Lieber @Freshdaex Dank vielen hier im Forum wurde mir bewusst, dass ich vor allem jetzt für mich selbst da sein muss. Mein Partner kann es nicht mehr und auch ich kann nur bedingt für ihn da sein. Ich kann ihn nicht heilen und ihm die Krankheit nicht nehmen.. Das habe ich gerade anfangs oft versucht. Wir konnten seinem Zustand ja beide zunächst keinen Namen geben.
Ich beispielsweise habe mich oft mit Lektüre über Depressionen befasst und habe auch schon einiges Lesenswertes gelesen. Aber auch da sollte man ein gesundes Maß finden. Ich habe mich anfangs in Lektüre geflüchtet, in der Hoffnung, das würde irgendwas.. Naja. Ändern. Ich verfiel dann in einen regelrechten Wahn. Hab' mir ein Buch nach dem anderen bestellt.
Es ist auch okay, sich bewusst mal nicht damit zu befassen. Das musste ich lernen, daher liegt mein zuletzt angefangenes Buch jetzt seit eineinhalb Monaten im Wohnzimmer unberührt herum.
In ganz schlimmen Momenten hat mir das geholfen, darüber zu lesen. Aber jetzt gerade im Moment brauche ich mal eine Auszeit mit dem dauerhaften Damit-Befassen.
Sonst nehme ich auch mal bewusst räumlich Abstand. Wenn seine Kinder mal hier sind, und wir sonst immer zusammen gekuschelt haben, kuschelt er mittlerweile nur noch mit ihnen und lässt mich daneben links liegen. Anfangs habe ich mich gezwungen, in ihrer Nähe zu bleiben. Das hat mir aber irgendwann so zugesetzt, dass ich oben in's Büro geflüchtet bin und mir meine Spielekonsole angemacht habe. Das behalte ich bis heute bei. Auch, wenn's mir beim bewussten Drüber-Nachdenken wehtut, mich manchmal so abkapseln zu müssen, tut es mir definitiv auch gut. Er weiß, dass es nicht böse gemeint ist und er weiß auch, warum ich das tun muss. Vor allem für mich.
Was ich auch tue.. Wenn mir seine Depressionen mal so richtig auf die Nerven gehen, dann muss das auch mal raus. Und manchmal passiert das auch ihm gegenüber. Das liegt daran, dass ich ganz, ganz lange nichts gesagt habe, aus Angst, ich würde ihn noch mehr unter Druck setzen und noch mehr in's Loch katapultieren. Ich habe allerdings auch hier gelernt, dass ich mit ihm über mein Befinden reden MUSS. Denn sonst kappt die Kommunikation irgendwann und dann wird's echt schwierig.
Aufgrund dessen, dass ich das lange so gemacht habe, schaffe ich es jetzt nicht mehr. Bedrückt mich etwas, oder hat mich sein Verhalten verletzt, dann erkläre ich ihm das. Natürlich ohne Erfolg auf Besserung.. Er kann sein Verhalten im Moment selbst nicht kontrollieren. Das hat er mir gesagt. Neulich sagte er mal: Es tut mir leid, aber im Moment ist mein Radius so klein. Ich nehme nicht mehr viel wahr. Es tut mir leid, dass es dir wegen mir so schlecht geht. Ich wünschte, ich könnte was an meinem Verhalten gerade ändern, aber das kann ich nicht ohne Hilfe. Ich wünschte, ich könnte dir helfen, aber ich kann mir ja nicht mal selbst helfen. An manchen Tagen, da gibt es für mich nicht mal ein Ich, da kann ich mich selbst nicht mehr spüren. Und an diesen Tagen gibt es dann auch kein Wir.
Klingt hart, hat sich auch so angefühlt, aber ich kann das nachvollziehen.
Er redet an manchen Tagen ja von sich aus schon kaum was. Daher denke ich, dass es wichtig ist, ihm zu verstehen zu geben, dass man an seiner Seite ist. Hilfe gibt, wenn er Hilfe braucht. Die Kommunikation am Laufen hält, auch, wenn man da oft alleine an der Front kämpft.
Letzten Endes muss er aber den Karren selbst aus dem Mist ziehen. Das kann ihm leider keiner abnehmen und ich musste mir eingestehen, dass gerade ich das am Wenigsten kann.
