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Hilflos, Machtlos, Chancenlos?

Nuance
Warum wird es denn eigentlich immer schlimmer?
Sie ritzt sich nicht mehr.
Schlechte Noten anscheinend nur in Mathe.
Seit der Therapie geht es etwas bergauf.
Sie hat - immerhin - eine sehr gute Freundin.
Sie mag Musik.

Ihr wünscht euch sicherlich, dass sie sich öffnet, so wie Kinder es in der Regel (noch) tun.
Das ist mit 17 natürlich sehr schwierig.
Fraglich ist natürlich auch, warum sie sich bei euch nicht öffnet.
Gab es zu viele unsensible/falsche Antworten - in ihren Augen.

Man kann als Elternteil krank vor Sorge werden.
Und sowieso zu besorgt sein.
Ihr solltet auf euch aufpassen. Euch untereinander gegenseitig Kraft geben.

Vlt. könntet ihr euch auch mal vor eurer Tochter öffnen und beschreiben, wie sehr ihr euch sorgt - und dass es euch damit nicht gut geht.
Viele Jugendliche, insbes. Depressive, konzentrieren sich sehr auf sich selbst und bemerken oft nicht, dass sie durch ihr Verhalten andere verletzen, belasten etc.

Andererseits haben viele Depressive Schuldgefühle. Insofern müsste man abwägen und sehr vorsichtig vorgehen.
Damit Familie funktioniert, müssen sich alle etwas anstrengend. Niemand darf dem anderen völlig egal sein.

Sie ist nun bald 18. War sie nie alleine im Ausland? Ich habe schon mit ca. 13-15 Sprachaufenthalte in England, Frankreich gemacht. Das geht problemlos.
Auch ihr müsstet euch von ihr lösen können. Ihr schrittweise mehr zutrauen.

Über den Teich nach NY - das finde ich schon riskanter.

Ärgerlich ist, wegen Mathe vlt. ein Jahr wiederholen zu müssen. Hier fehlen mir Infos. Ich hatte vor dem Abitur (Schulwechsel) plötzlich einen sehr üblen - obj. üblen - Lehrer. Fast alle hatten mangelhaft/ungenügend bei ihm...

Wenn für das Zeugnis noch was zu retten ist, dann verstehe ich die Verweigerung von NH nicht wirklich.
Diese Bauchschmerzen. Da nimmt man dann Ibuprofen und Co. Das ist kein Grund.

Ihr seid wahrscheinlich sehr verunsichert: Verständnis, Nachgiebigkeit, Empathie - oder mehr Konsequenz.
Ich kann das nicht beurteilen und will es nicht verantworten. In eurer Haut möchte ich nicht sein.

Ritzen - das empfinde ich als doch schon schweres Symptom. Wer ritzt sich als eitler junger Mensch schon in die Arme? Ansonsten dachte ich beim Lesen, dass ich ihrer Tochter charakterlich vlt. nicht ganz unähnlich bin.
Und auch das mit dem Friedhof. Eine weitere Ausrede.
Doch beides ist ja Vergangenheit. Es geht scheinbar bergauf.
Trotzdem, man sollte es registrieren und vlt. wird sie - sensibel, wie sie zu sein scheint - später in Krisensituationen tiefer, länger abstürzen.
Man weiß es nicht. Sie ist 17. Ihr Gehirn verändert sich in der Pubertät extrem.

Wie würde sie darauf reagieren, müsste sie das Jahr wiederholen? Davor hatte ich panische Angst.
Aber oft ist die Angst vor dem Ungewissen größer als das später zur Gewissheit gewordene.

Ich hoffe, sie kann das alles mit einem guten Therapeuten besprechen und dass sie sich weitgehend öffnet.
Und auch, dass es der/die richtige ist.

01.12.2024 16:47 • x 1 #16


Trinidat
Hallo Verstelldichfix,
das ist eine schlimme Situation. Ich habe ein regelrechtes Trauma zurückbehalten von einer noch schlimmeren Situation mit meinem Sohn. Er hat jeden Tag schwer getrunken und wir mussten ihn jeden Tag aktiv vom Selbstmord abhalten, während er uns gegenüber sehr aggressiv war.
Was ich jetzt, Jahre später daraus gelernt habe ist Folgendes:

