinder noch mit betroffen sind.
Wenn es eine einmalige Depression ist, muss sie zwar auch behandelt werden, aber kann sich ein Paar vielleicht anschließend wieder davon erholen.
Wenn Depressionen aber zum Alltag immer wieder gehören, dann müssen die Angehörigen sehr gut auf sich selber aufpassen und sehr genau schauen, nicht selber krank zu werden aus lauter psychischer Überforderung.
Eine Depression gehört nämlich in die Hände von Fachleuten und nicht von Laien, den Angehörigen.
Die Depression darf nicht der Mittelpunkt des Familienlebens sein, also auch der Mittelpunkt der Gesunden, die sich alle in die kranke Welt des Depressiven einfühlen wie es meine Mutter und mein Großvater forderten.
Zwar geht es den von Depression Gequälten sicherlich nicht besser als den Angehörigen, also es leiden im Grunde alle, aber wenn der oder die Kranke sich als Nabel der Welt sieht und als Opfer der Krankheit und alle anderen haben es aus seiner Sicht so gut und müssen darum Rücksicht nehmen, dann kommen unhaltbare Zustände zum Tragen.
Umgekehrt wird aber auch nichts draus, wenn im Schatten der Krankheit der Depressiven sich die gesunden PartnerInnen nur noch um sich selber scheren und selber nicht wenige Unarten dabei entwickeln. Dann doch lieber getrennte Wege!
Und so ändern sich Partnerschaften unweigerlich und werden etwas ganz anderes als ursprünglich mal erträumt und gedacht, wenn eine/r immer wieder Depressionen bekommt.
Die PartnerInnen müssen dabei unweigerlich durch eine tiefe Trauer und Desorientierungsphase immer mehr zu sich selber und zur Selbstfürsorge finden wie die Kranken auch, ganz einfach, weil die Depression das erfordert.
Grundsätzlich unterscheidet sich das aber nicht so riesig von anderen abrupten Veränderungen zum Schlechteren in Partnerschaften, habe ich festgestellt. So zum Beispiel, wenn Kinder dazukommen. Dann ist es mit dem alten Leben oft genug komplett vorbei! Bei uns war das so.
Oder wenn die PartnerInnen sich mit dem Älterwerden in Aussehen und Verhalten zu etwas ganz anderem entwickeln als sie früher mal waren und als es eigentlich dem eigenen Geschmack entspricht.
Wenn man Jahrzehnte beisammen ist, bleibt das nicht aus. Schnarchen und Prostata-Klorennen nachts sind einfach nicht so toll, Krampfadern und Wechseljahre auch nicht. Von unförmigen Figuren, schnaufender Fortbewegung und Schwitzen mal ganz zu schweigen. Das will keiner. Kriegt aber irgendwann fast jeder.
Immer wieder kommen Umbrüche, die man so gar nicht auf dem Plan und im Lebenstraum hatte und wo sich unweigerlich beide PartnerInnen viel mehr mal mit sich selber beschäftigen müssen, um rauszukriegen, ob sie das jetzt hier so eigentlich noch wollen, können, brauchen.
Immer wieder kommen Trauerphasen, weil etwas vergangen ist und so nicht wiederkommt. Das heißt Leben und kann nicht alles der Depression angehängt werden.
Von daher kann ich sagen aus meiner Seniorinnenwarte, dass es einige krasse Partnerschaftsumbrüche gibt, die ebenso tiefgehend sind wie eine Depression und ebenso dahin führen, dass nichts ewig so weiter geht wie am Anfang, dass aus Zweisamkeit immer mal wieder mehr Selbstfürsorge werden muss zur Selbstvergewisserung, wo ich so wie ich bin heute stehe mit meinem Partner so wie er ist.
Und dabei geht es bei Weitem nicht nur um Depressionen.
Liebe Grüße! maya60
04.04.2021 12:29 •
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