Hola liebes Forum!
Heute bricht der 6. Monat an, in dem er an Depressionen leidet. Die letzten Tage sind schwer. Ich musste ihm Anfang der Woche schreiben, weil ich ein paar Kleidungsstücke brauche, die noch bei ihm sind, die er mir noch nicht zurückgegeben hat. Ich war bei ihm in der Nähe bei unserer Hausärztin und hab ihm spontan geschrieben nach etwa 2 Wochen absoluter Funkstille, weil ich die paar Kleidungsstücke abholen wollte - er war auf Arbeit. Wir haben ein paar Floskeln ausgetauscht. Es geht ihm soweit ganz gut - er ist arbeiten, ist dort eingespannt, die Arbeit nervt ihn aber es ist auszuhalten, das Wahlergebnis wäre nicht so nach seinen Wünschen ausgegangen, die Therapie würde aber gut laufen. Auf meine Frage ihn, ob ich ihm irgendwie bei irgendetwas helfen könne - einfach weil das ja die einzige Kommunikation oder Frage ist, die man mit einem Depressiven stellen kann - schrieb er mir, dass es lieb wäre, dass ich fragen würde, derzeit nichts gibt, aber er würde beizeiten auf mich zurück kommen. Es ist unglaublich, wie sehr ich sich meine Emotionen an diesem Wort beizeiten aufhängen. Meine Sachen hat er mir jetzt kommentarlos per Post zukommen lassen, was in Ordnung ist, aber trotzdem komisch.
Wie in jeder schlechten Datinggeschichte habe ich lange darüber nachgedacht, was beizeiten bedeutet, obwohl ich der deutschen Sprache eigentlich mächtig bin und es weiß. Ich habe es abgebrochen, weil es mir nichts bringt, aber das Gefühl hallt trotzdem in mir. Und auch die Gedanken arbeiten im Hintergrund weiter, ob es ein gutes Zeichen ist, ob es endlich absehbar ist, ob es ihm wirklich besser geht, ob er dem Sumpf entkommt und beizeiten in der Lage ist, sich um sein soziales Umfeld zu kümmern und damit auseinanderzusetzen. Was seine Entscheidung sein wird? Ich weiß, dass es ohne ihn weitergehen wird, aber es würde mir doch immer noch sehr wehtun, wenn er alles beenden würde. Genauso wenig weiß ich, was ich will. Bis jetzt hat sich ein lösungsorientiertes Denken nicht wirklich ergeben und auch jetzt ist es noch quatsch, sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Wie geht es weiter, wenn er mir sagt, dass er mich, dass er uns noch will? Wenn ich ihm dann sage, dass ich es nicht weiß? Ich bin schon immer ein Kopfmensch gewesen und ich mag das eigentlich. Aber logisches Denken, das Abwägen von Optionen und Möglichkeiten gehen nur, wenn die Emotionen nicht verrückt spielen. Meine Reaktionen auf ich will dich gehen von seine Hand nehmen, ihn umarmen, ihn küssen hin zu Flucht ergreifen, auf Distanz gehen, weinen, wütend sein... Wie nah kann ich ihm kommen? Wie nah möchte ich ihn an mich heranlassen? Wie nah KANN ich ihn an mich heranlassen. Ich befürchte, dass wenn wir das erste Mal wieder miteinander schlafen, dass ich danach erst einmal weinen muss, weil sich der ganze Druck, alles schlechte einfach lösen wird. Kein schönes Hollywood-Weinen a la ich verdrücke ein kleines Tränchen, weil du wieder da bist, sondern Rotz und Wasser. Davor habe ich Angst, weil ich auch weiß, dass es ihn verletzen wird, mich so zu sehen. Ich komme gestärkt und reflektiert aus dieser Sache, aber trotzdem...
Es wird sich beizeiten klären. Und genauso wie dieses Wort Hoffnung und Kraft schenkt, erfüllt es mich mit Unruhe, Ungeduld (oder positiver: Neugier?) und ganz vielen Fragezeichen.
01.10.2021 11:53 •
x 3 #4754