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Lebenstraum wurde zum goldenen Käfig -Achtung lang-

Antiheldin13
Hallo,

ich möchte euch gerne kurz von meinen Lebensumständen erzählen, damit ihr meine Situation besser versteht.
Das mache ich nicht um damit anzugeben, sondern um euch meinen Lebenstraum zu erklären.

Ich bin Mitte 30, habe zwei kleine Kinder und lebe seit ein paar Jahren mit meinem Ehemann und den Kindern zusammen in unserem Einfamilienhaus. Als Kind habe ich schon davon geträumt zwei Kinder und ein eigenes Haus zu haben. Wir sind nicht mit dem goldenen Löffel im Mund geboren worden, sodass wir jeden Monat hart für das Haus arbeiten gehen, um uns unseren Traum leisten zu können. Finanzielle Probleme hatten wir trotz Haus bisher nicht, ich würde unsere Situation als "gut bürgerlich" bezeichnen. Mir ist vor einiger Zeit bewusst geworden, dass die großen Träume die ich schon lange hatte, alle in Erfüllung gegangen sind. Unser Haus sollte immer ein Zuhause für alle Familienmitglieder sein, in das man immer gerne wieder zurückkommt und wo Platz ist, so zu sein wie man ist. Diesen Ort habe ich sehr lange geschafft aufrecht zu erhalten.

Nun kommt die dunkle Seite des Paradieses. Mein Mann hat aufgrund seiner stark ausgeprägten Depression seit nunmehr 6 Jahren die Empfehlung eine Verhaltenstherapie zu machen. Leider hat er diese Empfehlung nie so ganz ernst genommen und sich jahrelang nicht um einen Therapieplatz gekümmert. Ich habe ihm immer wieder meine Unterstützung angeboten und ihn mehrmals gebeten sich mit seiner Depression zu beschäftigen, da meine Kinder und ich unter der Situation leiden. Über die ganze Zeit haben sich quasi zwei Welten gebildet. Die eine Welt bestand aus den Kindern und mir und die zweite Welt bestand aus meinem Mann und seiner Arbeit. Mein Mann hat mich immer damit vertröstet, dass er mehr an unserem Leben teilhaben möchte, wenn es die Arbeit zulässt. Nunja, was soll ich euch sagen? Die Arbeitswelt lässt es immer weniger zu auf sein Privatleben aufzupassen, wenn man niemals nein sagt und immer weiter funktioniert. Er hat sich immer weiter noch die nächste und auch noch die übernächste Aufgabe aufdrängen lassen.

Im letzten Winter kam dann der große Knall, wonach nichts mehr ging. Mein Mann wurde arbeitsunfähig, da er weder Energie für die Arbeit noch für unser Leben mit den Kindern hatte. Ich habe ihn zum Glück nach wochenlangen Gesprächen dazu bekommen, sich mit einem Notfallcode ins Krankenhaus einweisen zu lassen, wo er dann auch drei Wochen stationär behandelt wurde.

Für die Kinder war das ein Schock, da ich sie leider nicht darauf vorbereiten konnte. Ich habe sie vormittags in die Kita gebracht und bin selbst arbeiten gefahren. Als ich dann in einer kleinen Pause auf mein Handy sah, hat er mir dann per kurzer Nachricht mitgeteilt, dass ich bitte später die Kinder abholen solle, da er seine Tasche gerade gepackt hätte und auf dem Weg in die Klinik wäre. Zunächst stieg eine große Ohnmacht und Wut in mir hoch, aber ich habe mich dann damit beruhigt, dass ich schon sehr lange den Alltag mit den Kindern alleine bewältige und es schon klappen wird. Ich habe mich dann zusammengerissen und mir eine kindgerechte Erklärung zurecht gelegt, um den Kindern zu erklären warum ihr Papa ins Krankenhaus gegangen ist und einige Tage dort bleiben muss. Da wir verschiedene Bilderbücher zum Thema gelesen haben, haben sie die Situation auch Gott sei Dank ganz gut verpackt.

Nach diesem stationären Aufenthalt habe ich vernünftige Gespräche mit meinem Mann geführt und ich habe zum ersten Mal den "echten Menschen" durchkommen sehen und nicht mehr nur die Depression aus ihm sprechen hören. Das hat mir Hoffung gegeben, dass sich Etwas dauerhaft verbessern könnte. Er wurde in der Klinik medikamentös eingestellt und durch Gesprächstherapien ist ihm laut seiner Aussage vieles bewusst geworden, was er auch ändern wollte.

