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Krankgeschrieben wegen Burnout - Arbeit & Job?

S
Hallo Alle,

ich bin nun seit 3 Wochen von meinem Hausarzt krank geschrieben. Diagnose fix und fertig.
Bereits vor 2. Jahren hatte ich schon einmal einen Zusammenbruch und wollte Kontakte zu Fachärzten herstellen. Das ist jedoch nicht so einfach, da ich höchstens auf die Wartlisten gekommen wäre. Was nützt mir das aber, wenn ich sofort Hilfe brauche ?
Nun ist es wieder so weit. Meine bessere Hälfte hat mir einen Termin beim Psychater gemacht. Der ist in der kommenden Woche. Wird der Psychater mich weiter krank schreiben ? Ich habe momentan nicht die Kraft am Arbeitsleben teilzunehmen.
Zu meiner Person: Familienvater.tolle Frau, zwei tolle Kinder, Hund, verantwortungsvoller Job, 20 Jahren ohne Arzt ausgekommen, da Indianer ja keinen Schmerz kennen.
Was passiert beim Psychater ?

Gruß schnubbel

06.02.2011 19:39 • #1


R
hallo schnubbel,

herzlich willkommen bei uns.

es ist immer schwierig mit den wartelisten, die es inzwischen bei allen guten psychologen gibt, wenn man(n) sofort hilfe braucht.

ich will versuchen deine fragen zu beantworten.

wenn du momentan nicht die kraft hast am arbeitsleben teilzunehmen, kann dich dein psychiater weiter krankschreiben.

er ist ja nichts anderes als dein hausarzt, nur hat er sich spezialisiert und vielleicht noch etwas länger studiert.

vermutlich weißt du, dass du 6 wochen lohnfortzahlung bekommst. dann bekommst du krankengeld. auch hier kann dich ein arzt,
egal welcher art weiter krank schreiben.

Zitat:
Was passiert beim Psychater ?


hier kann ich nur mutmaßen und erfahrungswerte weitergeben, sonst könnte ich ja hellsehen.

vermutlich wird er die was medikamentöses verschreiben.

jenachdem, ob du etwas aufgewühlt bist etwas beruhigendes oder im umgekehrten falle was antriebststeigerndes.

versuche hier offen zu sein auch wenn du 20 jahre keinen arzt benötigt hast und als alter indianer keinen schmerz kennst.

aber es gibt momente im leben, wo es nicht mehr ausreicht die dämpfe der friedenspfeife einzuatmen.

JETZT ist vermutlich solch ein moment in deinem leben.

schnubbel, aus eigener erfahrung kenne ich die ungeduld, die du im moment empfindest.

du möchtest diesen zusatnd nicht und du möchtest ihn abstellen - SOFORT.

ich möchte dich nicht entmutigen aber ich mußte auch lernen geduldig zu sein. es ist einer der schwersten lernprozesse, den ich durchleben mußte.

aber er hatte auch etwas gutes. auch wenn du im momnet noch nicht erkennen kannst, was es an positives für DICH bringt.

hast du auch einmal über eine stationäre behandlung nachgedacht?

dies wäre natürlich wesentlich intensiver und vielleicht im moment eine alternative für dich.

berichte doch nächste woche nach deinem termin, wie es gelaufen ist.

bis dahin viel kraft und durchhaltevermögen.

06.02.2011 19:56 • #2


A


Hallo schnubbel,

Krankgeschrieben wegen Burnout - Arbeit & Job?

x 3#3


S
Lieber Rainer,

vielen Dank für deine aufmunternden Worte.
Es ist halt sehr schwer nicht, wie gewohnt, stark sein zu können !
Sich in Geduld üben fällt schwer wenn man ein Leben auf der Überholspur geführt hat. Nun überholen mich die anderen. Ich nehme deine Antwort als 1. Lektion auf dem Weg zu einem bischen mehr Lebensgefühl und
berichte in der kommenden Woche.

Lg Schnubbel

06.02.2011 20:10 • #3


R
Hallo schnubbel,

ja, manchmal ist die größte stärke schwäche zu zeigen.

du schreibst, du hast eine tolle frau. wenn du die letzten 20 jahre stark warst und ihr immer eine schulter zum anlehnen geboten hast,
kenne ich kaum eine frau, die jetzt nicht dir diese starke schulter bietet und dir erlaubt schwach zu sein.

ich glaube jedoch nicht, dass deine frau damit das problem hat dir dies zu geben sondern viel mehr du dies anzunehmen.

es ist ein lernprozess. es wird nicht sofort und nicht von heute auf morgen gehen. aber wenn du es erkennst und es annimmst, schaffst
du die voraussetzungen, dass es klappen wird.

