Hallo zusammen,
ich lese seit Mitte Mai hier mit und eure Beiträge haben mir oft geholfen, mit meiner Situation klar zu kommen.
Seit einige Tagen fällt es mir aber immer schwerer, daher habe ich beschlossen mir das einfach mal von der Seele zu schreiben - vielleicht kommt darüber noch mehr Klarheit und Abstand ...
Das ist meine Geschichte in möglichst kurzer Fassung:
Das Kennenlernen
Ich habe Mitte Februar über eine Dating App einen Mann kennengelernt, bei dem sich herausstellte, dass er in derselben Firma arbeitet - ich merkte das sehr schnell, er nicht, ich habe es nicht angesprochen, sondern erst einmal intern sondiert, ob das ggf. zu Problemen führen könnte. Beim Schreiben fand ich ihn schon toll, allerdings löste er den Kontakt, nachdem ich mich 2 Wochen nicht gemeldet hatte (sondieren!) und auch einen Date bei ihm zu Hause nicht zugestimmt hatte - Corona hin oder her, das war mir zu unsicher. Dann hatten wir am 26.3. ein erneutes Match, er schrieb mir sofort und fragte, ob ich denn jetzt vorbei käme. Ich stimmte zu, in der festen Überzeugung, dass keiner von uns beiden was Festes sucht oder will und das Treffen eher unverbindlich wäre, eine einfach nur Ablenkung im Lockdown.
Tja, es lief keine 5 Minuten nach meinem Eintreffen bei ihm wie am Schnürchen. Ich habe so etwas noch nie erlebt, dass man sich auf Anhieb so gut versteht, miteinander lacht und offensichtlich trotzdem auch als Mann und Frau enorm anziehend findet. Ich kenn mich zumindest nicht so. Es war wie im Film, ich kann es nicht anders beschreiben und ich habe mich noch nie mit einem anderen Menschen so wohl und bei mir selbst gefühlt wie mit ihm. Keine Stunde später wurde es sehr intim (küssen, S.) und dann lagen wir die halbe Nacht wach, erzählten uns unser halbes Leben inkl. sehr Vertrauliches und waren beide geflasht, wie vertraut und innig das war auf beiden Seiten. Es war einfach perfekt.
Der nächste Tag/Abend lief ebenso - und für jemand wie mich, der normalerweise bei so viel engem Kontakt, direkter Zuneigung nach kurzer Zeit etc. eher Reißaus (Bindungsschwierigkeiten ) nimmt, war das erst mal schwer zu sortieren. Ich war dann daher zurückhaltender als er, der gleich Dinge ansprach, wie er suchte keine Beziehung, aber hätte nichts dagegen, es wäre mit uns so als kennen wir uns schon ewig, etc.
Aber: Er erzählte auch da schon von massiven Problemen auf der Arbeit, die ich alle nachvollziehen konnte, ich kenne ja seinen Chef ... er erzählte, er sei aber schon auf dem Sprung und müsste nur noch kündigen für den neuen Job.
In der laufenden Woche wurde er etwas zurückhaltender, aber er denke an mich, er schob es auf Stress in der Arbeit - Am Freitag eine Wochen nach dem ersten Treffen stellte sich durch einen Zufall heraus, dass er sich für den Abend über die Dating App ein Date mit einer anderen klar gemacht hatte - ich kannte sie, daher erfuhr ich davon. Mir sagte er auf meine Frage hin für abends kein Treffen zu, er sagte nur, er wollte mich zwar sehen, aber sonst nichts .... für ein anderes Date da hätte er dann Zeit ....
Ich habe ihn noch am selben Abend damit konfrontiert und kam mir natürlich komplett verschaukelt und belogen vor. Dass man so viel Innigkeit vorspielen könnte, war mir völlig unbegreiflich.
Wir haben dann in den kommenden 2 Tagen deswegen hin und her geschrieben, er meinte, er hätte mich als unverbindlich und doch nicht ausreichend interessiert, mauernd am nächsten Morgen, nicht bereit usw. wahrgenommen. Wir haben das dann bei einem persönlichen Treffen geklärt, da ich Schreiben in Konfliktsituationen nicht mag. Das Thema war am selben Abend vom Tisch - ich glaubte ihm und er mir, wir wollten es exklusiv miteinander angehen - und damit begannen ca. 4 wunderbare Wochen in denen wir uns sehr nah waren.