Diese Situation ist nun 6 Monate her und ich habe die Hoffnung auf dauerhafte Verbesserung aufgegeben. Mein Mann geht nun seit schon einigen Monaten wöchentlich zur Therapie und nimmt regelmäßig seine Medikamente. Er hat mir regelmäßig erzählt welche Fortschritte er in der Therapie machen würde und welche Techniken er gelernt hat, um seine eigenen Anzeichen für aufkommenden Stress zu deuten und um gegen zu steuern. Da er seit dieser ganzen Zeit krankgeschrieben ist, hat er vormittags Zeit für sich. Die Kinder sind in der Kita und ich gehe vormittags arbeiten. Am Anfang hat er mich oft mit eingebunden und mir erklärt wie ich mich verhalten soll, damit ich ihn mit den Techniken unterstützen kann.

Seit einigen Wochen habe ich das Gefühl, dass er seine Entspannungsübungen nicht mehr macht und in einer Situation hat er sich sogar über seine eigene Technik lustig gemacht. Als ich meinen Mann darauf angesprochen habe, hat er zugegeben, dass er die Übungen nicht mehr macht und mir, wie schon so oft, versprochen damit wieder anzufangen, um seine emotionale Ausgeglichenheit zu fördern.

Ich kann das alles nur noch sehr schwer ertragen. Immer wieder gibt es diese Rückschläge und es ist keine Verbesserung mehr spürbar. Im Gegenteil sogar, wir sind langsam bei einem schlechteren Zustand angelangt, als vor Beginn der Therapie. Mein Mann wartet noch auf einen Platz in der Tagesklinik und ich weiß, dass die Depression nicht von heute auf Morgen verschwunden ist.

Ich habe mich sehr umfassend mit dem Thema beschäftigt, aber mit jeder Hilfestellung scheitere ich.
Mein Mann frisst meine Energie mit seinem Verhalten auf. Es dreht sich alles nur noch um seine Depression. Wie ist er drauf? Was muss ich tun, damit sein Stresspegel nicht steigt und er ausflippt? Wird der Urlaub überhaupt schön, wenn er dabei ist oder wird es eine noch größere Belastung als im Alltag mit Arbeits(aus)zeit? Ich komme nicht mehr gerne nach Hause, wenn er hier ist und ich merke, dass ich sogar lieber auf meiner Arbeit bin, da ich dort durchatmen und einfach nur ich sein kann. In mir keimen immer mehr verschiedene Wünsche wie zum Beispiel nach einer eigenen Wohnung mit den Kindern zusammen auf. Jeder einzelne Wunsch hat mit Trennung zu tun. Ich merke sehr oft, dass ich nur noch echten Spaß an irgendetwas empfinden kann, wenn er nicht in der Nähe ist. Selbst kleine Ausflüge zum Spielplatz mit den Kindern und ohne meinen Mann empfinde ich als Freiheit, obwohl ich im Prinzip nichts für mich, sondern für die Kinder tue. Das Einzige was noch gut daran ist, ist die Tatsache, dass ich noch Spaß empfinden kann und mir darüber auch bewusst bin.

Alle möglichen Menschen, die mir sehr wichtig sind und die mich wirklich gut kennen, sagen mir, dass ich seit langer Zeit sehr unglücklich wirke und dass es Zeit wäre, damit anzufangen an mich und die Kinder zu denken. Ich habe auch schon Gespräche bei Beratungsstellen geführt, um mir über meine Situation klar zu werden. Nach den Sommerferien startet hier in der Nähe auch eine Angehörigengruppe, an der ich teilnehmen werde.

Ich habe mich aber dazu entschlossen, in dieses Forum zu schreiben, weil ich mich frage, ob es hier vielleicht auch Angehörige gibt, die diese Gedanken kennen oder so eine Situation auch schon durchlebt haben? Es gibt eine starke Stimme in mir, die sagt, dass ich es schon schaffen und wieder glücklicher leben werde, aber es kommen nunmal auch schwache Momente mit Ängsten vor der ungewissen Zukunft.

Vielleicht habt ihr ja ein paar Erfahrungen gemacht, die ihr mit mir teilen und euch mit mir austauschen möchtet?
Liebe Grüße.