laß die anderen dich ruhig überholen - auch sie können nicht ständig auf der überholspur fahren - keiner kann das.

diejeniegen, die du bisher überholt hast haben diese lektion schon hinter sich. die, die dich überholen haben sie noch vor sich.

also, bist du schon eine erfahrung reicher und wirst lernen, dass nichts passiert - auch nicht, wenn du mal eine zeitlang auf dem standstreifen stehst.

ich habe viele kennengelernt, die den wunsch geäußert haben, dass alles wieder so wird wie vorher.

aber hat nicht genau dieser zustand dazu gefürt, dass es zu dem burn out kam - also lief doch etwas schief, oder?

was bei dir schief lief, wird sich noch herausstellen - vielleicht weißt du es auch zum teil schon...

06.02.2011 22:42 • #4


S
Hallo Alle,

hier der versprochene Bericht vom 1. Arztbesuch.

Die Nacht vor gestern, sowie den Vormittag, beschäftigten mich Gedanken über die Richtigkeit der Entscheidung mein Schicksal in die Hände eines Psychaters zu legen.
Bis her habe ich doch noch immer selbst alles hin bekommen ! Es fühlt sich an wie eine Niederlage. Wie erkläre ich mich den Kindern, dem Arbeitgeber ?
Frei nach dem Motto des Hausarztes arbeite ich an einer Sch... egal Einstellung.

So es ist soweit. Eine Stunde vor dem Termin umschleiche ich bereits die gegoogelte Praxis der Nichtbegierde (Psychater), um die Stellung dessen zu beurteilen, der mich von nun an die Hand nehmen soll.

Das Wartezimmer ist voll. Einer geht ununtebrochen von einer Zimmerwand zur anderen. Oh Gott. Meine Gedanken schwanken zwischen Mitleid und bist du hier richtig.
Eineinhalb Stunden nach Termin (da ist wieder die 1. Lektion Geduld) begrüßt mich dann der Arzt. Eine kleine Ewigkeit stehen wir Auge in Auge gegenüber und schütteln uns die Hände. Der erste Kontakt. Ein selbstbewuster, strahlender Blick und ein energischer, nicht zu leichter und zu kurzer/ langer Händedruck, begleitet mit einer oberflächlich, freundlich vereinamenden Begrüßungsformel, wie gelernt, wollen mir hier nicht gelingen. Meine Schultern hängen, die Knie sind weich und der Blick dringt durch meine glasigen Augen bis in meine tiefstes Inneres, bevor ich nur ein Wort gesagt habe.
Na, was ham mer denn ?
Sorry, ich funktioniere nicht mehr !
Im Gespräch versuchen wir zu erarbeiten, ob ich eine Depression habe oder die D. eine Folge des Burnout ist. Wir kommen vorerst zu keinem Ergebnis, da ich ehrlich gesagt nicht in der Lage war den Gedankengängen so schnell zu folgen. Ich kann die Ursache meiner Litargie halt im Moment nicht ergründen.
Im Laufe des Gespräches bilde ich mir ein das der Blick des Arztes immer trüber wird und empfinde soetwas wie Mitleid. Im Nachhinein habe ich Hochachtung vor so einem Job.
Wir sprechen verschiedene Möglichkeiten der Ursachenforschung durch und ich entscheide mich für eine Tagesklinik in Verbindung mit einem Medikament (Citopalg.... ? )
und Psychlogischer Begleitung. Das Medikament soll mittelfristig den Abfluss der Glückshormone verlangsamen. Ich hoffe, das ich dann nicht gibbelnd durch den Tag schleiche !
Ich fühle mich zwangsentschleunigt, wie eine gebremster Schwung ( Der gebremste Schwung begleitet mich seit einer Kunstklausur in Klasse 12), wie eine Vollbremsung auf der Autobahn. Es fühlt sich gut an !
So nun fahre ich in die Apotheke um das Medikament abzuholen. Das war gestern nicht vorrätig. Wohl vergriffen. Der Arzt sagte mir auch schon, das ich bereits der 3 Patient in dieser Woche mit diesen Symptomen sei.
Dann muss ich mich noch für ein Vorstellungsgespräch in der Tagesklinik anmelden, sowie einen Psychotherapeuten aus der Liste suchen, der mich dann zusätzlich weiter betreuen soll.
Mein Hund beobachtet mich seit einer geschlagenen Viertelstunde und fordert mit forschem Blick und Engelsgeduld seinen Morgenspaziergang ein, den ich seit meiner Krankschreibung eigenmächtig auf den Vormittag verschoben habe. Dem wird das Wasser bis zum Hals stehen.
Mal schauen was ich heute noch alles erledigen kann. Den Rest verschiebe ich sonst halt auf Morgen.

