Hola!
Ich finde diesen Drama-Begriff ehrlich gesagt ziemlich schwierig, auch allein daher, dass er zum Teil doch sehr negativ konnotiert ist. Wie viele Konflikte wurden schon weggewischt, weil jemand ein Drama draus gemacht hat - ich muss sagen, ich bin hier immer sehr vorsichtig das zu sagen. Macht ein Depressiver ein Drama draus, sich beim Einkauf nicht zwischen zwei Joghurtsorten entscheiden zu können? Oder nicht zur Arbeit gehen zu können? Geschweige denn zur Dusche?
Ich denke (und da spricht der Mathematiker aus mir), dass manche Dinge einfach als dramatisch empfunden werden - das ist Definitionssache, das hat nichts mit Machen zu tun. Was ich dann daraus mache, ist eine andere Frage. Ich kann es jedes Mal als Drama sehen, wenn mich die zickige Kollegin anmacht oder halt die Oma (wobei alte Männer viel schlimmer fahren als alte Frauen) mit 40 durch die 50 Zone fährt (und in der 30 dafür aber auch mit 40). Im Rahmen von Trennungen und Verlassen werden: Ich denke, es ist richtig, zu hinterfragen, ob es sich lohnt, Energie in dieses Gefühl zu stecken, dass etwas dramatisch für mich ist oder ich es als dramatisch empfinde und es damit irgendwie zu nähren. Und auch zu hinterfragen, ob dieses Gefühl so richtig ist. Ich finde es schwierig, das Ausleben, Aussprechen, Be- und Verarbeiten dieser Empfindung als Drama machen zu bezeichnen. Dann kann ich hier jedem Erkrankten gleich 10000 Bretter vor den Kopf knallen. Das kann ich als Nicht-Betroffener über Depressionen auch sagen, aber wie mies das ist, das als Erkrankter zu hören... ich denke, die Antworten aus solche Sprüche wie: Stellt euch mal alle nicht so an, macht mal nicht so ein Drama - das ist doch alles nicht so schwer und schlimm. Du bist doch eigentlich gar nicht so schlimm dran. Lächle mal, dann wird auch besser......... sind klar. Wenn ich es so schlimm empfinde, dann ist es so. Von Gefühlen kann ich mich meines Erachtens nur distanzieren und sie nicht vollkommen ausschalten oder ignorieren - das zu versuchen, ist denke ich auch alles andere als gesund.
Ich denke, der Ansatz in jedem Moment in Balance zu sein und in jedem Moment immer bei sich zu bleiben, ist unrealisitisch und ich würde mal behaupten, dass das für soziale Kontakte auch nur bedingt gesund ist, je nachdem wie man das umsetzt. Ich hätte das Gefühl, dass ich in dem Fall irgendwo unwichtig wäre, wenn jemand null Interesse daran zeigt, ob ich nun bleibe oder gehe und ich damit dann halt von einem wichtigen Lebensinhalt zu einer Erfahrung werde. Wenn ich Liebe als Selbsterweiterungsmodell sehe, dann gibt mir das ja etwas. Dann erweitere ich mich ja und nehme Eigenschaften des anderen auf, die mich im besten Falle zu einem besseren Menschen machen und weiterbringen. Das ist doch an die Person geknüpft. Wenn dieser Mensch wegbricht, dann ist das erst einmal nicht nur ein Verlust des Menschen sondern eben auch, wenn ich davon ausgehe, dass dieser Mensch mich erweitert hat und das aktiv und durch Präsenz und Verbindung, in gewissen Rahmen ein Verlust einer erweiterten Version meiner selbst. Und ich denke, das ist etwas, was als dramatisch empfunden und verarbeitet werden sollte. Und ich denke persönlich auch, dass das dramatisch ist, weil man sich selbst verliert - zumindest die Person, die man die letzten Monate oder Jahre war, weil ja auch einmal die Erweiterung fehlt. Und dass sich genau davon abzugrenzen und sich neu zu erleben und genau das neu einzuschätzen, das sollte man irgendwann in Angriff nehmen.
Ich persönlich fänd es einfach traurig, auf gefühlt alles nur mit einem Schulterzucken zu reagieren, was nicht absolut existentiell bedrohlich ist. Ich glaube, das würde auch die empfundene Liebe zum Partner irgendwie bemessen, wenn mich alles im Grunde nur wenig kratzt und für mich nicht dramatisch ist, aber das ist meine Meinung. (:
Übrigens glaube ich, dass es keine schlechten Emotionen gibt. Wut und Trauer haben alle ihre Berechtigung. Nur weil sich etwas nicht gut anfühlt, denke ich nicht, dass es auch nicht gut ist. Ich denke, hier kommt man in ganz ungesunde Gebiete, wenn man anfängt, seine Gefühle auszusortieren, weil sie vermeintlich nicht gut sind. Unterdrückte Wut und Trauer sind DIE Faktoren, psychisch krank zu werden oder wenn ich die im Rahmen von good vibes only nicht erlaube. Wut ausleben bedeutet aber auch nicht, dass ich alles kurz und klein schlagen darf und ich damit dann gut umgegangen bin. Oder dass jedes Mal, wenn ich Wut empfinde, auch gerechtfertigt ist.
03.02.2022 18:12 •
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