Ich bleibe aber bei ihm. Warum? Nicht nur, weil ich ihn liebe. Sondern auch, weil er krank ist. Er hat sich das nicht ausgesucht. Und vielleicht wird er hoffentlich eines Tages das selbe für mich tun, wenn es mir mal längere Zeit nicht so gut geht.
Heißt aber nicht, dass die Tage mit ihm leicht sind. Ganz im Gegenteil. Kommunikation ist wie gesagt mit ihm kaum möglich. Liebe Dinge kann er mir schon lange nicht mehr sagen und abends auf der Couch muss ich ihn immer darum bitten, dass er den Arm um mich legt oder mir seine Hand gibt..
Ich hatte die letzten Wochen jetzt oft leider das Bewusstsein an der Oberfläche, wie sehr sich alles geändert hat. Wie glücklich wir waren. Und manchmal verführe ich mich selbst, zu glauben, dass das jetzt hier unser neuer Alltag ist. Das sind die Tage, an denen es mir richtig elend geht.
Heute allerdings bin ich mal wieder aufgestanden, habe mich zusammengerafft und mir gesagt: Nein. Der Zustand die letzten Monate ist NICHT unsere Beziehung. Es ist eine Zwischenzeit, die es zu überstehen gilt. Er ist NICHT seine Depression. Und es ist okay, dass gerade alles schei. ist, weil es nicht die Realität widerspiegelt. Klar, zur Zeit ist es leider seine Realität. Aber sie ist nur ein Trugbild und das muss ich mir immer wieder vor Augen führen.
Mein Partner hat die Diagnose Depressionen, ist seit einem Monat in Therapie und nimmt seit ca. zweieinhalb Monaten ein Antidepressivum. Letzteres schlägt allerdings nicht an. Er hat jetzt in zwei Tagen seinen Kontrolltermin bei seiner Psychiaterin. Die soll ihm dann ein neues verordnen.. Auf dass das dann hoffentlich wirkt.
Er zum Beispiel hat nicht das Gefühl, dass sich irgendwas gebessert hätte.
Letzten Samstag allerdings hatte er einen sehr guten Tag. Da war er viel zuvorkommender als sonst. War wesentlich besser gelaunt. War auch viel liebevoller. Einfach mehr er selbst und einfach da.
Das merkt er selbst nicht. Aber ich hoffe, dass es bald mehr solcher Lichtblicke gibt.
Unterscheiden zwischen Verhalten einer Depression und seinem Charakter.. Ich weiß nicht, ob es dafür eine allgemeingültige Formel gibt. Ich beispielsweise war mit meinem Partner erst ein dreiviertel Jahr zusammen, bis er erkrankt ist. Ich denke, Paare, die schon lange beieinander sind, können das eher einschätzen, dass das keine Charakterzüge, sondern wirklich die Symptome sind.
Ich glaube einfach daran, dass mein Freund nicht der oft egoistische, kompromisslose, abwehrende, überforderte, deprimierte, ungeduldige und lieblose Kerl ist, der er gerade ist. Denn ich habe ihn anders kennengelernt und er hat mir gesagt, dass er auch weiß, dass er das im Moment nicht ist.
Woran ich das also unterscheiden kann? In dem ich ihm erstens glaube und vor allem zweitens an ihn glaube. Und das weiß er.
Ob es Phasen gibt.. Naja. Das ist sicherlich von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Du siehst es ja bspw. daran, dass @Milla s Freund nicht lieblos ist und von keiner Leere spricht. Meiner von Letzterem aber auf jeden Fall. Vor ein paar Tagen stand ich völlig aufgelöst und weinend am Küchenfenster. Es ging mir garnicht gut.. Ich wollte mir nur was zu trinken holen und aufeinmal stand ich da, starrte die Gardinen an und irgendwann liefen mir völlig unkontrolliert die Tränen. Er kam dann irgendwann zu mir und ich habe ihm offen erzählt, dass es mir gerade wirklich nicht gut geht. Und auch er hatte schwer Tränen in den Augen stehen. Er hat mir gesagt, dass für ihn kein Tag wie der andere sei. Er habe mal gute und mal schlechte Tage. Von daher.. Ich glaube, da kann man bei ihm nicht von Phasen sprechen.
LG radysa
01.07.2021 16:42 •
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