Gruß Schnubbel

09.02.2011 09:51 • x 1 #5


R
hallo schnubbel,

das sind ja interessante neuigkeiten.

berichte doch, wie es weiter geht.

10.02.2011 22:01 • #6


F
Hallo Schnubbel,

nun will ich mich als Frau doch auch mal in dieses Zwiegespräch unter Männern einmischen (Frauen mischen sich ja gern ein ;-).
Mit Interesse und vielen Achja!-Effekten las ich Deine Schilderungen und fühlte mich so....gut widergespiegelt.

Oh ja, vor einem Jahr ging es mir auch so. Zwangsentschleunigt - dieses Wort passt. In den ersten sechs Wochen meiner Arbeitsunfähigkeit machte ich nichts. Gar nichts. Ich surfte sinnlos (oft auch sinnvoll) im Netz rum und erledigte mal gerade die notwendigsten alltäglichen Hausarbeiten. Ich gab alle Entscheidungen vollkommen aus meiner Hand. Ich konnte nicht entscheiden! Mein Mann und meine Hausärztin übernahmen dann die Verantwortung über mich, über alle weiteren Schritte, die mich betrafen, meinen Zustand, selbst der Essenplan fürs Wochenende gelang mir nicht und wurde mir abgenommen.
Im Nachhinein betrachtet, denke ich, dass dies auch eine gute Zeit war. Denn ich war ein Stück weit wie ein Kind: ohne Verantwortung für jemanden, nicht mal für mich selbst, ohne Entscheidungen, einfach in den Tag leben.
Die einzige Zeit, in der ich mich normal fühlte, waren die Runden mit meinem Hund. Es kostete mich große Überwindung, mich anzuziehen und rauszugehen, aber wenn ich dann erstmal unterwegs war, war es gut.
Den Termin beim Psychiater machte ich auf Anraten meiner Hausärztin bald aus, jedoch musste ich darauf etwa acht Wochen warten. Was ich dort erlebte, möchte ich nicht schildern. Jedenfalls war der Besuch dort nicht annähernd so angenehm wie Du es erlebtest.
In einer Klinik wollte ich mich anmelden: im Februar rief ich an: Wartezeit bis Oktober.
Und ich wollte arbeiten. Unbedingt. Geduld habe ich nicht.
Ein Arbeitsversuch nach etwa sechs Wochen scheiterte kläglich (nach einer Stunde zweifelte ich an mir, kämpfte dann noch etwa eine Stunde mit einer Entscheidung und nach zwei Stunden verließ ich meinen Arbeitsplatz).
Mit Yoga und Jogging versuchte ich entgegenzuwirken. Ich machte alles, was mir möglich erschien.

Ich denke, es ist vorbei. Ich fühle mich auch nicht mehr grenzwertig, weiß aber, dass es nächste Woche ganz anders aussehen kann.
Was mir half?
Wer mir half?
In erster Linie mein Mann, der niemals Druck ausübte, immer Verständnis hatte, mich immer nahm, wie ich mich fühlte.
Mein Hund, der mir durch Laufrunden ein normales Lebensgefühl gab.
Meine Hausärztin, die mich super beriet und begleitete.
Meine Jungs, die mich einfach unbekümmert nahmen, wie ich war.
Mein Chef und meine Arbeitskollegen, die mir die nötige Stabilität, was meinen Arbeitsplatz anging, gaben.

Nach guten drei Monaten Arbeitsunfähigkeit begann ich eine Wiedereingliederungsmaßnahme. Vier Wochen später arbeitete ich wieder volltags.

Geduld? Nein, die habe ich nach wie vor nicht.
Änderung in meinem Leben? Nicht wirklich.
Mehr Selbstbewusstsein machte ich mir zu eigen, mehr ich und weniger meine Schüler, mehr Selbstliebe. Und ein Vertrauen, dass es immer weitergehen wird. Und dass ich Menschen an meiner Seite habe, die mich tragen.

Ich wünsche Dir viel Kraft und gute Begleiter auf Deinem Weg.
Viele Grüße
FreieHeide

