Kritik offen äußern - Fehler ansprechen / Soziale Phobie

Glasscherbe
Hallo,

ich weiß nicht, ob es hier her gehört - im weitesten Sinne schon, denke ich. Deshalb schreibe ich einfach mal.
Ich bin ein sehr ehrlicher Mensch, sage eigentlich allen gerade raus, was ich denke. Das schätze ich sehr an anderen und will allein schon deshalb mein Umfeld genau so ehrlich behandeln. So weit, so gut. Nur: Bis es mal soweit ist, dass ich ungefragt sage, wie ich mich fühle, vergehen manchmal kleine Ewigkeiten.

Ich schaue immer danach, wie geht es dem Gegenüber, was könnte er denken und fühlen, wäre es jetzt angebracht, wenn ich ihm auch noch meine Gedanken vor die Füße werfe? Ständig überlege ich, ob ich anderen zuviel zumuten könnte. Obwohl ich im umgekehrten Fall nicht dünnhäutig bin. Wenn mir jemand was sagt, was mir nicht gefällt, mich verletzt oder dergleichen, dann sage ich das graderaus und dann wird eben drüber gesprochen. Nur warum ist es nicht möglich, genau so auch anderen gegenüber zu handeln? Wieso kann ich nicht einfach Dinge sagen wie: Es geht mir nicht gut, hör mir bitte zu! Oder: Ich wünsche mir dies oder jenes, wie du mit mir umgehst. Oder: Ich möchte in den Arm genommen werden? Ich verzweifle daran. Es tut mir nicht gut. Aber es ist so schwer zu ändern ... Ich habe vor irgendwas Angst, ich weiß nur nicht so recht, was das ist.

Liebe Grüße

04.09.2010 09:12 • #1


Sancho
Hallo Glasscherbe!

Ich glaube, bei vielen Menschen ist es recht einfach gestrickt! Es geht bei solchen Themen immer
ein Stück um Verletzlichkeit! Öffne ich mich, mache ich mich verletzlich! Gerade in Lebenslagen,
in denen es uns eh nicht gut geht, wird das natürlich schnell zu einem Problem. Gerade aber
in solchen Situationen wäre es gar nicht so verkehrt damit anzufangen etwas daran zu ändern.

Als Mann - und ich bin eigentlich nicht so klischeebezogen - kenne ich das wohl nur zu gut! Ich
möchte von meinem Gegenüber völlige Offenheit, mein eigens Inneres halte ich aber schön verschlossen!
Keine Ahnung, ob das irgendwie evolutionsbedingt so passiert oder ob es andere Hintergründe hat!
Meine Erziehung kann eigentlich nicht ausschlaggebend sein, denn ich wurde offen und ehrlich
erzogen! Also habe ich die Erfahrung gemacht, dass sich Ehrlichkeit und Offenheit auszahlt und
eben nicht verkehrt sind!

Genau das weiß ich auch heute. Es geht sogar soweit, dass es mir - und dir ja auch - schlecht geht,
wenn man nicht offen ist!

Ich habe für mich festgestellt, dass ich meist erst dann mit Offenheit Probleme habe, wenn ich eine
Sache zulange mit mir selbst rumschleppe! Und dann komme ich in eine Gedankenspirale, weiß nicht
mehr was falsch, was richtig ist und fress' es dann lieber in mich rein!

Habe ich ein akutes Problem und spreche es direkt aus, dann fällt es mir hingegen relativ leicht und mir
geht es auch sofort besser. Selbst wenn in diesem Moment keine Lösung vorhanden ist, so stehe ich
mit diesem Problem nicht mehr allein dar und kann die Last verteilen!

Das ist so das Einzige was ich dir raten kann: Versuche deine Probleme oder auch andere Dinge, die
dir auf der Seele brennen so schnell wie möglich raus zu bringen, das macht es wirklich leichter!

Gruß Sancho

04.09.2010 11:43 • #2


A


Hallo Glasscherbe,

Kritik offen äußern - Fehler ansprechen / Soziale Phobie

x 3#3


S
Hallo Glasscherbe!

Sehr interessantes Thema, dass auch mich über die Jahre immerzu begleitet und belastet hat.

Ich halte mich ebenfalls für einen sehr offenen, ehrlichen und toleranten Menschen.
Mein größtes Problem ist aber meine Schüchternheit/Verschlossenheit gegenüber Neuem. Wenn ich neue Leute kennenlerne, habe ich immer das Gefühl, ich kann nicht ich selbst sein - ich müsste unbedingt die Erwartungen meines Gegenübers erfüllen, oder zumindest darf ich ihn keinesfalls enttäuschen. Oftmals sage ich dann eben gar nichts, aus Angst was falsch zu machen.