09.06.2022 20:24 • x 5 #1


Ziva
Liebe Antiheldin,
herzlich Willkommen bei uns Danke für deine Offenheit.
Schön, dass du dich traust hier zu schreiben.

Mir kommen bei deinem Schreibstil und der Geschichte dahinter die Tränen.
Ich kann deine Sorgen nachvollziehen; die Ungewissheit, die dich begleitet, dass die Umstände sich nicht verbessern, ich fühle aber auch deinen Mut und deinen Willen, weiterzumachen. Dein Text zeigt mir, dass du eine starke Frau bist, die genau weiß, was sie möchte. Ich lese aber auch, dass dir die schweren Zeiten zur Last fallen und kann mir vorstellen, dass du unsicher geworden bist, wie es im Leben für dich deine Familie weitergehen kann.

Es zeigt Stärke, dass du dich als Ehefrau eines depressiven Menschen um alles kümmern kannst, was wichtig ist.

Es gibt einige hier im Forum, die ähnliches mit- und durchmachen wie du.
Sicher können sie dir eine viel größere Hilfe sein als ich. Und trotzdem habe ich einfach das Gefühl in mir, dass ich dir antworten möchte.

Zitat von Antiheldin13:
Mein Mann hat mich immer damit vertröstet, dass er mehr an unserem Leben teilhaben möchte, wenn es die Arbeit zulässt. Nunja, was soll ich euch sagen? Die Arbeitswelt lässt es immer weniger zu auf sein Privatleben aufzupassen, wenn man niemals nein sagt und immer weiter funktioniert. Er hat sich immer weiter noch die nächste und auch noch die übernächste Aufgabe aufdrängen lassen.

Das können depressive Menschen sehr gut. Sich in die Arbeit stürzen, weil das etwas ist, was man gut kann. Weil man Anerkennung erfährt. Und weil man nicht Nein sagen kann. Denn Nein sagen bedeutet für viele eben auch Schwäche zeigen, Überlastung zugeben etc. Dass es aber eigentlich reiner Selbstschutz ist, verstehen viele erst mit der Zeit.

Zitat von Antiheldin13:
Im letzten Winter kam dann der große Knall, wonach nichts mehr ging. Mein Mann wurde arbeitsunfähig, da er weder Energie für die Arbeit noch für unser Leben mit den Kindern hatte. Ich habe ihn zum Glück nach wochenlangen Gesprächen dazu bekommen, sich mit einem Notfallcode ins Krankenhaus einweisen zu lassen, wo er dann auch drei Wochen stationär behandelt wurde.

Zitat von Antiheldin13:
Zunächst stieg eine große Ohnmacht und Wut in mir hoch, aber ich habe mich dann damit beruhigt, dass ich schon sehr lange den Alltag mit den Kindern alleine bewältige und es schon klappen wird. Ich habe mich dann zusammengerissen und mir eine kindgerechte Erklärung zurecht gelegt, um den Kindern zu erklären warum ihr Papa ins Krankenhaus gegangen ist und einige Tage dort bleiben muss. Da wir verschiedene Bilderbücher zum Thema gelesen haben, haben sie die Situation auch Gott sei Dank ganz gut verpackt.

Ich finde es toll, wie du die Dinge anpackst. Und natürlich bist du nicht nur stark für dich, sondern auch für deine Kinder und deinen Mann. Ich finde, dass du gut gehandelt hast, indem du deinen Kindern die Lage erklärt hast. Es ist immer besser so etwas anzusprechen, als es zu verstecken versuchen. Kinder spüren, wenn etwas nicht richtig ist.

Zitat von Antiheldin13:
Diese Situation ist nun 6 Monate her und ich habe die Hoffnung auf dauerhafte Verbesserung aufgegeben.


Zitat von Antiheldin13:
Ich kann das alles nur noch sehr schwer ertragen.


