Albarracin
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Experte
Stand: 06.01.2022
Dies ist eine grobe Zusammenfassung der wichtigsten Regeln bei krankheitsbedingten Kündigungen. Da jeder Einzelfall sehr individuell gelagert sein kann, ersetzt diese Zusammenfassung im Zweifel keine ausführliche Beratung durch Fachmenschen. Diese Zusammenfassung gilt nicht für Beamte !)
Natürlich kann und wird der AG irgendwann mal versuchen, krankheitsbedingt zu kündigen. In Betrieben mit weniger als 20 Beschäftigten ist es sogar einfacher, da hier das Kündigungsschutzgesetz nicht gilt. Trotzdem hat jeder AG vor einer Kündigung Formalia einzuhalten. Nach Erfahrungen von Kollegen von mir, die ehrenamtliche Richter an Arbeitsgerichten sind, ist fast jede krankheitsbedingte Kündigung formal fehlerhaft.
Der Arbeitgeber muß vor einer krankheitsbedingten Kündigung:
- Ein betriebliches Eingliederungsmanagement gem. § 167 Abs. 2 SGB IX versucht haben
https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_...__167.html
- Eine negative Prognose des Betriebs- bzw. Vertrauensarztes in Hinblick auf die Krankheitsentwicklung vorliegen haben.
- Den Arbeitnehmer (AN) angehört haben, wenn der AN das ausdrücklich verlangt hat (§ 82, Abs. 1 BetrVG) https://www.gesetze-im-internet.de/betrvg/__82.html
- Den Betriebsrat - sofern vorhanden - angehört haben (§ 102 BetrVG) https://www.gesetze-im-internet.de/betrvg/__102.html
- Bei Schwerbehinderten/Gleichgestellten vorher die Genehmigung des Integrationsamts eingeholt haben (§ 168 SGB IX) https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_...__168.html
- Bei Schwerbehinderten/Gleichgestellten vorher die Schwerbehindertenvertretung (SBV) - sofern vorhanden- angehört haben (§ 178, Abs. 2 Satz 3 SGB IX) https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_...__178.html
Neu seit 29.12.2016: Eine Kündigung eines schwerbehinderten/gleichgestellten AN ohne vorherige Anhörung der SBV ist rechtsunwirksam - auch in der Probezeit !
Wichtig: Der Kündigungsgrund selber muß nicht (!) im Kündigungsschreiben drinstehen, er muß Euch aber auf Verlangen nachträglich schriftlich mitgeteilt werden.
Habt ihr eine Kündigung zugestellt bekommen, dann tickt eine unerbittliche Fristenuhr !Ihr müsst innerhalb von 3 Wochen nach Zugang der Kündigung beim zuständigen Arbeitsgericht eine Kündigungsschutzklage erheben. Tut Ihr das nicht, dann ist die Kündigung rechtskräftig, egal wie fehlerhaft sie war. Diesen Schritt kann euch leider niemand ersparen.
Seid Ihr Gewerkschaftsmitglied oder habt Ihr eine private Rechtsschutzversicherung, die auch Arbeitsrecht miteinschließt, dann meldet Euch sofort bei diesen. Ihr bekommt Ansprechpartner genannt, die mit Euch die nächsten Schritte besprechen und planen und Euch dann den ganzen Papierkram weitestgehend abnehmen.
Wichtig:
Vorsicht bei Anwalthotlines von Rechtsschutzversicherungen oder Internetberatung. Ihr könnt leider nie sicher sein, ob Euer Gesprächspartner auch vom Fach ist. Das juristische Studium ist sehr spezialisiert, wer gut bei Ehescheidungen ist, muß deswegen nicht automatisch Ahnung vom Arbeitsrecht haben.
Habt Ihr keinen Rechtsschutz, dann müsst Ihr selber zum Arbeitsgericht gehen. Jedes Arbeitsgericht hat eine sog. Rechtshilfestelle. Dort sitzen Menschen, die euch bei den notwendigen Formalia und der richtigen Formulierung kostenlos beraten und helfen. Ihr müsst alle Unterlagen und einen Personalausweis mitbringen.
Bei der Klageerhebung müsst Ihr noch keine Begründung liefern, die kann dann nachgereicht werden, wenn Ihr euch anwaltlichen Rat geholt habt, was Ihr unbedingt tun müsst.
Habt Ihr eine Kündigung erhalten, müsst Ihr Euch auch umgehend (d.h. innerhalb von 2-3 Tagen) bei der Arbeitsagentur melden, um spätere Scherereien zu vermeiden, egal ob ihr klagen wollt oder nicht.
Falls vorhanden, solltet Ihr auch immer den BR bzw. die Schwerbehindertenvertretung darüber informieren, wenn ihr Klage erhebt.
In den meisten Fällen!