13.02.2011 17:55 • #7


S
Hallo FreieHeide,

vielen Dank für deinen positiven, Mut machenden, Bericht.
Wie du das geschafft hast, finde ich beeindruckend. Wie beschrieben, ist der Weg zu mehr Ich wohl ein wesentlicher Schritt in die richtige Richtung.
Diesen Weg will ich auch suchen !
Du sagst, geändert hast du in deinem Leben nicht viel. Schreit der Körper aber nicht förmlich nach Veränderung, wenn er seinen Dienst verweigert ?
Ich kannte das vorher auch nicht. Man hat in seiner Rolle zu funktionieren. Soziales Einbringen in eine immer mehr verrohende Gesellschaft, in der es keine Werte mehr gibt,
ehrenamtliche Jugendarbeit neben Job und Familie, all das waren meine Prioritäten. Lange bin ich dafür eingestanden, aber nun kann ich nicht mehr.
Ich will zu Ruhe kommen, wieder frei denken können, leben und vor allem, das auch fühlen.
Wenn ich wieder stark bin, will ich meine Rolle neu definieren. Auch als liebevoller Ehemann und Papa, auch als nützliches Mitglied in der Gesellschaft, auch als Trainer und Jugendleiter im Ehrenamt, aber halt irgendwie anders. Ich will mich bei den ganzen Aufgaben nicht vergessen, Mensch sein und kein emotionales Wrack, das zu keiner anständigen Kommunikation mehr fähig ist. Weil das hat der beschrittene Lebensweg aus mir gemacht !
Will mich wieder freuen über Kleinigkeiten, lachen, Gefühle empfinden und diese mit stolz geschwellter Brust auch jedem zeigen wollen.
Irgend etwas ist schief gelaufen, nun will ich mich nicht länger hinter der Maske eines funktionierendem Menschen verstecken. Ich schaffe es nicht selbst daraus zu kommen. Der Akku ist leer.
Schlimm ist nur, das ich mich halbwegs dafür schäme und ein schlechtes Gewissen der Gesellschaft gegen über habe.
Vielleicht muss man sich von Zeit zu Zeit hinterfragen und neu definieren. Alles ist im Wandel und das immer schneller. Ich bin auch nicht mit allem einverstanden, was die multimediale Welt mit sich bringt. Es wird nicht alles schlechter, aber anders halt.
Nein, nein ich bin kein Schwarzseher, will mich nur neu entwickeln, neu einordnen und wieder leben ohne mich dabei gänzlich verbiegen zu müssen.

Liebe FreieHeide, lieber Rainer,

ich nehme eure hilfreichen Ratschläge mit auf eine Entwicklung dessen Ziel ich noch nicht kenne. Im Moment treibe ich Flussabwärts und hoffe auf die Hilfe der Ärzte, um eines Tages wieder gegen den Strom schwimmen zu können !

Lg Schnubbel

13.02.2011 19:28 • #8


F
Hallo Schnubbel,

danke für Deine Antwort und Deine Offenheit.
Ja, es stimmt...der Körper versagt seinen Dienst. Aber: muss unser Körper uns dienen? Sind nicht vielmehr wir in gewisser Art und Weise verpflichtet, mit unserem Körper pfleglich umzugehen? Aber gut....
Veränderung? Was SOLL ich verändern? Was KANN ich verändern?
Auf die erste Frage fallen mir spontan mehrere Antworten ein. Auf die zweite Frage ....da wird es schwieriger. Familie, Haus, Grundstück, Hund, Job....was soll ich davon aufgeben?
Nein, ich WILL davon nichts aufgeben, weil all das MEIN LEBEN ist. Es ist das, was ich liebe. Das, was mich trägt. Das, was ich brauche.
Veränderung? Ich glaube, ich habe mich geändert. Wahrscheinlich unwesentlich für andere Menschen. Aber wesentlich für mich.

Und ja! Du hast Recht! Ich möchte mich so gern engagieren für....dies...und.....das....und....jenes. Weil auch ich ein Kämpfertyp bin. Meine Überzeugung ist, dass man nicht alles so hinnehmen darf. Dass man sich einmischen soll, einmischen muss. Und ich wollte noch mehr....mehr einmischen, mehr streiten, mehr arbeiten, mehr überzeugen, mehr kämpfen....
Allein....mir fehlt die Kraft dazu. Ich schaffe es nicht! Wenn ich es (wieder) machen würde, dann wäre ich wieder da, wo ich vor einem Jahr war. Dann funktioniere ich nicht mehr. Nicht fürs Kämpfen und nicht mal für meine Familie.

Ist es also nicht sinnvoller in meinem eigenen kleinen Kreis Veränderungen anzustreben? Zum Beispiel, dass ich meinen Kindern Werte vermittle. Und meine Kinder diese Werte dann weitervermitteln. Und diese dann wieder weiter....
Zum Beispiel, indem ich versuche, aus meinen Schülern gute Pflegekräfte zu machen (ich arbeite an einer Berufsfachschule). Streitbare, kritische Pflegekräfte. Kompetente Pflegekräfte, die mehr als nur Herz haben. Wenn ich am Ende der Ausbildung sagen kann: zwei oder drei Schüler haben dies geschafft, dann bin ich zufrieden. Dann ist dies auch mein Verdienst.
Ich versuche, für meine eigene kleine Welt zu kämpfen. Nicht für die große ganze!