Das Kind muss selbst in die Verantwortung kommen. Es entsteht natürlich bei den Eltern der Eindruck: je mehr Hilfe von den Eltern das Kind bekommt, desto besser findet das Kind aus der Situation heraus. Nein , gar nicht! Das macht alles nur noch schlimmer. Das Kind muss lernen: Du bist selber für dein Leben verantwortlich, niemand anders. Wenn du die Kraft nicht aus dir selbst entwickelst, kann dir niemand helfen. Eltern können nur Hilfe anbieten, sobald das Kind diese wünscht, die Initiative muss aber vom Kind kommen.
Bei uns hat zu viel Hilfe nur das Gegenteil bewirkt und wir waren in dieser Zeit alle schwer depressiv.
Wenn das Kind sich umbringen WILL, wird es das sowieso tun, ihr könnt nur soviel tun, dem Kind zu vermitteln, dass ihr immer für es da seid, aber die Verantwortung bei ihr selbst liegt.
Macht euch doch bitte nicht kaputt! Ihr habt das Recht euch abzugrenzen und EUER Leben zu leben.
Bei uns war es so, dass sich die Situation durch diese klare Ansage (dass er für sein Leben selbst verantwortlich ist und unser zu uns selbst zurückgehen) entscheidend war bei der Veränderung zum Positiven.
Ich wünsche Euch viel Kraft!
Liebe Grüße

01.12.2024 18:29 • x 3 #17


A


Hallo Verstelldichfix,

Hilflos, Machtlos, Chancenlos?

x 3#3


Trinidat
Übrigens, ich weiß nicht, ob es für euch irgendwie nützlich ist., aber

In der Abiklasse meiner Tochter haben sich mindestens die Hälfte der Mädels in der Klasse und fast alle ihrer sonstigen Freundinnen geritzt und hatten Depressionen und dauernd von Selbstmord geredet ( meine Tochter, der es gut ging, war eher die Ausnahme) Irgendwie scheint das zuzunehmen gerade, warum auch immer.
Jetzt, wo sie aus der Schule raus sind haben alle einen guten Weg für sich gefunden (und ausnahmslos alle leben noch)

01.12.2024 18:43 • x 3 #18


Nuance
Noch immer 1. Advent und ich warte auf das große Jucken.
Die Erhöhung um 22 mcg auf 66 mcg Thyroxin meine ich deutlich gespürt zu haben.
Mehr Energie und eine subtil bessere Stimmung.
Ich habe K. - meine ehemalige Mitbewohnerin - spontan über WhatsApp angerufen und sie
hatte gerade Zeit.

Regelmäßig frage ich mich, ob ich zu deprimiert bin, um Filme gut zu finden.
Doch dieser hier hat mich schwer beeindruckt. Das wäre sicherlich auch bei 44 mcg Thyroxin so gewesen. Sehr spannend!

Ein herausragender Film. Die Unschuld 2023 Japan
https://www.dailymotion.com/video/x95tdce

01.12.2024 20:13 • x 1 #19


Verstelldichfix
Zitat von Nuance:
Warum wird es denn eigentlich immer schlimmer?

Hey. Naja, schlimmer, weil die Zeit wegläuft. Zumindest was Schule betrifft. Im Februar muss sie in Mathe mindestens 1 Punkt haben, sonst wird sie nicht ins 2 Semester versetzt. Wenn es so kommt, ja, dann ist das eben so. Kein Beinbruch. Aber sie macht sich den Druck selbst, weil sie nicht versagen will aus ihrer Sicht. Nicht wegen uns, wegen sich selbst und dem Umfeld, Klasse, Lehrer usw. Und ich glaube, dass sie sich wieder geritzt hat, zumindest sah es so aus.

Zitat von Nuance:
Vlt. könntet ihr euch auch mal vor eurer Tochter öffnen und beschreiben, wie sehr ihr euch sorgt - und dass es euch damit nicht gut geht.
Viele Jugendliche, insbes. Depressive, konzentrieren sich sehr auf sich selbst und bemerken oft nicht, dass sie durch ihr Verhalten andere verletzen, belasten etc.

Genau das wollen wir nicht machen. Das hat auch die Therapeutin gesagt. Damit erzeugen wir bei ihr ein schlechtes Gewissen und sie macht dann alles nicht mehr für sich sondern für andere.

Zitat von Nuance:
Sie ist nun bald 18. War sie nie alleine im Ausland?

Sie war noch nie allein überhaupt irgendwo, außer 30km weiter weg. Sie wollte letztes Jahr in den Ferien zu einer Freundin für eine Woche ins Ruhegebiet, aber die Eltern von ihr haben das nicht erlaubt. Ansonsten, nein. Sicherlich vermitteln wir auch ein wenig zu viel Angst hier und da, aber verbieten würden wir es nicht.

Zitat von Nuance:
Ihr seid wahrscheinlich sehr verunsichert: Verständnis, Nachgiebigkeit, Empathie - oder mehr Konsequenz.