- Wollt Ihr Euren Arbeitsplatz behalten, dann ist das der einzige Weg, wenn Ihr die Kündigung bekommt. Wenn Ihr den Prozess gewinnt, seid Ihr durch das Ergebnis auch nicht für alle Ewigkeit gebunden. Wird die Kündigung während der Krankheitszeit ausgesprochen, könnt Ihr trotzdem nach der Genesung eure Meinung ändern und von euch aus kündigen oder einen Auflösungsvertrag abschließen, wenn Ihr für Euch - aus welchen Gründen auch immer - keine Zukunft bei diesem AG seht.
- Wollt ihr den Arbeitsplatz gar nicht behalten, ist eine Klage trotzdem sinnvoll, da sie euren Preis erhöht. In einem Verfahren beim Arbeitsgericht muß immer durch den Richter ein Versuch zur gütlichen Einigung versucht werden. Das bedeutet idR Auflösung des Arbeitsvertrages gegen Abfindung und weitere Regelungen wie z. B. die Verpflichtung, ein wohlwollendes Zeugnis auszustellen. Die AG sind zwar über diese Praxis ständig am Maulen, aber das Mitleid mit ihnen kann sich in sehr engen Grenzen halten - vor allem, wenn die Arbeitsbedingungen ganz oder z. T. verantwortlich sind für Eure Erkrankung.
Wichtig: Entgegen weit verbreitetem Irrglauben gibt es für AG keine gesetzliche Pflicht, bei Kündigungen eine Abfindung zahlen zu müssen. Eine Abfindung wird fast ausschließlich im Rahmen des Klageverfahrens erreicht.
- Führt keine Gespräche mit Vorgesetzten oder Personalern ohne Zeugen (z. B. BR). Das darf Euch nicht verweigert werden.
- Unterschreibt nichts (!) ohne Bedenkzeit und rechtliche Prüfung durch Fachleute eures Vertrauens. Wer Euch zu einer Unterschrift sofort drängt, führt Böses im Schilde.
- Bei Briefen oder sonstigen Schriftstücken, die ihr dem Arbeitgeber schickt, müsst ihr den Zugang notfalls beweisen können. Deswegen solche Dinge nur gegen Empfangsbestätigung direkt abgeben bzw. per Einschreiben mit Rückschein schicken. Eine sehr lohnende Investition !
Dies ist eine grobe Zusammenfassung der wichtigsten Regeln bei krankheitsbedingten Kündigungen. Da jeder Einzelfall sehr individuell gelagert sein kann, ersetzt diese Zusammenfassung im Zweifel keine ausführliche Beratung durch Fachmenschen. Diese Zusammenfassung gilt nicht für Beamte !)
Was kann der Arbeitgeber AG tun?
Natürlich kann und wird der AG irgendwann mal versuchen, krankheitsbedingt zu kündigen. In Betrieben mit weniger als 20 Beschäftigten ist es sogar einfacher, da hier das Kündigungsschutzgesetz nicht gilt. Trotzdem hat jeder AG vor einer Kündigung Formalia einzuhalten. Nach Erfahrungen von Kollegen von mir, die ehrenamtliche Richter an Arbeitsgerichten sind, ist fast jede krankheitsbedingte Kündigung formal fehlerhaft.
Der Arbeitgeber muß vor einer krankheitsbedingten Kündigung:
- Ein betriebliches Eingliederungsmanagement gem. § 167 Abs. 2 SGB IX versucht haben
https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_...__167.html
- Eine negative Prognose des Betriebs- bzw. Vertrauensarztes in Hinblick auf die Krankheitsentwicklung vorliegen haben.
- Den Arbeitnehmer (AN) angehört haben, wenn der AN das ausdrücklich verlangt hat (§ 82, Abs. 1 BetrVG) https://www.gesetze-im-internet.de/betrvg/__82.html
- Den Betriebsrat - sofern vorhanden - angehört haben (§ 102 BetrVG) https://www.gesetze-im-internet.de/betrvg/__102.html
- Bei Schwerbehinderten/Gleichgestellten vorher die Genehmigung des Integrationsamts eingeholt haben (§ 168 SGB IX) https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_...__168.html
- Bei Schwerbehinderten/Gleichgestellten vorher die Schwerbehindertenvertretung (SBV) - sofern vorhanden- angehört haben (§ 178, Abs. 2 Satz 3 SGB IX) https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_...__178.html
Neu seit 29.12.2016: Eine Kündigung eines schwerbehinderten/gleichgestellten AN ohne vorherige Anhörung der SBV ist rechtsunwirksam - auch in der Probezeit !
Wichtig: Der Kündigungsgrund selber muß nicht (!) im Kündigungsschreiben drinstehen, er muß Euch aber auf Verlangen nachträglich schriftlich mitgeteilt werden.
Kündigung liegt vor, was muß ich tun ?