Es war perfekt er machte schon Pläne zu gemeinsamen Aktivitäten im Sommer, für den Urlaub, ich sollte mit ihm seine Männerbude wohnlich machen, damit wir es schön hätten etc. ....
Und dann wurde er krank.
Die Veränderung
Er erwähnte in den zwei Folgewochen viel Stress vor dem Kündigen und er wollte alles möglichst stressfrei über die Bühne bringen - mehr erzählte er nicht. Wie krass es auf der Arbeit zuging, erfuhr ich erst später - entsprechend gedankenlos war meinte Reaktion, ich nahm an, es ging um normalen Stress. Wie gesagt, wir arbeiten in derselben Firma, ich kenne das selbst bestens und dachte da an eine Phase.
Mit dem Pfeifferschen Drüsenfieber setzte die komplette Veränderung ein, er meldete sich zuerst weniger, sagte ein Treffen ab, weil er Corona vermutete, es ihm nicht gut ging und er mich auch nicht anstecken wollte.
Schon da kam das erste Mal, er bräuchte nur Ruhe, sei müde, und wenn er krank sei, lassen ihn seine Leute in Ruhe, bis er sich meldet, er käme klar. Ich hab ihm abgerungen, dass er sich zumindest meldet, sobald er beim Arzt war. Tat er - und ich glaubte da noch, nach ein paar Tagen würde es besser. Wir sahen uns dann noch mal als ich ihn besuchte, es war wieder sehr schön, auch wenn er wirklich schwach war und ganz froh zu sein schien, dass sich jemand kümmert.
Doch besser wurde es nicht
Ich habe ihm dann wie gewünscht eine Woche seine Ruhe gelassen, bis er sich meldete. Da nahm ich schon einen anderen Schreibstil wahr (distanziert, andere Smileys, nicht so liebevoll wie anfangs) , und wunderte mich sehr. Ich fragte nach einem Treffen, statt sofort wie sonst kam erst am nächsten Tag eine Antwort - er sagte gerne, fragte wie es mir ging und ich hab ganz naiv und arglos ehrlich geantwortet, dass ich das grade gar nicht so genau wisse - mein Bauchgefühl sagte mir einfach, da ist was im Argen.
Und das war ein Fehler, er sagte das Treffen sofort ab, schob es auf Stress im Job, wollte stattdessen nur telefonieren in 2 Tagen. Ich antwortete, dass ich den Eindruck hätte, es sei etwas anders und nicht ok, vor allem nach der Antwort.
Seine Reaktion war nur der Satz, Ich kann das grade alles nicht. Sorry! Auf meine irritierte Nachfrage und Bitte um ein persönliches Gespräch kam nur das:
Hi, Ich verstehe Dich! Ich bin einfach fertig. Mir tut es Leid!
Das war nicht gerade nett von mir.
Etwas durchgedreht, Ich. Du hast nichts falsch gemacht.
Ich hab mich erst mal herunter gepegelt, meine Emotionen reguliert und ihm einen Tag später geschrieben, ich lasse ihm seine Ruhe bis er sich meldet, es wäre ok, weil ich die Situation verstünde.
Danach kam mir das erste Mal der Verdacht auf Burnout. Ich war selbst zwei Mal BO-betroffen - das ist Jahre her und ich konnte daher recht schnell einordnen, was los sein könnte.
Burnout-Gespräch
Ich habe ihn dann am 10.05. unangekündigt besucht und mir ein Bild gemacht, da ich enorme Zweifel und fiese Gedanken hatte und gemerkt habe, ich komme damit doch gar nicht klar. Wir haben stundenlang geredet, er gab dann auch zu einen BO zu haben, auch wenn er das Wort gern meidet. Ich wollte mehr Klarheit und Infos, und die gab er mir: er schilderte seine ganzen Symptome (Schlafstörungen, Alpträume, Herzrasen, Panik, enorme Müdigkeit, Vergesslichkeit, langsames Denken, Aggressionsgefühle...). er fühlte sich nicht erleichtert trotz neuem Job, Urlaub etc. Er war dann auch am Weinen und hat mir noch mal erzählt, wie gewisse schlimme Erlebnisse seiner Kindheit hier in die Situation reinspielen. Für mich total nachvollziehbar, dass dieser Mensch zusammenbrechen musste nach den vergangenen schlimmen Monaten und einigen anderen üblen Erfahrungen in der Vergangenheit (vernachlässigende und gewalttätige Eltern, schwierige Beziehung mit der Ex).
