radysa
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ich sehe mich im Moment mit dem großen Problem konfrontiert, mit den Depressionen meines Partners zu leben.
Wir sind seit etwas über einem Jahr zusammen. Mein Lebensgefährte hat sich Anfang letzten Jahres von seiner Frau getrennt, die Ehe lief schon lange nicht mehr gut und war geprägt von Lieblosigkeit, Egoismus und Narzissmus von Seiten seiner damaligen Frau. Er hat zwei Kinder mit ihr, eines davon hat eine chronische Krankheit.
Wir haben uns auf der Arbeit kennen und lieben gelernt und alles war die ersten Monate total schön. Zwischen uns hat alles gepasst und er hat mir klar gemacht, dass ich der Mensch bin, mit dem er schon immer und für immer zusammen sein wollte. Er war wie ich jederzeit kompromissbereit, liebevoll, hat immer meine Meinung beachtet und auch, wenn wir mal diskutiert haben, kam er trotzdem lächelnd zu mir und hat mich in den Arm genommen. Wir haben kurz nach der Trennung das Haus, welches er mit dem Auszug aus dem gemeinsamen Ehe-Haus gemietet hatte, zusammen renoviert. Sind danach gemeinsam eingezogen. Kaum, dass wir damit fertig waren, fing seine Ex-Frau an, ihm regelmäßig Vorwürfe zu machen, weil er mal nicht gleich auf eine Nachricht von ihr geantwortet hatte, oder weil er mal für eine Reperatur am Haus keine Zeit und ihr das auch vorher gesagt hatte. Ein paar Tage später, wir waren in unserem ersten gemeinsamen Urlaub, bombardierte sie ihn mit Nachrichten, warum er sich nicht mehr um die Reperatur gekümmert hätte, warum er ihr nicht antworten würde und dass sie sich so alleine und einsam fühlen würde.
Das ging dann regelmäßig viele Monate lang so.
Sein Problem ist und war schon immer, dass er in der Ehe der Part war, der immer gesprungen ist, wenn die Ex-Frau geschnippst hat. Er hat sich alles an Demütigungen von ihr gefallen lassen und leider habe ich in den ersten Monaten gemerkt, dass er immer noch in diesem Verhaltensmuster feststeckt.
Selbstverständlich habe ich das regelmäßig angesprochen. Das führte leider nur dazu, dass wir viel diskutiert und gestritten haben. Viele meiner Argumente hat er verstanden, hier und da was davon umgesetzt. Aber oft wurde er zu einem Menschen, den ich so vorher nie kannte.
In den Diskussionen wurde er immer abwehrender, kompromissloser und zurückweisender. Ich habe ihm immer schonend und sanft versucht zu erklären, dass die ein oder andere Sache so nicht geht, denn mit einer Trennung geht auch immer eine gewisse Distanzierung und Trennung von gemeinsamen Dingen einher.
Wir konnten uns trotzdem immer wieder fangen und haben eingesehen, dass es Vieles gibt, woran er sich noch gewöhnen muss. Er hat 20 Jahre lang eine Ehe geführt, in der seine Meinung nie wichtig war und wegen der er manchmal sogar ausgelacht wurde. Er hat viele Jahre nur noch für sich selbst gelebt. Ich verstehe das auch.
Aber je mehr ich hier und da interveniert habe, desto schlimmer wurde es.
Seine Ex-Frau hat ihm regelmäßig Druck gemacht und ich dann auch noch. Die Kinder leben bei ihr und es war und ist immer noch schwer für ihn, sie nicht mehr jeden Tag um sich zu haben. An einigen Wochenenden saß er zuhause neben mir, nachdem er die Kinder heim gebracht hatte und weinte.
Er wollte sich immer um ein harmonisches, freundschaftliches Verhältnis zu seiner Noch-Frau bemühen, der Kinder zuliebe. Doch trotz der vielen Diskussionen wegen seiner Ex-Frau haben wir immer wieder den Streit beseite gelegt, weil wir wussten, dass wir uns lieben. Er hat eingesehen, dass es Themen gibt, die so nicht mehr mit ihr funktionieren, mir aber signalisiert, dass er dafür im Moment keine Kraft hat. Sie geht schnell in die Luft und denkt nur an sich, deshalb muss es immer nach ihrer Nase laufen. So lief es schließlich viele Jahre lang.
Für ihn war es zu viel in zu kurzer Zeit und das habe ich auch irgendwann Mitte letzten Jahres eingesehen.
In unserem eben erwähnten ersten Urlaub fing er auf einmal an, sich anders zu verhalten. Er fing an, meine Nähe nicht mehr so wirklich zu suchen, wollte viel alleine sein. Das war auch der Zeitpunkt, an dem ihm die Ex-Frau mit Nachrichten bombardiert hatte. Auf meine nicht wirklich erfreute Reaktion darauf und im Hinblick darauf, dass ich nicht wusste, was aufeinmal mit meinem doch sonst so liebe-und verständnisvollen Partner los war, reagierte er plötzlich völlig aufgebracht mit den Worten, dass wir nicht mehr lange machen bräuchten und er würde sich mit dem Auto vor einen Baum setzen.