Dann retten wir die Welt eben nicht. schrieb mir mal eine Bekannte.

Und wenn meine Kinder aus dem Haus sind, und wenn ich dann vielleicht eine gewisse Leere spüre, dann, ja dann werde ich wieder anfangen zu streiten; für andere kämpfen.

Solange werden mir ausschließlich meine Familie und meine Freunde wichtig sein. Nur um sie will ich mich sorgen, mich kümmern, mich einsetzen. Für mehr Menschen reicht meine Kraft (zur Zeit) nicht.

Wenn ich wieder stark bin....so hast Du es geschrieben.
Und genau so sehe ich es auch. Okay, ich fühle mich jetzt stark, aber meine Stärke reicht nur für meine Welt, für mehr leider nicht.
Und nein, ich will deswegen kein schlechtes Gewissen haben (das gelingt mir nicht immer).
Oh ja, mir ergeht es ähnlich wie Dir. Aber was bin ich der Gesellschaft wert, wenn ich mit Burnout zu Hause sein muss?
Und ich denke, dass ich unserer Gesellschaft einen guten Dienst erweise, indem ich meine Kinder zu guten Menschen erziehe. Dass ich auf diese Art und Weise einen Beitrag - einen mir (!) möglichen Beitrag - leiste. Ist dies nicht genug?

Mich hinterfragen? Ach, wie oft tat ich das! Nur gut tat es mir oft nicht. Ich zweifelte an mir; an meiner Arbeit anstatt mal mit der Faust sinnbildlich auf den Tisch zu hauen.
Nein, ich bin nicht für alles verantwortlich! Und das ist / war mein Knackpunkt. Mein für-alles-und-jeden-verantwortlich-fühlendes Handeln trieb mich dahin, wo ich war.

Heute versuche ich, Verantwortung aus meiner Hand geben zu können. Dies gelingt mir nicht immer. Aber der Satz Das ist mir egal. geht immer leichter von meinen Lippen. Deswegen hinterfrage ich trotzdem mein Tun und zwar immer an erster Stelle!

Dazu kommt noch ein Jetzt!-Gefühl. Jetzt! ist mir wichtig. Dieser Moment! ist mir wichtig. Heute! ist mir wichtig.
Weniger an morgen denken, was sein könnte. Weniger an gestern denken, an das was war und nicht mehr zu ändern ist.
Sondern Jetzt! leben. Den Augenblick sehen und genießen.
Per Zufall geriet mir heute ein Zitat aus dem Buch Die geschützten Männer von Robert Merle in die Hände. Er schrieb:
Der Mensch macht den Fehler, die Hälfte seines Lebens damit zu vertun, dass er in Hoffnung oder in Furcht vor dem kommenden Tag lebt. Ohne jeden Aufschub wird er von Termin zu Termin gestossen, und durch das unaufhörliche Warten verliert er seine Fähigkeit, die Gegenwart zu genießen.

In diesem Sinne alles Gute für Dich. Lass Dich treiben und genieße es, einfach nur mitzuschwimmen. Deine Frau und Deine Kinder sind Deine Wellen, die Dich tragen. Und sie sind Dein Rückenwind, die Dich vorantreiben, wenn Du (!) es kannst.
Viele Grüße
FreieHeide

14.02.2011 20:07 • #9


F
Lieber Schnubbel,

schon oft fragte ich mich in den letzten Tagen / Wochen, wie es Dir ergangen sein mag.
Magst Du berichten?