Habt ihr eine Kündigung zugestellt bekommen, dann tickt eine unerbittliche Fristenuhr !Ihr müsst innerhalb von 3 Wochen nach Zugang der Kündigung beim zuständigen Arbeitsgericht eine Kündigungsschutzklage erheben. Tut Ihr das nicht, dann ist die Kündigung rechtskräftig, egal wie fehlerhaft sie war. Diesen Schritt kann euch leider niemand ersparen.
Seid Ihr Gewerkschaftsmitglied oder habt Ihr eine private Rechtsschutzversicherung, die auch Arbeitsrecht miteinschließt, dann meldet Euch sofort bei diesen. Ihr bekommt Ansprechpartner genannt, die mit Euch die nächsten Schritte besprechen und planen und Euch dann den ganzen Papierkram weitestgehend abnehmen.
Wichtig:
Vorsicht bei Anwalthotlines von Rechtsschutzversicherungen oder Internetberatung. Ihr könnt leider nie sicher sein, ob Euer Gesprächspartner auch vom Fach ist. Das juristische Studium ist sehr spezialisiert, wer gut bei Ehescheidungen ist, muß deswegen nicht automatisch Ahnung vom Arbeitsrecht haben.
Habt Ihr keinen Rechtsschutz, dann müsst Ihr selber zum Arbeitsgericht gehen. Jedes Arbeitsgericht hat eine sog. Rechtshilfestelle. Dort sitzen Menschen, die euch bei den notwendigen Formalia und der richtigen Formulierung kostenlos beraten und helfen. Ihr müsst alle Unterlagen und einen Personalausweis mitbringen.
Bei der Klageerhebung müsst Ihr noch keine Begründung liefern, die kann dann nachgereicht werden, wenn Ihr euch anwaltlichen Rat geholt habt, was Ihr unbedingt tun müsst.
Habt Ihr eine Kündigung erhalten, müsst Ihr Euch auch umgehend (d.h. innerhalb von 2-3 Tagen) bei der Arbeitsagentur melden, um spätere Scherereien zu vermeiden, egal ob ihr klagen wollt oder nicht.
Falls vorhanden, solltet Ihr auch immer den BR bzw. die Schwerbehindertenvertretung darüber informieren, wenn ihr Klage erhebt.
Lohnt sich eine Kündigungsschutzklage?
In den meisten Fällen!
- Wollt Ihr Euren Arbeitsplatz behalten, dann ist das der einzige Weg, wenn Ihr die Kündigung bekommt. Wenn Ihr den Prozess gewinnt, seid Ihr durch das Ergebnis auch nicht für alle Ewigkeit gebunden. Wird die Kündigung während der Krankheitszeit ausgesprochen, könnt Ihr trotzdem nach der Genesung eure Meinung ändern und von euch aus kündigen oder einen Auflösungsvertrag abschließen, wenn Ihr für Euch - aus welchen Gründen auch immer - keine Zukunft bei diesem AG seht.
- Wollt ihr den Arbeitsplatz gar nicht behalten, ist eine Klage trotzdem sinnvoll, da sie euren Preis erhöht. In einem Verfahren beim Arbeitsgericht muß immer durch den Richter ein Versuch zur gütlichen Einigung versucht werden. Das bedeutet idR Auflösung des Arbeitsvertrages gegen Abfindung und weitere Regelungen wie z. B. die Verpflichtung, ein wohlwollendes Zeugnis auszustellen. Die AG sind zwar über diese Praxis ständig am Maulen, aber das Mitleid mit ihnen kann sich in sehr engen Grenzen halten - vor allem, wenn die Arbeitsbedingungen ganz oder z. T. verantwortlich sind für Eure Erkrankung.
Wichtig: Entgegen weit verbreitetem Irrglauben gibt es für AG keine gesetzliche Pflicht, bei Kündigungen eine Abfindung zahlen zu müssen. Eine Abfindung wird fast ausschließlich im Rahmen des Klageverfahrens erreicht.
Hinweise zu arbeitsrechtlichen Problemen / Verfahren:
- Führt keine Gespräche mit Vorgesetzten oder Personalern ohne Zeugen (z. B. BR). Das darf Euch nicht verweigert werden.
- Unterschreibt nichts (!) ohne Bedenkzeit und rechtliche Prüfung durch Fachleute eures Vertrauens. Wer Euch zu einer Unterschrift sofort drängt, führt Böses im Schilde.
- Bei Briefen oder sonstigen Schriftstücken, die ihr dem Arbeitgeber schickt, müsst ihr den Zugang notfalls beweisen können. Deswegen solche Dinge nur gegen Empfangsbestätigung direkt abgeben bzw. per Einschreiben mit Rückschein schicken. Eine sehr lohnende Investition !
25.01.2007 11:55 • x 5 #1