Ab diesem Zeitpunkt ging es stetig bergab. Er hatte seine erste depressive Episode in unserer Beziehung von der wir beide nicht wussten, dass sie eine war.
Darauf folgten einige Monate, in denen er sich komplett zurückzog und selbst nicht wusste, warum. Er wusste nur, dass er sich oft leer fühlt und alles anstrengend erscheint. Er konnte nicht mehr so ganz Gefühle zeigen. Er sagte immer, er wolle, aber könne irgendwie nicht. Meine Fragen, ob er mich denn noch lieben würde, hat er immer überzeugt bejaht.
Ich habe also bis Dezember versucht, irgendwie durchzuhalten. Ich wusste, mehr Druck würde er nicht mehr aushalten, also habe ich ihm zuliebe einfach vieles laufen lassen, mit dem ich aber eigentlich nicht einverstanden war.
Im Dezember wurde es dann aufeinmal besser. Ich hatte für einen Monat meinen wundervollen Lebenspartner zurück. Er hat meine Nähe gesucht, meine Annäherungen erwidert, es gab kaum Raum für Negatives. Er war wieder der Alte.
Dann Anfang diesen Jahres kamen die Depressionen zurück, und das noch schlimmer als beim ersten Mal.
Er sagte, er war schon immer ein Mensch, der sich isoliert, wenn es ihm nicht gut geht und dass er dann keinen an sich ran lässt. Nun kann man sich vorstellen, wie das dann ist, wenn so ein Mensch dann auch noch mit Depressionen zu kämpfen hat.
Zwischenzeitlich gab es immer Situationen, in denen er dann doch nach einer Diskussion auf mich zugekommen ist und mir gesagt hat, dass wir doch sonst keine Streitthemen miteinander haben und die Hauptsache ist, dass wir einander haben, uns lieben und nicht mehr brauchen als einander.
Ich habe in dem letzten halben Jahr viel geweint, oft die Welt nicht mehr verstanden und meinen Lebenspartner nicht mehr wiedererkannt.
Irgendwann ist er zu seinem Hausarzt, weil er sich selbst nicht wiedererkannt hat. Er hat mir gesagt, dass er weiß, dass er so, wie er im Moment ist, eigentlich nicht ist und nicht weiß, was los ist. Dass er sowas noch nie hatte und er nicht weiß, warum er manchmal so gemein mit mir umgeht. Selbst die Kinder bei uns zu haben, ist ihm zeitweise zu viel und ich weiß, wie sehr er auch sie eigentlich liebt.
Der Hausarzt hat sich alles angehört und erkannt, dass er an Depressionen leidet. Seitdem suchen wir händeringend nach einem Psychiater, bisher aber leider erfolglos. Aber wenigstens kümmert er sich darum, weil er selbst professionelle Hilfe in Anspruch nehmen will.
Ich selbst weiß mir im Moment nicht zu helfen. Ich nehme seit einiger Zeit abends Antidepressiva, damit ich wieder schlafen kann, denn oft haben mich meine Gedanken gerade nachts eingeholt und mich nicht schlafen lassen.
Ich habe mich viel über das Thema Depressionen belesen und weiß, dass ich ihm keinen Druck oder Vorwürfe machen und keine Ultimaten stellen sollte, aber das fällt mir manchmal so schwer.
Vor einem Monat habe ich das getan, was ich nicht tun sollte: Ich habe ihm ein Ultimatum gestellt mit Dingen, die er bis zu einem gewissen Zeitpunkt in Angriff genommen haben sollte. Darunter sind viele Punkte, die den Umgang mit seiner Ex-Frau betreffen.
Neulich bin ich aber in einem klaren Moment zurückgerudert und habe ihm gesagt, dass er nicht alles lösen muss. Dass ich es schon zu schätzen weiß, wenn ich merke, dass er sich bemüht und dass ich für ihn da bin und ihn über alles liebe.
Ich habe ihm die letzten Monate und auch die letzten Wochen mit dem Wissen, dass er krank ist und nichts für sein Verhalten kann, regelmäßig Vorwürfe gemacht und dafür hasse ich mich.
Schatz, bitte nimm mich doch mal in den Arm., Schatzi, bitte erwider' doch mal mein Händchen-Halten, oft habe ich dabei geweint, weil ich nicht mehr konnte. Nach wie vor setzt er vieles davon dann aber noch in die Tat um, auch, wenn es nur nach Aufforderung geschieht.