Zitat von Antiheldin13:
Mein Mann frisst meine Energie mit seinem Verhalten auf. Es dreht sich alles nur noch um seine Depression. Wie ist er drauf? Was muss ich tun, damit sein Stresspegel nicht steigt und er ausflippt? Wird der Urlaub überhaupt schön, wenn er dabei ist oder wird es eine noch größere Belastung als im Alltag mit Arbeits(aus)zeit? Ich komme nicht mehr gerne nach Hause, wenn er hier ist und ich merke, dass ich sogar lieber auf meiner Arbeit bin, da ich dort durchatmen und einfach nur ich sein kann. In mir keimen immer mehr verschiedene Wünsche wie zum Beispiel nach einer eigenen Wohnung mit den Kindern zusammen auf. Jeder einzelne Wunsch hat mit Trennung zu tun. Ich merke sehr oft, dass ich nur noch echten Spaß an irgendetwas empfinden kann, wenn er nicht in der Nähe ist. Selbst kleine Ausflüge zum Spielplatz mit den Kindern und ohne meinen Mann empfinde ich als Freiheit, obwohl ich im Prinzip nichts für mich, sondern für die Kinder tue. Das Einzige was noch gut daran ist, ist die Tatsache, dass ich noch Spaß empfinden kann und mir darüber auch bewusst bin.


Ich kann gut verstehen, dass die Situation, so lange wie sie nun schon andauert, sehr belastend für dich ist.
Du opferst dich auf, gibst deinen Kindern Halt und Sicherheit, gehst nebenher zur Arbeit, unterstützt deinen Mann, wo es nur geht.

Du unterstützt ihn nicht nur, du passt dich seiner Depression an. Seit einer langen Zeit.

Natürlich möchte man Beziehungen aufrecht erhalten, man möchte lieber kämpfen statt zu scheitern.
Du informierst dich über die Krankheit, trittst Selbsthilfegruppen für Angehörige bei und bist wie oben geschrieben, sehr gut informiert. Aber das alles zerrt auch sehr an dir. Natürlich tut es das.

Wo sind deine eigenen Grenzen?
Was sind deine Wünsche an deinen Partner?
Kannst du (noch) mit ihm darüber reden?
Was sagt er zu deinen Ängsten und Sorgen?
Wie geht er damit um?

Ich lese hier, dass du jemand bist, der um jeden Preis das normale, schöne Leben mit der Familie aufrecht erhalten möchte oder es wieder so haben möchte, wie es einst war. Daran ist nichts verkehrt, finde ich. Mir fällt aber auch auf, dass du dich selbst im Stich lässt und das meine ich nicht böse. Ein paar Gedanken hegst ja auch du schon. Räumliche Trennung, Unternehmungen ohne deinen Mann etc.

Ganz wichtig ist, dass du an dich denkst!
Du kümmerst dich so liebevoll um deine Kinder, um deine Familie. Du machst es deinem Mann recht, sicher schmeißt du auch den Haushalt alleine und gehst zusätzlich zur Arbeit. Du schaffst das, natürlich. Aber denkst du auch ab und zu nur an dich? Gönnst du dir zwischen all dem Trubel Pausen? Auch Superman braucht mal ne Pause

Ich glaube es ist normal darüber nachzudenken, wie und ob es weitergehen kann mit einer Partnerschaft.
Es hängen Kinder im Schlepptau. Ohne sie und ohne das Haus wären die Optionen anders und vielleicht auch leichter.
Solltest du Schuldgefühle haben, weil du darüber nachdenkst, dass einige Dinge ohne deinen Mann im Moment besser sind - dann schieb sie beiseite. Die darfst du haben.

Ich lasse dir eine liebe Umarmung da.
Du bist nicht allein mit diesen Sorgen, Gefühlen und Gedanken.