Er sagte mir, er müsse seine Gefühle deckeln, um klar zu kommen, er wollte nie wieder da sein wie im ersten Burnout. Aber wenn er dadurch auch für mich nichts mehr fühlte, habe er Zweifel, ob das mit uns noch richtig sei. Er wolle gerade keine Beziehung, da er meine damit normalen Erwartungen nicht erfüllen könne und Angst hätte vor Vorwürfen.
Wir gingen nach dem Gespräch auseinander, mit Klarheit und Dankbarkeit auf beiden Seiten. Ich bat ihm, mich nicht komplett auszuschließen und bot meine Unterstützung an, da er mir viel bedeutet.
Ich ließ ihm dann rund 2 Wochen seine Ruhe, bis wenige Tage vor seinem Geburtstag Ende Mai. Da schrieb ich ihm nur, dass ich an ihn denke. Seine Antwort war für mich enorm verstörend. Er schrieb, er müsse noch lange in sich hineinsehen, ich sei ein lieber Mensch, aber solle nicht auf ihn warten, er sei gerade beziehungsunfähig, das sei alles.
Ich war erst mal zu geschockt um darauf irgendwas zu antworten. An seinem Geburtstag habe ich ihm nur seine Geschenk Karte auf die Fensterbank gestellt. Er bedankte sich über Whatsapp dafür, aber sehen wollte er mich nicht, sagte er auf meine Frage, weil er müsse kurz was arbeiten für den neuen Chef und sei bei der Familie eingeplant. Er entschuldigte sich dann auch für sein Verhalten und die Situation, und meinte, er meditiere wieder viel und habe ja seine Liste mit Todos für so eine Situation, die er vor Jahren im ersten BO in Therapie erarbeitet hatte.
Das hätte es gewesen sein können, wären wir uns nicht rund eine Woche zufällig in seinem Stadtviertel über den Weg gelaufen, als ich zu einer Freundin wollte, die dort auch wohnt.
Es war erst mal komisch, ihm war merklich unwohl mich wieder zu sehen und erst als er merkte, ich war nicht sauer, wurde er lockerer und konnte mich dann auch umarmen und küssen, als ich meinte, er dürfe das. Er sei da nicht sicher, er dachte ich sei sauer, ich wolle nichts mehr von ihm wissen
dann fragte er nach einem Treffen für den nächsten Tag, und wollte aber dann am liebsten, dass ich doch noch am selben Abend komme. Wir haben uns also verabredet. Tja, ich war pünktlich vor seiner Tür nur er öffnete nicht, keine Reaktion auf mein klingeln und anrufen. Blick auf mein Handy: eine Stunde zuvor hatte er mir über Whatsapp abgesagt, sein Kreislauf sei im Keller, er müsse sich hinlegen das hatte ich allerdings nicht gelesen. Seine Reaktion am nächsten Tag war natürlich erst mal eine Entschuldigung wir haben dann telefoniert und uns direkt getroffen und lang geredet.
Depressive Episode seit Juni
Er hat mir in dem Gespräch ganz ausführlich gesagt wie es ihm geht, wie leid es ihm täte und er hat auch geweint, weil er so geschockt war, wie er sich verhält Im Gespräch wurde es dann im Laufe der Zeit trotzdem wieder normal ich kann es nicht anders sagen. Sein Gesichtsausdruck war komplett anders, so wie vor dem Burnout. Und er sagte, er könne jetzt gerade auch wieder was geben und wolle was geben. Also viel Kuscheln, reden, küssen, S., gemeinsam kochen und essen, er sprach wieder von Plänen für die Zukunft, was er mit mir alles vorhabe, wenn es ihm besser ginge, er sei dankbar für das Geschenk, was ich ihm machte durch mein Verhalten, er dachte, dass mit uns ginge Richtung Beziehung bis er zusammenbrach er wirkte total happy und fast wie vorher.
