Rainer65
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Es gibt, glaube ich nichts grausameres, als ein Absetzprozess von Antidepressiva.
Bei mir kommt hinzu, dass ich leider viel zu schnell abgesetzt habe, heute sagt man mir, man hätte das auf einen viel längeren Zeitraum erstrecken müssen. Ich hatte damals meinen Arzt gefragt, und er sagte, ich solle je Woche für jeweils 5 mg reduzieren. (Dosis 20 mg Escitalopram)
Das nützt mir nach nunmehr einem Jahr nichts mehr! Und ich muss leider erleben, dass es seitens der Ärzte keine Hilfe nach dem Absetzen gibt, im Gegenteil, die meisten bestreiten dass es überhaupt so etwas wie ernste Absetzungserscheinungen gibt!
Zum Glück gibt es einige Anlaufstellen im Internet, wo engagierte Personen sich dieses Themas annehmen.
In England wurden übrigens gerade deswegen die Leitlinien geändert. ( zu verdanken Dr Mark Horowitz )
Und in den USA gibt es viele Webseiten dazu, zB die Surviving Antidepressants. Inzwischen habe ich viele seriöse Quellen gefunden.
Für mich ist seitdem nichts mehr wie es einmal war, ein „Wohlgefühl „ kenne ich gar nicht mehr.
Solch einen Zustand kann sich wahrscheinlich nur derjenige vorstellen der ähnliches bereits durchlebt hat oder selbst noch durchmacht.
Und das schlimmste dabei ist das Unverständnis und die Gleichgültigkeit der Umwelt, die allzuoft mangels besseres Wissen diese Antidepressiva-Problematik gemeinsam mit Dro. oder Alk. in einen Topf wirft. Dabei handelt es sich um vom Arzt auf Rezept verschriebene Medikamente, welche eine völlig andere Art von Abhängigkeit erzeugen als zB Arten von Dro. von denen der Konsument regelmäßig die Erhöhung der Dosis der jeweiligen Substanzen konsumieren muss, um seine Bedürfnisse zu befriedigen.
Dies ist bei Antidepressiva eben nicht der Fall. Deswegen wird ja auch schon seit langem von namhaften Personen wie zB von Buchautor Peter Lehmann und anderen Fachleuten, eine Änderung der Begriffsdefinition bezüglich des Abhängigkeitsbegriffs von Antidepressiva gefordert, auch von einigen prominenten Professoren und Psychiatern.
Und leider sträuben sich viele sog. Fachärzte und vor allem die Pharmaindustrie genau dagegen, weil diese ansonsten zugeben müssten, dass es sich eben doch um Entzugserscheinungen handelt, den die Ärzte idR vorsätzlich durch das Fehlen der Aufklärung vor der Verschreibung eines Antidepressivums mitverursacht haben.
Und diese Absetzsymptome, man kann diese durchaus als Entzugserscheinungen bezeichnen, unterscheiden sich auch häufig von den Symptomen einer Depression, denn in meinem Fall bestehen Symptome, die während der Escitaloprameinnahme nicht vorhanden waren, und erst zeitversetzt nach dem Absetzen aufgetreten sind. Manche haben sich inzwischen auch abgeschwächt, aber dafür haben sich andere eher wieder verstärkt bzw sind nach wie vor permanent spürbar. Es ist ein absolut unerträglicher und den Alltag total beherrschender Zustand, der mich in jeder Beziehung einschränkt.
Und wenn ich damals schon gewusst hätte, was ich erst seit kurzem weiß, dann hätte schon viel früher mit der Einnahme von Antidepressiva aufgehört. Spätestens dann, als die anfänglichen Dosierungen nichts mehr bewirkten, hätte der Arzt reagieren müssen, und stattdessen wurde die Dosis erhöht. Und irgendwann schluckt man nur noch teilnahmslos und emotional abgestumpft ohne die immer stärker werdenden Nebenwirkungen zu hinterfragen, genau so lief das in meinem Fall ab.