Viele Grüße
FreieHeide

15.03.2011 06:02 • #10


S
Hallo freieheide,

danke deiner Nachfrage. Ich war mehrfach versucht dir zu antworten.Aber dein Bericht klingt so entschlossen, so einfach umsetzbar, das ich ein wenig konstaniert war. Habe oft überlegt, was ich antworten könnte. Ich fühlte mich aber so klein, so erbärmlich mit meinen Wehwechen. Dabei weiß ich, das Du mir nur Mut machen willst.
Wie es mir ergangen ist. Ich bin medikamentös eingestellt und in therapeutischer Behandlung.
Das Medikament fühlt sich an, als wenn man meinen Kopf mit Watte ausgestopft hätte. Ich bin ruhiger geworden und spüre nicht mehr jeden Tag ein schlechtes Gewissen. Meine Begleitsympthome sind ebenfalls etwas zurückgegangen.
Mit meinem Therapeuten komme ich ganz gut klar. Erzähle ihm Dinge, die ich noch nie ausgesprochen habe. Mir ist jedoch klar, das dies nur eine Reise zum eigenem Ich sein kann. Das man sich einmal selbst beobachtet und spürt, um Dinge daraus ableiten zu können. Er kann mich halt nicht ans Händchen nehmen.
Ich treibe immer noch mit dem Strom. Denke zwar ab und zu daran eine Plan für mein Leben nach dem Burnout zu machen, aber die Watte im Kopf lässt das nicht zu. Schaffe im Moment nur die nötigsten Dinge und versuche mich über Kleinigkeiten zu freuen. Von einem starkem Ego bin ich noch weit entfernt. Fühle mich eher jämmerlich.
Ich habe mich in der Schön Klinik Bad Arolsen angemeldet und warte nun auf einen Termin.
Ja, ich habe schon einige Dinge über mich erfahren, einige Dinge erkannt, jedoch finde ich auch hier den Schalter für die Veränderung nicht. Es bedarf Kraft, um etwas zu verändern. Kraft habe ich jedoch noch nicht. Und das macht mir am meisten zu schaffen. Ich war doch immer der Besonnene, der Entscheider, der Zähe, der Kämpfer.
Warum kann ich die Problemlösungsstrategien nicht bei mir selbst anwenden ? Ich denke Geduld ist ein riesen Thema um aus diese Krise zu überwinden, weil mich selbst betrügen möchte ich nicht mehr. Mich wieder hinter dieser Maske der Stärke und Souveränität verstecken. Das hat mich in den letzten Jahren ausgezehrt.
Ich will wieder zurück zu einer gewissen Leichtigkeit im Leben, das geht nur wenn ich mich auch über Dinge freuen kann.
Ich versuche im Moment jeden sonnigen Tag zu empfinden, zu fühlen, und habe erst gerade ein paar bunte Blumen an meinen Teepausenstuhl im Garten gepflanzt. O.K., die farbliche Abstimmung musste meine Frau kurz wegatmen, aber ich bin halt ein Mann.
Ich bin so harmoniebedürftig ! Jede kleine Aufregung bringt mich schnell wieder in einen handlungsunfähigen Zustand, als ob der Körper gleich wieder auf die Bremse steigt, weil er fürchtet, das nun alles wieder im altem Trott weiter läuft.
Ich glaube ich brauche einfach noch etwas Zeit ! Habe mein Ego halt zu lange hinten angestellt.

Liebe freiheheide, ich hoffe das Du deinen Weg gefunden hast und daran fest halten kannst.
Vielleicht schreibst Du bald mal wieder, wenn es der Alltag hergibt.

Lieben Gruß
von Schnubbel

16.03.2011 18:22 • #11


F
Hallo Schnubbel,

wenn ich das richtig verstanden habe, bist Du seit etwa Mitte Januar arbeitsunfähig. Also seit etwa acht Wochen.

Ohja.............hab Geduld...................ich konnte es nicht mehr hören.



Und doch: es stimmt.

Nur leider ist dies für uns Eilige, Aktive, alle-Dinge-selbst-machende Menschen unheimlich schwierig. Denn genau das ist ja unsere Schwäche: Geduld haben, Langsamkeit....

Zu Beginn wollte ich nur auf die Arbeit. Ich startete nach etwa vier Wochen oder so einen Arbeitsversuch, der kläglich scheiterte. Ich wollte alles und zwar sofort!
Dann arrangierte ich mich damit. Ich konnte es nicht ändern. Ich ließ es laufen...
Viele Menschen sagten zu mir: Du musst das tun und das und ändere das in Deinem Leben.

Aber ich spürte: ich war noch nicht soweit. Ich hatte nach sechs, acht Wochen noch keine Kraft für solcherlei Gedanken, für Pläne.... Ich musste erst aus diesen Löchern raus und das kostete meine ganze Kraft.

Ich glaube, dass ich erst nach drei Monaten erwachsener wurde, ich konnte zunehmend Entscheidungen (ganz kleine: zum Beispiel: Was gibts am Wochenende zu essen?) treffen, und ich konnte zunehmend Verantwortung für mich übernehmen. In dieser Phase war es mir egal, ob ich eine Woche länger zu Hause bin oder nicht.
Okay, letzten Endes wollte ich immer schnell wieder Ich werden, wieder arbeiten gehen können. Aber ich dachte nicht mehr an meine Kollegen, die nun meinen ganzen Unterricht mit übernehmen mussten (und meine Klasse stand damals kurz vor den Prüfungen).
Ich dachte zunehmend mehr an mich.

Du schreibst: Ich versuche im Moment jeden sonnigen Tag zu empfinden, zu fühlen,...

Jaaaa!! Genau so! Erlebe das Jetzt! Genieße den Moment! Lebe den Augenblick!

Teepausenstuhl - der Begriff gefällt mir. Darf ich ihn in meinen Sprachschatz aufnehmen?