Im Gegenzug dazu lache ich darüber, wenn mir Bekannte von peinlichen Ereignissen erzählen, die ihnen widerfahren sind. Es kann einem doch echt egal sein, was andere von einem denken. Auf Menschen, die einen nicht mögen wie man ist, kann man getrost verzichten, hör ich mich oft klugscheißern. Aber wenn mir so etwas passiert, schäme ich mich selbst in Grund und Boden.

Auch neige ich manchmal zu übertriebenem Non-Egoismus. Ich stelle mich grundsätzlich in den Hintergrund. Andere sind wichtiger, mein Problem ist klein. Auch wenn es in mir nach Aufmerksamkeit schreit, ich mich mitteilen möchte, setze ich mich stets ganz ans Ende der Liste. Egoismus widerstrebt mir absolut. Nur bei Leuten, die ich ewig kenne, oder wenn ich anonym bin (wie z.B. hier), kann ich auch über mich selbst reden.

Ist, nach einer neuen Bekanntschaft, nach einer Weile erstmal ein gewisses Vertrauensverhältnis aufgebaut, kann ich mich entfalten, die Schranken öffnen. Aber vorher stoppe ich meine Denkvorgänge, halte mir verbal den Mund zu, aus Angst mein Gegenüber könnte mich wieder entmögen, oder hält mich sogar für unreif, verrückt, doof,... wie auch immer.
Vermutlich lässt sich da vieles auf meine Kindheit zurückführen... ich wurde im Grundschulalter eine Weile gemobbt (Kinder können grausam sein), während mir elterlicherseits stets eingetrichtert wurde, dass man gefälligst tolerant zu sein hat, und das alle, die dies nicht sind, sowieso Idioten sind.
Das man dies aber im Alter von 7-10 Jahren noch gar nicht wirklich versteht und die anderen Kinder nicht daran hinderte stets weiter Seelenschändung zu betreiben, darüber wurde leider nicht nachgedacht.
Ich definiere mich auch heute noch sehr mit dieser Zeit und bin davon überzeugt, dass sie mich gleichermaßen positiv (mein Streben nach Toleranz, Offenheit, Direktheit), sowie negativ (Angst vor Ablehnung, Schüchternheit, übertriebene Vorsicht) geprägt hat. Ein Ansatz, den ich mit Hilfe meiner damaligen Therapeutin erarbeiten konnte.

Sehr geholfen hat mir, in Situationen in denen ich nicht für mich eintreten konnte - seis in einer Konversation, oder wenn es um meine Bedürfnisse ging - die Situationen schriftflich und nur für mich (tagebuch-mäßig) weiterzuführen. Was ging mir durch den Kopf?, was habe ich mir gewünscht?, was wollte ich sagen und wie hätte mein Gegenüber besten - und schlimmstenfalls reagieren können? - was hätte dies dann in mir ausgelöst?, etc. pp.
Vielleicht wäre das auch für dich eine interessante Möglichkeit dich besser verstehen zu lernen.

04.09.2010 11:52 • #3


Glasscherbe
Hallo Ihr beiden,

danke für eure ausführlichen Antworten. Ich muss noch ein wenig darüber nachdenken, was ihr so geschrieben habt, aber ich finde es schön, dass ihr Eure Sicht der Dinge preis gebt.
@ Sandra: Die Selbstreflektion auf diesem Weg hab ich mir gestern selbst auch überlegt - ich hatte die Idee, mein Tagebuch hier ein bisschen anders zu nutzen und genau solche Dinge aufzuschreiben. Mal sehen, ob mir das so gelingt, wie ich es mir vorstelle.

Liebe Grüße

06.09.2010 09:58 • #4


shebone
hallo glasscherbe

bei mir hat es was mit meiner selbstlosigkeit zu tun(laut therapeutin)

sie sagte mal zu mir,das ich doch ständig und über mein eigenes wohl hinaus die last anderer auf mich laden lasse.mir viel zumuten lasse.das es für mich o.k. ist so.ich dürfte demnach genau das selbe anderen auch zumuten.mich selbst dem anderen zumuten.meine sorgen,ängste,gefühle,bedürfnisse,wünsche.

ein klein bisschen hilft mir ihr rat und in momenten die deiner beschreibung sehr ähneln rufe ich mir selbst ins gedächtnis

hey,du darfst das auch.du darfst dich anderen zumuten und sie werden es vielleicht genauso o.k. finden wie du selbst es tust

das es nicht immer hinhaut ist klar,jedoch staune ich über so manche reaktion und verständnis auf welches ich gegen meine eigenen erwartungen stosse

das spornt an zum weiter üben und mutiger werden

in kleinen schritten

step by step

lg shebone

06.09.2010 21:25 • #5

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