Erst wenn diese Nebenwirkungen unerträglich werden, und ernste gesundheitliche Probleme entstanden sind, erst dann fängt man irgendwann an, die Medikamente abzusetzen.
Und ich kann nur an jeden eindringlich apellieren:
Bitte so langsam als irgend möglich, vor allem dann, wenn man ein Antidepressivum über einen langen Zeitraum eingenommen hat, in meinem Fall weiß ich heute, dass nach insgesamt 18 Jahren Cipralex die Absetzung wahrscheinlich nach der 10 % Methode bis zu einem Jahr oder eher noch länger dauern müsste, und ich reduzierte innerhalb von nur 5 Wochen auf Null!
Fazit:
Es ist nach wie vor zutreffend, dass diese Medikamente sicherlich für eine Zeitlang ihre Berechtigung haben können, aber gerade bei diesen SSRI‘s ist es idR leider so, dass deren Wirkung nach ca 6 - 9 Monaten nachlässt, und dann deren weitere Einsetzung hinterfragt werden sollte.
Und der Patient muss vom Arzt über die evtl Gefahren gründlich aufgeklärt werden, aber genau das findet nicht statt. Ich wurde niemals von jemandem über das Risiko einer dauerhaften Einnahme aufgeklärt und schon gar nicht über die evtl fatalen Risiken und Folgen, die bei der Langzeiteinnahme und der irgendwann aus medizinischen Gründen erforderlichen Absetzung entstehen können. Und die notwendige Serumspiegelkontrolle wurde ebenfalls versäumt.
In meinem Fall weiß ich heute, dass ich jahrelang viel zu hoch dosiert war und wegen des viel zu schnellen Absetzens, welches nach Absprache meines Arztes erfolgte, immer noch gesundheitlich sehr stark beeinträchtigt bin.
Diese Symptome sind zeitverzögert erst nach dem Absetzen von Escitalopram aufgetreten:
( diese Liste ist wahrscheinlich nicht vollständig, da es mir auch schwer fällt alles zusammenzuschreiben)
Manche dieser Symptome haben zwar inzwischen nachgelassen, aber dafür haben sich andere eher verstärkt.
Mein ganzes Reaktionsvermögen hat sich enorm verlangsamt.
- ganz schlimm ist der „ Brain Fog“ ! ich kann oft gar nicht klar denken, alles ist total verlangsamt;
- ich bin unfähig mich für irgendetwas zu entscheiden, spontane Entscheidungen/Unternehmungen sind unmöglich geworden
- permanente körperliche Schwäche, vor allem spürbar in den Armen seit Februar/ März 2022! beginnend,
- seit dem Absetzen permanent vorhandener Schwindel mit Benommenheit die mich in allen Dingen des Alltags sehr einschränkt, dies war zuvor nicht der Fall
- Fatique und Erschöpfung
- das Gefühl überhaupt nicht mehr zu funktionieren l das logische Denken ist verlangsamt;
- monatelange Übelkeit und Appetitlosigkeit mit Magen- Darmproblemen
- übermässiger Speichelfluss, ich muss sehr häufig ausspucken
- starke Bauchschmerzen mit unerklärlichen Ursachen dafür;
- starke Schlafstörungen inzwischen etwas nachlassend, auch keine Tagesmüdigkeit mehr, dafür extreme Morgenmüdigkeit, kein Antrieb aufzustehen, vormittags ist keine Aktivität möglich
- wiederholt und intensiv aufgetretene Grippesymptome mit Schüttelfrost ( ohne Nachweis einer viralen Infektion! ) Flu-Like-Symptoms
- Gleichgewichtsstörungen
- sehr starke Ohrgeräusche permanent vorhanden ! ! !
- sehr starkes Herzklopfen und Herzstolpern
- auch nach dem Absetzen immer noch diese elektronischen Zaps wie stromschlagähnliche Empfindungen im Kopf und auch an anderen Gliedern
- extreme Panikattacken und Angstzustände!