Jede kleine Aufregung macht Dich handlungsunfähig - das kenne ich. Jeder Brief von einer Versicherung, von der Anwältin, vom Finanzamt, jeder Anruf von der Autowerkstatt usw. ließ mich schier verzweifeln und mich wieder in mein Loch plumpsen. Wir hatten zu dem Zeitpunkt meiner Erkrankung auch noch einen starken Wasserschaden im Bad und eine Menge Ärger mit der Versicherung. Dann musste alles rausgerissen werden - wochenlang konnte das Bad nicht benutzt werden....das war echt schlimm.

Heute gehe ich anders um (zumindest versuche ich es ;-): den Brief aufmachen, eine Runde ärgern und beiseite legen.
Ich versuche, den Ärger wegzukicken. Denn ich lernte etwas Wichtiges: ich muss nicht sofort (und ich meine wirklich sofort - denn so machte ich es jahrelang) darauf reagieren. Es hat Zeit bis zur Frist. Und bis dahin bleibt es liegen.
Und ich bin erstaunt! Denn es funktioniert trotzdem. Mein Leben funktioniert, auch wenn ich nicht sofort anrufe, schreibe, faxe....

Ich habe gelernt zu vertrauen. Dass es immer irgendwie geht....

Und damit ich selbst ruhiger werde (ich bin halt dieser hektische Typ), fahre ich nun (aber auch erst seit etwa drei Wochen) ganz bewusst mit dem Auto langsam, d.h. nicht über 2000 Umdrehungen. Manchmal tun mir die Fahrer hinter mir leid, aber ich genieße meine ruhige Fahrweise; sie bekommt mir gut.

Nur mit meiner Handschrift hapert es: ich schreibe viel zu schnell und damit unleserlich. Und ich kriege es nicht hin, langsamer zu schreiben. Es ist wie verhext!
Aber auch daran will ich arbeiten, denn jetzt (fast ein Jahr später) habe ich die Kraft dazu.

Im nächsten Beitrag (weil ich nur 5000 Zeichen schreiben darf und das jetzt überschritten habe) notiere ich für Dich mein Lieblingsgedicht.
Auf dieses Gedicht wurde in diesem Forum schon mal hingewiesen. Es ist von Charlie Chaplin. Er schrieb es zu seinem 70. Geburtstag.
Mir fällt dazu nur Hallelujah ein und verneige mich gedanklich vor ihm.

Lieber Schnubbel: habe die Zeit, habe die Kraft, lebe das Jetzt!

Viele Grüße
FreieHeide

18.03.2011 17:18 • #12


F
Hier mein Lieblingsgedicht - lies es langsam und mit Bedacht, es steckt voller Weisheit und Reife:

Als ich mich wirklich
selbst zu lieben begann,
konnte ich erkennen,
dass emotionaler Schmerz und Leid
nur Warnung für mich sind,
gegen meine eigene Wahrheit zu leben.
Heute weiß ich , das nennt man
“Authentisch-Sein”.

Als ich mich wirklich
selbst zu lieben begann,
habe ich verstanden,
wie sehr es jemanden beschämt,
ihm meine Wünsche aufzuzwingen,
obwohl ich wusste, dass weder die Zeit reif,
noch der Mensch dazu bereit war,
auch wenn ich selbst dieser Mensch war.
Heute weiß, das nennt man
“Selbstachtung”.

Als ich mich wirklich
selbst zu lieben begann,
habe ich aufgehört,
mich nach einem anderen Leben zu sehnen,
und konnte sehen, dass alles um mich herum
eine Aufforderung zum Wachsen war.
Heute weiß ich, das nennt man
“Reife”.

Als ich mich wirklich
selbst zu lieben begann,
habe ich verstanden,
dass ich immer und bei jeder Gelegenheit,
zur richtigen Zeit am richtigen Ort bin
und dass alles, was geschieht, richtig ist
– von da konnte ich ruhig sein.
Heute weiß ich, das nennt sich
“Selbstachtung”.

Als ich mich wirklich
selbst zu lieben begann,
habe ich aufgehört,
mich meiner freien Zeit zu berauben
und ich habe aufgehört,
weiter grandiose Projekte
für die Zukunft zu entwerfen.
Heute mache ich nur das,
was mir Spaß und Freude bereitet,
was ich liebe
und mein Herz zum Lachen bringt,
auf meine eigene Art und Weise
und in meinem Tempo.
Heute weiß ich, das nennt man
“Ehrlichkeit”.

