Hallo,
nachdem mir hier von so vielen lieben Menschen geholfen wurde, finde ich es nur richtig zu erzählen wie es aktuell bei mir aussieht.
Habe ja erzählt, dass ich wieder zur Schule gehe und mein ABI nachhole. Zwei Jahre sind jetzt schon rum, mein Fachabi habe ich schonmal mit einem Schnitt von 1,9. Nächstes Jahr im April sind dann die ABI Prüfungen. Nebenbei gehe ich noch arbeiten bei einer Supermarktkette an der Kasse um mir die Schule usw. finanzieren zu können.
Zur Zeit sind noch Ferien, noch ca. 2 Wochen, dann geht es wieder los, und ich habe angst. Ich habe das vergangene letzte halbe Jahr schon stark an Leistungen nachgelassen, immer wieder hatte ich Rückfälle die immer heftiger ausfallen. Mal habe ich mich eine Zeit lang selbstverletzt, jedoch nicht ernsthaft nur oberflächlich, ein anderes mal habe ich vor der Schule getrunken um den Tag zu überstehen, hat aber nicht lange funktioniert, die ersten male hat es noch funktioniert, später habe ich keine Wirkung mehr gespürt, nur Schwindel. Die Rückfälle zeigen immer das gleiche, Aggressionen gegen mich selbst, Selbsthass und Depressionen.
Meine Therapie ist im März ausgelaufen, nach zwei Jahren, jetzt sehe ich meinen Therapeuten nur nach Vereinbarung alle 2 Monate. In der Schule habe ich einen Vertrauenslehrer mit dem ich ab und zu reden kann, aber er ist eben auch mein Lehrer, daher halte ich mich stark damit zurück was ich ihm erzähle und wie oft. Er hat mir seine Nummer gegeben und mir angeboten ihn ruhig mal in den Ferien anzurufen, sich mal zu treffen o.ä., aber das mache ich nicht, das kann ich nicht, hab ihm auch gesagt, dass ich das sehr nett von ihm finde, dass er es aber nicht persönlich nehmen soll wenn ich mich nicht bei ihm melde. In den letzten Jahren habe ich immer mehr darauf geachtet wann und wem ich wie viel und was erzähle. Und obwohl ich eine gute Freundin auf der Schule habe, die mir immer wieder schwört, dass ich ihr ruhig, egal wie oft, mit meinen Problemchen auf den Keks gehen darf, dafür seien Freunde da, schließlich macht sie es umgekehrt genauso, sie erzählt mir alles und oft, kann ich es nicht. Ich kann das nicht. Als hätte ich einen dicken Klos im Hals, als stünde ich auf der Bühne und würde aus lauter Lampenfieber keine Wort herausbekommen.
Meine Familie weiß von allem dem nichts. Die glauben mir ginge es nach drei Jahren wieder gut, hätte einen großen Freundeskreis und die eine oder andere heimliche Freundin wird mir auch immer wieder nachgesagt. Aber von alle dem stimmt nichts. Ich lasse sie in dem Glauben. Es war schon schlimm genug als sie von meinen Depressionen erfahren mussten, noch mehr kann und will ich ihnen nicht zumuten, zumal sie selber ernste Probleme haben und meine Hilfe brauchen.
Es ist Merkwürdig, in der Schule mögen mich (fast) alle, ich genieße dort ein positives Image. Ich selber mag die Leute auch, man kann viel mit ihnen lachen, reden, arbeiten usw. Eben so wie man es sich im Idealfall vorstellt. Doch ist der Schultag vorbei, ist es auch mit der Gesellschaft vorbei. Als würde der Vorhang geschlossen werden und alle die gerade noch gemeinsam auf der Bühne ein Schauspiel gespielt haben, gehen nun auseinander. Jedoch gehen sie in Gruppen auseinander. Ich habe gesehen wie sich in kürzester Zeit Freundschaften und Gruppen gebildet haben, Leute mit den gleichen Interessen, extrovertierte Leute, leichtlebig. Sie verabreden sich in Lichtgeschwindigkeit, mehrere haben bereits einige romantische Beziehungen untereinander geschlossen.
Und ich bin wütend, traurig, hänge fest in der Spirale, Wütend auf mich selbst, weil ich es nicht verstehe, weil ich es nicht kann, weil ich unfähig zu seien scheine, oder die Dinge falsch wahrnehme und vielleicht doch nicht so gemocht werde wie es immer aussieht. Traurig, weil ich einsam bin, immer noch, mich wertlos und (sorry für dieses schmalzige Wort) ungeliebt fühle, überflüssig, nichtssagend und uninteressant. 6 1/2 Wochen Ferien und nur einen Tag davon habe ich mit einer Freundin aus der Schule verbracht, den Rest bin ich alleine, schaue TV, höre Musik, mache Musik etc. Und obwohl mir immer die wundersamsten Eigenschaften nachgesagt werden, frage ich mich, wo sie sind? Als ob jemand in Mathe regelmäßig 5er schreibt und ihm trotzdem nachgesagt wird, er sei gut in Mathe. Ich verstehe so etwas nicht. Entweder liegen die anderen falsch, oder ich liege falsch, bin aber unfähig meine guten Eigenschaften zu nutzen. Ich hasse es alleine zu sein, ich kann es nicht mehr ertragen, von Tag zu Tag wird es immer schwieriger und ich weiß nicht wie viel Kraft ich noch aufbringen kann. Und ich weiß, dass es an mir liegt. Und obwohl ich laut meinem Therapeuten in den letzten 2 Jahren eine enorme Persönlichkeitsveränderung vollzogen haben soll, zum positiven (seine Worte, nicht meine), stehe ich immer noch am selben Punkt wie vor 2 Jahren. Wie ein Problem bei einem Computer. Es kann unglaublich viele gründe für das Problem geben, man vollzieht alle möglichen Veränderungen, nimmt andere Systemeinstellung vor, tauscht Komponenten aus, probiert alle möglichen Tricks und Ratschläge aus, manche die durchaus viel Mut benötigen, doch das Problem bleibt, es geht einfach nicht weg, und man verzweifelt.
Und täglich wird mir von neuem bewusst, wo ich stehe und wer ich bin bzw. zu wem ich geworden bin. Ich treffe alte Klassenkameraden, sehe was sie heute machen, sind verheiratet, haben Kinder, planen Häuser zu bauen, machen Karriere, haben einen festen Freundeskreis, fahren gemeinsam in den Urlaub uvm., sie sind erwachsen, und wenn auch jeder von ihnen seine eigenen Probleme hat, so haben sie alle für ihr Alter dennoch den angemessenen Entwicklungsgrad erreicht, ich dagegen sehe mich immer noch beim Stand eines 10jährigen.
21.08.2013 22:45 •
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