- ein Gefühl wie Depersonalierung ein ganz schreckliches unerklärliches alles beherrschendes und lähmender Zustand, nicht in Worte zu fassen;
es ist ein sehr merkwürdiger Zustand der Unwirklichkeit, Sehnsucht nach der Vergangenheit, am liebsten würde ich mich in eine Zeitmaschine setzen!
- Verwirrtheit und Konzentrationsstörungen die niemals zuvor derart stark vorhanden waren und mich bei den banalsten Dingen stark einschränken
-starke Vergesslichkeit;
Gefühlsabstumpfung, verlangsamtes Denken, sehr belastend und meinen Alltag massiv einschränkend!
- unkontrollierbare Muskelzuckungen und Muskelschmerzen
- starke Muskelkrämpfe
- starke Empfindungstörungen ( gelegentlich ) ; Taubheitsgefühle in Zehen
-starkes Gefühl der Verwirrtheit und Desorientierung, sehr belastend und mich sehr beeinträchtigend in den grundlegendsten und simpelsten Angelegenheiten
- ständiges Fallenlassen von Gegenständen
- Höhenangst und Angst vor Treppensteigen
- starke Kreislaufbeschwerden in nie zuvor dagewesener extremer Form
- übermäßig hohe Blutdruckwerte, dabei oft niedriger Puls; der Diastolische Wert ist seit Absetzung ständig abnorm erhöht, das war zuvor nicht der Fall;
- auch Schwankungen von hohen zu niedrigen Blutdruckwerten festgestellt; hin -und herschwankend; niedriger Puls; dann wieder sehr hoher Puls, ohne Anstrengung zuvor;
- körperliches Unwohlsein
- starke innere Unruhe, Akathisie
- Gefühl im Kopf wie in Watte oder im Nebel, sehr schwer sich auf die einfachsten Dinge zu konzentrieren, sehr beängstigend und belastend
- nach dem Absetzen sehr häufig auftretende plötzliche unkontrollierbare Weinanfälle
- Gedächtnisstörungen und Gedächtnisschwund; war zuvor nie derart stark der Fall
- Orientierungslosigkeit
- große Appetitlosigkeit, kaum Hungergefühle
- unruhiger und pochender Herzschlag mit Angstzuständen die sich extrem steigern!
- Unfähigkeit etwas zu beginnen oder sich für etwas zu entscheiden und zwar auch bei den banalsten Angelegenheiten (sehr belastend!)
- Geschmackstörungen; veränderter Geschmack; ( inzwischen nicht mehr )
- ein sehr befremdliches Gefühl der Unwirklichkeit, schwer zu erklären
- Steifheit der Muskulatur, hatte ich noch niemals zuvor
- trockene Augen mit Sehstörungen, verschwommenes Sehen, unscharf;
- extreme Geräuschempfindlichkeit mit Panikanfällen
- unklares Sprechen, Probleme mit der Sprache sind sehr häufig aufgetreten; Wörter werden falsch und verdreht ausgesprochen, Worte fallen mir nicht mehr ein;
-Freudlosigkeit, Antriebschwäche, Lachen verlernt;
Ein ständig vorhandenes Gefühl der Emotionslosigkeit, schwer in Worte zu fassen,
das einzige Gefühl welches ich empfinde ist Trauer;
- nochmals zu den Herzproblemen die für mich beängstigend waren und immer noch sind, da diese auch nach dem Absetzen im Februar 2022 immer noch auftreten. ( seit längerem unregelmäßige Herzschläge; Herzstolpern, Palpitationen)
Ich hoffe auf diesem Wege andere Betroffene kennenzulernen, die ebenfalls von solchen Symptomen betroffen sind, und wir uns vielleicht gegenseitig stützen und helfen können. Denn dieses Thema wird leider immer noch bagatellisiert und nicht ernst genommen.
Grüße von Rainer