AnnaX
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Ich habe vor einigen Jahren einen Mann im Internet kennengelernt. In anfänglicher Naivität dachte ich, dass dieser Mann etwas Besonderes und sehr interessiert sei, mehr über mich zu erfahren und das der Grund sei, warum er nie von einem Treffen sprach.
Nach drei Wochen sehr, sehr intensivem Kontakt stellten sich erste Zweifel ein und ich begann zu hinterfragen, was los sei. Nach anfänglichen - für mich sehr unbefriedigenden - Erklärungsversuchen, dass es zu schnell gehen würde, stellte sich eine PTBS heraus.
Wir verbrachten sechs Monate in denen wir einander virtuell sehr intensiv kennen lernten. Wir lebten in (einer Art) Beziehung ohne einander je gesehen zu haben. Ich stellte sogar fest, dass er eifersüchtig war, weil ich fortging und natürlich auch Männer kennenlernte. Das alleine klingt schon total verrückt und lässt mich an mir selbst zweifeln.
Dann hing ich irgendwann selbst genau in der Ohnmacht, die für ihn der Grund ist, sich nicht real mit Frauen treffen zu können.
Ich beendete den Kontakt auf Etappen, bis es eines Tages soweit war, dass er nicht mehr reagierte.
Nach ein paar Jahren schrieb ich wieder, einfach nur, weil ich wissen wollte, wie es ihm ging.
Seit ca. einer Woche haben wir wieder Kontakt und machen mehr oder minder dort weiter, wo wir aufgehört haben.
Ich habe viele Fragen, die er beantwortet aber letztlich verstehe ich absolut nichts. Er klingt total normal, ist sehr witzig und intelligent, sodass man nicht auf die Idee käme, dass was nicht normal ist.
Gleichzeitig ist nichts normal. Er hat keinerlei reale Kontakte, lebt (über 40 und nach Corona) wieder bei den Eltern und geht auch keinem normalen Job nach.
Mir ist bewusst, dass er - selbst dann, wenn er sich geheilt fühlt - nicht mehr in ein normales Leben zurück kann, weil er Jahre der Normalität verloren hat, und nicht mehr zurück kann.
Ich selbst habe höchstwahrscheinlich auch irgend eine Art von Störung, denn auch mein Leben verlief abnormal. Nahezu immer beziehungslos und ohne tiefere Bindungen. Der Unterschied zwischen uns beiden ist, dass ich es gar nicht anders kenne, weil meine (vielen) Traumata in der Kindheit passierten, wohingegen er vor dem schwer traumatisierenden Ereignis ein normales, sehr erfolgreiches Leben führte. (Ich führe TROTZ der Traumata ein beruflich erfolgreiches Leben, in dem Leistung einen hohen, anerzogenen Stellenwert hat.)
Ich bin gefangen in dieser Situation, weil ich lieber (virtuell) mit als ohne ihn bin. Gleichzeitig sehne ich mich nach einer realen Begegnung.
Schon ohne PTBS ist es schwierig, sich noch zu treffen, wenn man bereits sehr lange Zeit virtuell Kontakt hatte und alles von einander weiß.
Er tut mir gut und schlecht.
Ich tu ihm gut - aber belaste ihn vielleicht auch.
Ich weiß, dass es für ihn kein Zurück gibt, wenn ihm nicht jemand hilft. Nicht weil ich mich für so heroisch halte, sondern weil ich weiß, dass ein Leben, das aus dem Nichts besteht, keine Basis für mehr ist. Er hat auch bereits (und das klang sehr verzweifelt) eingestanden, dass er nichts zu bieten hat (im Sinne von männlichen Erfolgen), von denen Männer annehmen, sie besitzen zu müssen, um Frauen zu beeindrucken. (Und in gewisser Weise ist das ja auch richtig, denn man will auch beziehungstechnisch weiterkommen)
Wie geht man mit einer ausweglosen Situation um, deren Ende (abermals) vorprogrammiert ist?
Was braucht der Mann, um vorwärts zu kommen? Was sind Deine tatsächlichen Gedanken (die er nicht preisgeben kann, weil er sich damit völlig *beep* und männlich unattraktiv machen würde?)
Übrigens: er schiebt neben des tatsächlichen Grundes (Angst vor der Ohnmacht in einer Beziehung) alle möglichen Gründe vor (Entfernung - die in Wahrheit lächerlich ist, Lebensart, die in Wahrheit fast ident ist) vor - um mich auf Abstand zu halten und genießt gleichzeitig meine (virtuelle) Anwesenheit.
Ich bin für jeden Input dankbar!