Vor ein paar Tagen saß ich wieder weinend vor ihm und habe ihm gesagt, dass ich nicht mal mehr weiß, ob er mich überhaupt noch liebt. Ich hätte mir denken können, dass er mir das nicht sicher beantworten kann, denn das konnte er tatsächlich nicht. Er sagte, er hätte sich auch darüber die letzten zwei Wochen Gedanken gemacht, warum er mich ständig so blöd behandelt. Mich manchmal einfach links liegen lässt, obwohl ich weinend vor ihm stehe, mir nicht mehr wirklich Zuneigung gibt, sich nicht um gemeinsame Zeit mit mir bemüht und jedes Wochenende bei einem Freund ist. Dass er mir Vorwürfe und ein schlechtes Gewissen macht, wenn ich ihm sage, wie sehr er mich manchmal mit seinem ignoranten Verhalten verletzt. Ich glaube, ich habe ihn zu den Gedanken getrieben und das macht mich fertig. Er hat aber gesagt, dass es Tage gibt, an denen er garnichts fühlt. Weder Trauer, noch Freude. Dass es Tage gibt, an denen er traurig darüber ist, was das alles mit uns beiden gemacht hat. Ich habe ihn dann an die Tage erinnert, an denen er fast wieder der Alte ist. Mich über beide Ohren angrinst und dann küsst. Mich in den Arm nimmt, mit mir kuschelt und Zeit mit mir verbringt. Dass er sich um mich bemüht. Da nickte er und sagte: Verstehst du jetzt, was ich meine? Es ist mal so und mal so, ich weiß wirklich nicht, warum.
Das versetzte mir natürlich einen großen Stich. Vor einem Monat habe ich ihn gefragt, ob er mich noch liebt, was er auch wieder überzeugt bejaht hatte.
Ich hatte ihn gefragt, weshalb er denn dann überhaupt noch mit mir zusammen wäre. Seine Antwort war :Warum denn nicht?, er würde noch daran glauben, wenn er auch nichts mehr fühlen würde, und würde hoffen, dass es irgendwann wieder besser werde. Auf meine Frage, was der Gedanke in ihm auslöst, ich würde mich trennen, kam die Antwort, dass ihm der Gedanke käme, dass er das nicht wöllte.
Einen Tag später bin ich auf ihn zu und habe mich für das Gespräch entschuldigt. Ich habe ihm gesagt, dass er nun mal Depressionen hat, dass das eine Krankheit ist und er nichts dafür kann. Dass es okay ist, dass er sich so verhält, wie er sich verhält und er sich bitte keine Gedanken darüber machen soll, ob es vielleicht daran liegt, dass er mich einfach nicht mehr liebt, denn das glaube ich nicht und er scheint es auch nicht so recht glauben zu wollen.
Ich bin ein Mensch, der sich unglaublich viele Gedanken um Alles macht und seinen Lebensgefährten auf Händen trägt. Der sehr mitfühlend ist. Das Gespräch beschäftigt mich bis jetzt natürlich noch immens und treibt mir in dem ein oder anderen Moment die Tränen in die Augen.
Es gibt Tage, an denen komme ich mit Allem gut klar und rede mir jedes Mal in's Gewissen, dass es seinen Depressionen zu verdanken ist, wenn er mal wieder nicht auf meine Annäherungsversuche eingeht, nicht mit mir spricht, mich links liegen lässt oder bei Meinungsverschiedenheiten auch mal ganz schön gemein wird, obwohl ich meistens ruhig bleibe und versuche, auf ihn einzugehen.
Und dann dauert es meistens keinen ganzen Tag, da sacke ich in ein Loch. Da erscheint mir alles so hoffnungslos und ich ringe mit mir, ihn nicht mit seinem Verhalten zu konfrontieren.
Meistens gelingt mir das dann nicht und ich spreche ihn unter Tränen doch darauf an.
Ich weiß genau, dass ich es dadurch nur noch schlimmer mache und versuchen sollte, nicht noch mehr in ihm kaputt zu machen. Es ist schlimm, wenn dein eigentlich liebe- und verständnisvolle Partner sich in einen Mensch verwandelt, den du garnicht mehr wiedererkennst.
Ich habe für mich entschlossen, bei ihm zu bleiben und ihn zu unterstützen, denn ich liebe und glaube an ihn. Ich weiß, dass der Mensch, den ich kennen und lieben gelernt habe und der mir sehr, sehr ähnlich ist, noch irgendwo in seiner Hülle steckt.
Ich hoffe, ich finde hier Menschen, denen es ähnlich geht und mit denen ich mich austauschen kann, denn ich weiß nicht, wie ich diese Zeit, bis er endlich professionelle Hilfe bekommt, durchstehen soll und dabei gleichzeitig mit mir noch im Reinen bleiben kann.
Vielen Dank an die Menschen, die sich die Zeit genommen haben, meinen halben Roman zu Ende zu lesen.