Absolut! Und auch total an einer Grenze angekommen. Meine Frau weint sehr oft, auch weil sie sich eine Teilschuld gibt. Sie nennt es Selbstreflektion, aber eigentlich gibt sie sich nur selbst die Schuld. Das hilft aber nunmal nicht, macht es nicht besser. Ich kann das verstehen und mir geht es da ähnlich, auch wenn ich nicht so sehr Gefühle nach außen hin zeige.

Zitat von Nuance:
Wie würde sie darauf reagieren, müsste sie das Jahr wiederholen? Davor hatte ich panische Angst.

Würde ihr auch so gehen denke ich. Deswegen setzt sie sich selbst unter Druck, scheitert aber dann auch wieder an sich selbst. In Mathe hat uns die Lehrerin erzählt, würde sie sogar einen Punkt suchen, damit die Klasse geschafft wird. Dafür müsste dann aber auch was auf dem Zettel stehen...und das tut es nicht. Da ist eine Blockade so groß wie der Mount Everest. Sie wippt mit den Beinen, mit den Händen, bekommt eine Panikattacke und will eigentlich noch weg. Das letzte, woran sie denkt, ist Mathe. Sondern nur...sch., ich bin so dumm, so schlecht, so mies, ich kann nichts. Und in diesem Moment kann sie niemand auffangen. In diesem Moment fällt sie einfach in ein Loch und bleibt dann da. Das ist das wo wir nicht helfen können, wo sie selbst irgendwie einen Weg finden muss. Aber wie?

Zitat von Trinidat:
Er hat jeden Tag schwer getrunken und wir mussten ihn jeden Tag aktiv vom Selbstmord abhalten, während er uns gegenüber sehr aggressiv war.

Hey, das tut mir wahnsinnig leid zu lesen Ich kann mir nicht vorstellen, wie das sein muss. Vor allem, wenn ich jetzt schon an einer Grenze bin, an der ich nicht weiter weiß. Da bist du ja noch viel viel weiter gegangen. Dafür hast du meinen tiefsten Respekt! Sowieso alle, die in solch einer Situation sind, egal ob Familie oder selbst.

Zitat von Trinidat:
Das Kind muss lernen: Du bist selber für dein Leben verantwortlich, niemand anders. Wenn du die Kraft nicht aus dir selbst entwickelst, kann dir niemand helfen. Eltern können nur Hilfe anbieten, sobald das Kind diese wünscht, die Initiative muss aber vom Kind kommen.

Da gebe ich dir absolut Recht! Meine Frau und ich haben heute genau darüber gesprochen. Vielleicht war es einfach viel zu viel Beschützen und zu wenig alleine laufen...Wir werden die Angst einfach irgendwie verringern müssen, sie nicht zeigen und ihr muss letztlich selbst klar werden, dass sie auch Hilfe annehmen muss. Das wird dauern, aber teilweise macht sie es ja schon. Darf ich fragen, wie es mit euerm Sohn weiterging? Wie habt ihr mit ihm gesprochen? Gerade das Gespräch mit der Eigenverantwortung?


Zitat von Trinidat:
Irgendwie scheint das zuzunehmen gerade, warum auch immer.

Das Gefühl haben wir auch. In ihrer Klasse sind auch ein paar Mädels in Behandlung. Die Welt wird auch immer verrückter, vor allem seit Corona und auch seit dem Ukrainekrieg und den permanent schlechten Nachrichten in der Welt.

02.12.2024 00:22 • x 2 #20


Verstelldichfix
Hey, kurzes Update...heute wäre Nachhilfe online gewesen. Aber Madam hat gepennt. Kostet ja nur 150 Euro im Monat...und die nächste Matheklausur ist am 11.12. Ich frag mich wie sie das machen will...innerlich brodelt es in mir, auch meine Frau ist stark genervt. Wir versuchen es runterzuspielen, aber das wird langsam schwer.

Vielleicht muss sie auch einfach mal die negative Erfahrung machen.

05.12.2024 21:02 • x 1 #21


HDD
Zitat von Verstelldichfix:
Vielleicht muss sie auch einfach mal die negative Erfahrung machen.

Genau. Vielleicht solltet ihr euch einfach ein wenig zurücknehmen. Keine Kritik üben. Sie einfach ihr Ding machen lassen. Vielleicht braucht sie etwas Zeit, nachzudenken und ihr Innenleben in Ordnung zu bringen. Machen könnt ihr ohnehin nicht viel in Anbetracht der Situation.