Leider bleib es dabei nicht. Ich hatte den Kontakt meinerseits dann sehr sparsam gestaltet mit ca. 10 Tage Abstand schreiben, weil ich ja wusste wie es ihm geht. Das war trotzdem zu viel. Beim ersten Mal kam noch eine Antwort, bei den nächsten beiden Mal nichts. Er war dann 10 Tage gar nicht online und da war ich enorm besorgt und fast am Durchdrehen, weil ich nicht wusste, ob er nicht etwas sehr Dummes tut
Ich fuhr am 17.7. daher vorbei er war wieder abweisend, aber redebereit. Eine knappe Stunde später, wieder die magische Verwandlung: der kalte Mensch verwandelte sich in den Mann vom Anfang. Wieder nahm er mich in den Arm, es gab Nähe, reden, lachen, kuscheln, S. er sagte, er könne dabei endlich wieder was fühlen, sei nicht mehr so betäubt und könne sich mir öffnen und bedankte sich dafür und war enorm gerührt. Ich war einfach nur happy und erleichtert, aber mir war auch klar, dass sobald ich seine Wohnung verlasse und er alleine ist mit seinen Gedanken, sich alles wieder dreht.
Wir haben dann vereinbart, dass er mir zumindest zeitnah zurückschreibt, wenn ich mich melde, weil ich einen kompletten Kontaktabbruch nicht kann, das war nämlich zunächst sein Vorschlag, dass er sich meldet wenn er da raus ist. Das kann ich nicht, da mache ich mir zu viele Sorgen sagte ich, vor allem weil in seinen Phasen hat er immer den Gedanken, er dürfe mir nicht schreiben, weil er mich verletzt hatte, nicht da sein konnte für mich und ich deshalb nichts von ihm wissen will etc.. Das sind wie gesagt nur seine Gedanken, nicht so wie ich es sehe. Aber er vergisst das und glaubt diesen Gedanken.
Tja und nun ist die Lage so, dass ich ihn seit dem Treffen im Juli nur 2 Mal geschrieben habe, zuletzt heute und gefragt habe, ob wir uns heute/am WE oder nächstes WE mal treffen. Er sei zu platt, danke fürs Angebot das war alles.
Ende Danke fürs Lesen.
Gedanken Fragen
Dank euch allen hier und dem, was ich gelesen habe, meinen eigenen BO und meiner Therapie seit 1,5 Jahren kann ich viel verstehen, nachvollziehen und auch akzeptieren. Ich will gern auf ihn warten, weil ich tatsächlich nie jemand getroffen habe, der so eine Wirkung auf mich hat und wo es einfach passt, egal worüber wir sprechen, was wir unternommen haben, es war einfach mit ihm, es läuft so selbst jetzt noch harmonisch zwischen uns, wenn wir uns dann sehen. Ich kann ihn daher nicht loslassen (wie Jedi immer so schön sagt ) ich will warten und geduldig sein.
Aber zugleich habe ich natürlich auch meine Gefühle und muss diese Emotionen handeln. Auch wenn ich Fortschritte bei ihm wahrnehme, ich versteh einfach nicht, wieso Betroffene funktionieren oder speziell er sogar seine Eltern, die ihm Schreckliches angetan haben, sehen kann, aber mich nicht und das obwohl er sagt, ich tue ihm gut.
Dieses Widersprüchliche macht es so verdammt hart und lässt mich zweifeln, ob die schöne Zeit wirklich echt war. Mir fällt es auch immer schwerer in Kontakt zu gehen, jedes Wort wird 5 Mal überdacht, der Zeitpunkt immer wieder genau abgewogen.... früher war es mit ihm so leicht und einfach, und jetzt fühlt es sich an wie ein dünnes Glas, dass ich beim kleinsten Fehler zerbrechen kann. Wie habt ihr anderen in solchen Moment reagiert und gehandelt?
Ich sage mir immer selbst, es kommt wie es kommt, und entweder er kommt zurück zu mir, wenn er gesund wird oder nicht. Aber die Akzeptanz eines Endes ist einfach enorm schwer, wenn die Angst vor dem Verlust und den damit einhergehenden Schmerz wieder die Oberhand gewinnt. Ich weiß, dass das einfach übertrieben ist, weil andere hier viel mehr und viel länger mitgemacht haben, viel verloren haben ...
Ich weiß gar nicht, wieso ich das alles hier schreibe es ändert ja nichts.
Vllt suche ich Hoffnung, aber die kann mir keiner geben meist stimmen mich Erfahrungsberichte von Betroffenen eher mutlos. Aber vielleicht helfen auch eine andere Sichtweise, Einschätzung und Gedanken
15.08.2021 00:29 •
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