Als ich mich wirklich
selbst zu lieben begann,
habe ich mich von allem befreit
was nicht gesund für mich war,
von Speisen, Menschen, Dingen, Situationen
und von allem, das mich immer wieder hinunterzog,
weg von mir selbst.
Anfangs nannte ich das “gesunden Egoismus”,
aber heute weiß ich, das ist “Selbstliebe”.

Als ich mich wirklich
selbst zu lieben begann,
habe ich aufgehört,
immer recht haben zu wollen,
so habe ich mich weniger geirrt.
Heute habe ich erkannt,
das nennt man “Einfach-Sein”.

Als ich mich wirklich
selbst zu lieben begann,
da erkannte ich,
dass mich mein Denken
armselig und krank machen kann,
als ich jedoch meine Herzenskräfte anforderte,
bekam der Verstand einen wichtigen Partner,
diese Verbindung nenne ich heute
“Herzensweisheit”.

Wir brauchen uns nicht weiter
vor Auseinandersetzungen,
Konflikten und Problemen
mit uns selbst und anderen fürchten,
denn sogar Sterne knallen
manchmal aufeinander
und es entstehen neue Welten.
Heute weiß ich,
das ist das Leben!

18.03.2011 17:18 • #13


S
Hallo freieheide,

ich hoffe Dir geht es gut und Du hast nun auch einen Teepausenstuhl. Vielen Dank für das so schöne Gedicht. Habe es schon oft gelesen, doch obwohl es so einfach und treffend in der Aussage ist, bleibt bei mir nichts hängen.
Mich würde mal interessieren, wie alt der Charlie war, als er das geschrieben hat. Ich will auch reif und weise sein !!!!
Was mein Herz zum lachen bringt. Danach suche ich. Ich weiß es nicht. .Ich kann nicht mehr lachen. Habe es verlernt.
Das macht mich verrückt. Kein Gefühl, keine Freude, kein Lachen, einfach nur Litargie, Zweifel und Traurigkeit. Keine Kraft für Pläne. Früher habe ich minutiös für alle geplant, Familie, Arbeit, Sport, etc., nur mich habe ich vergessen.
Es nervt so immer nur zu jammern. Ich finde den Faden meines Lebens nicht wieder.
Habe Dir von meinem geplantem Klinikaufenthalt berichtet. Jetzt der Hammer. 12 - 16 Wochen Wartezeit. Habe mich heute erst einmal die Hälfte des Tages im Bett verkrochen. Ächz ! Ich weiß noch nicht einmal, ob mir die Klinik etwas bringt.
Das Medikament macht mich auch fertig. Der Kopf sagt mir von Morgens um 6 bis Mitternacht. Hallo, du bist hellwach ! Und doch schmeißt es mich in die Kissen. Was habe ich bisher gelernt ? Ein planloses Leben funktioniert nicht ! Das weiß ich nun.
Du findest keine Erfüllung, kein Glück und kein Leid. Das gibt dir den Rest.
Ich sitze oft vor einem Bogen Papier, um meinen Plan für die nächsten Jahre aufzuschreiben. Das Papier ist noch leer.
Wann fange ich endlich an meinen nächsten Lebensabschnitt zu planen ? Die letzten Jahre haben mich zum Burnout und Depressionen geführt. Also muss ich etwas besser machen. Ich fühle mich ohnmächtig und treibe noch immer.

LG Schnubbel

01.04.2011 18:13 • #14


A


Hallo schnubbel,

x 4#15


F
Lieber Schnubbel,

schon lange habe ich mich nicht mehr gemeldet.....Das Leben hat mich wieder und ich genieße es....lebe zum Teil wieder auf der Überholspur und das ist nicht gut. Aber nein, es ist nichts grenzwertig bei mir....seit etwa sechs Monaten bin ich nun ohne nennenswerte Symptome....

Aber das wollte ich Dir gar nicht erzählen.

Ich wollte Dich fragen:
Konntest Du Deinen Faden für Dein / Euer Leben bereits ertasten, spüren, festhalten?
Kannst Du manchmal lachen? Gelingt Dir die Freude an einer Blume, an der Sonne?
Konntest Du schon ein wenig in einem Hafen ankern?
Gehst Du demnächst in diese Klinik? (Mir wurde damals eine Wartezeit von etwa acht Monaten angedroht. Ist es denn wirklich so, dass man sich sozusagen prophylaktisch in Fachkliniken und bei Fachärzten einen Termin geben lassen sollte? Absagen kann man ihn ja immer noch....Im März erhielt ich einen Termin bei einer Rheumatologin für den April......2012!)

Ich würde mich wirklich freuen, von Dir zu lesen.
Alles Liebe von
FreieHeide

PS: Besitze immer noch keinen Teepausenstuhl :-(
Aber eine Cappucchino-Hängematte :-)

28.06.2011 21:01 • #15

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