05.12.2024 22:12 • x 1 #22


mutmacher
Hallo, lb. Verstelldichfix
Ich möchte Dir einfach mal meinen ganzen Respekt aussprechen, dass Du als nicht leiblicher Vater, Dich derart für Deine Stieftochter ins Zeug legst und sorgst.
War selbst in der Situation als Mutter einer Patchworkfamilie (ich brachte 3 Kinder in die Ehe, mein Mann auch 3 Kinder). Das waren keine leichten Jahre. Irgendwann entwickelte es sich dann so, dass ich meine Kinder und mein Mann seine Kinder erzog. Niemals wäre mein Mann auf die Idee gekommen, sich derart intensiv um meine Kinder zu sorgen wie Du das tust. Finde das also beachtlich und toll wie Du das machst.
Selbst der leibliche Vater meiner Kinder zeigte 0 Interesse an der Aufzucht seiner Sprösslinge.
Es waren sehr schwere Zeiten im Rückblick, aber alle haben dann doch irgendwie ihren Weg gefunden.
- Also, sieh es nicht so verbissen- auch Deine (Stief)-Tochter wird irgendwann irgendwie ihren Weg finden
und Dir nochmal ein ganz großes Kompliment für Deinen (gar nicht so selbstverständlichen) Einsatz.
Gruß vom Mutmacher

05.12.2024 23:16 • x 1 #23


Verstelldichfix
Hallo Mutmacher,

danke für deine Worte. Aber darauf kommt es mir hier gar nicht an. Ich kann damit eh nicht umgehen.

06.12.2024 09:12 • #24


Oli
Hallo @Verstelldichfix !

Ich bin der Meinung, hier im Thread noch nichts davon gelesen zu haben, dass Ihr als Eltern für Euch selbst Profi-Hilfe sucht.

Sei es jeder für sich, um selbst psychisch stabil zu bleiben oder eben auch als Familie.

Familienberatung gibt es von unterschiedlichen Trägern und werden auch ohne Überweisung vom Arzt durchgeführt. Da langt ein Telefonat zur Terminfundung.

Ich schicke Dir mal einen Link per PN als Beispiel einer Beratungsstelle, die ich persönlich kenne.

Die Fragen und Verunsicherungen sind ja sehr umfangreich. Da wäre es vielleicht gut, jemanden zu haben, der mit Euch erstmal sammelt und sortiert und entsprechend Adressen hat.

Auch allgemeinere Kriseninterventionsstellen gibt es in der Regel als ersten Ansprechpartner, der dann weiter vermittelt.

Grüße

06.12.2024 09:55 • x 2 #25


Verstelldichfix
Zitat von Oli:
Ich bin der Meinung, hier im Thread noch nichts davon gelesen zu haben, dass Ihr als Eltern für Euch selbst Profi-Hilfe sucht.

Da hast du recht, das haben wir noch nicht.

Aber ihre Therapeutin hat ihr geraten, sich um eine Klinik zu bemühen. Wir haben kurz darüber gesprochen, aber sie weiß nicht, ob sie das machen will.

06.12.2024 15:26 • x 1 #26


Oli
Zitat von Verstelldichfix:
sich um eine Klinik zu bemühen


Die Problemlage legt diese Überlegung sehr nahe.

Eventuell könnte eine stationäre Aufnahme auch aufschiebende Wirkung haben, was die Schule betrifft.

Da wäre auch die Frage, ob ein ärztliches Attest sowieso dafür sorgen könnte, dass sie das Jahr wiederholen darf bzw ihre Leistungen im Moment nicht feststellbar sind. Es kann natürlich auch sein, dass die Schule das nicht mitmachen darf oder will.

06.12.2024 15:43 • x 1 #27


Verstelldichfix
Zitat von Oli:
Da wäre auch die Frage, ob ein ärztliches Attest sowieso dafür sorgen könnte, dass sie das Jahr wiederholen darf

Haben wir mit der Klassenlehrerin besprochen. Aber das würde dann wieder bedeuten, dass wir uns kümmern würden und nicht sie selbst. Wir sollen uns ja zurückhalten eigentlich.

06.12.2024 16:00 • #28


HDD
Könnt ihr das evtl. mit eurer Tochter besprechen und sie kümmert sich dann darum, das mit der Schule klar zu machen? So würde sie sich kümmern. Ich meine, es spricht ja als Eltern nichts dagegen, sich trotzdem zu informieren (d.h. dafür zu sorgen, dass ihre Bemühungen dann auch klappen werden). Das muss man ihr gegenüber ja nicht so groß aufhängen, damit sie nicht das Gefühl bekommt, bevormundet zu werden bzw. Helikoptereltern zu haben.

06.12.2024 16:49 • x 1 #29


A


Hallo Verstelldichfix,

x 4#15


Verstelldichfix
Ja, das ist der Plan. Aber es gestaltet sich sehr schwierig. Sie kümmert sich selbst nicht. Sie braucht alles vorgekaut. Von allein kommt nichts, keine Ideen, keine Fragen, keine Ahnung, wie sie was angehen soll. Wir haben einfach komplett versagt.

08.12.2024 13:06 • x 1 #30

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