Liebe Grüße,
Ziva*

10.06.2022 14:34 • x 4 #2


A


Hallo Antiheldin13,

Lebenstraum wurde zum goldenen Käfig -Achtung lang-

x 3#3


Lilly-18
Auch mir schnürt es beim Lesen deiner Zeilen die Kehle zu, weil ich mich so gut in dich rein versetzen kann.
Vieles davon kenne ich selbst auch.
Ziva hat alles sehr schön auf den Punkt gebracht und ich kann mich dem nur anschließen.
Du bist eine extrem starke Frau und hast meine volle Bewunderung. Natürlich gibt es Zeiten im Leben, in denen man sich selbst hinten anstellt, weil man kleine Kinder hat eben oder der Partner beruflich sehr eingespannt ist.
Aber vergiss dich nicht ganz! Tue ohne schlechtes Gewissen Dinge nur für dich, denn daraus schöpfst du Kraft.
Ich habe es auch immer sehr genossen, mit meinen Kindern alleine etwas zu unternehmen. Das war unbeschwert und wir waren glücklich. Daraus schöpft ihr Kraft, den depressiven Menschen zuhause besser zu ertragen (entschuldige das krasse Wort).
Aber, und jetzt kommt das große ABER, dein Mann sollte immer wieder damit konfrontiert werden, dass auch er einen Teil zu seiner Genesung beitragen muss. Alleine schaffst DU das nicht. Er ist krank, nicht du.
Also lass nicht locker. Auch wenn sich das herzlos anhört, aber sei ehrlich ihm gegenüber. Das muss er aushalten, so wie du ja auch seine Krankheit aushalten musst.
Nur wenn ihr beide an einem Strang zieht sehe ich eine Chance auf Besserung eurer Lebenssituation.
Wie Ziva schon geschrieben hat, es dreht sich alles um seine Depression und du ordnest dich ihr auch unter.
Es bleibt dir ja oft auch nichts anderes übrig, das verstehe ich sehr gut. Aber es darf nicht dein neues Lebensmodell sein ich lebe mein Leben mit den Kindern, du deine Depression.
Eventuell gibt es ja die Möglichkeit einer Therapie, die ihr zusammen macht?
Ich drücke dir fest die Daumen dass es bald besser wird für euch beide und ich finde es schön, dass du hier schreibst.

11.06.2022 08:41 • x 3 #3


Antiheldin13
Hallo Ziva,

tut mir leid, dass ich dir noch nicht schneller antworten konnte. Das "echte Leben" hat meine Aufmerksamkeit gefordert und ich wollte dir nicht zwischen Tür und Angel antworten. Du hast dir die dir die Zeit genommen, mir ausführlich zu antworten und so wollte ich dir auch in Ruhe eine vernünftige Antwort schreiben.

Zunächst einmal möchte ich mich bei dir für deine liebe Antwort bedanken. Ich habe sehr viel positive Energie aus deiner Antwort gezogen, sie mir mehrmals durchgelesen und ja ich hatte auch vor Rührung die Tränen in den Augen. Als ich ein bisschen über deine Antwort nachgedacht habe, ist mir allerdings auch bewusst geworden, dass du seit einer verdammt langen Zeit die erste Person bist, die mir sagt, dass sich Schwäche einzugestehen, Rückschläge wahrzunehmen und Gefühle in den verschiedenen Arten zuzulassen völlig in Ordnung ist. Es kam wirklich das Gefühl auf, als würde mich Jemand in den Arm nehmen, festhalten und mir ins Ohr flüstern: "Sei ruhig auch mal schwach, ich bin hier und halte dich fest bis du wieder stark sein kannst". Dafür danke ich dir von ganzem Herzen!

Mit diesem Gefühl kamen auch alte Erinnerungen hoch. Als ich meinen Mann kennenlernte war ich in einer beschissenen, psychisch belastenden familiären Situation. Ich war zwar auf dem Weg mich aus dieser Situation zu befreien, aber mein Mann hat mich mit allem was er hatte unterstützt, obwohl wir uns erst wenige Tage kannten. Wir sind dann sehr schnell zusammen gekommen, hatten eine gemeinsame Wohnung und egal was kam, wir standen Schulter an Schulter nebeneinander und hätten füreinander die ganze Welt bekämpft, wenn irgendwas dem Anderen schaden wollte. So konnte ich die belastende Situation beenden und wir haben gemerkt, was wir aneinander haben. Das ist nun fast 15 Jahre her und mir ist bewusst geworden, dass mein Mann vor vielen Jahren aufgehört hat, die Person zu sein, die mich in den Arm nimmt und mich in meinen schwachen Momenten stützt.

Nun, du hast mir in deiner Antwort auch ein paar Fragen gestellt, die ich dir gerne beantworten möchte. Mein Mann hat von seiner Therapeutin Aufgaben bzw. Werkzeuge bekommen, wie wir die Kommunikation miteinander wieder voran bringen können. Wir haben viele Monate jeden Abend hier gesessen eine Befindlichkeitsrunde gemacht und Gedanken und Gefühle miteinander besprochen. Als ich bei der ersten Beratungsstelle war, wurde ich gefragt, ob ich die Ehefrau oder die Therapeutin meines Mannes wäre. Es wäre nicht meine Aufgabe sich jeden Tag anzuhören, wie mein Mann geschlafen hat, wie er in den Tag gekommen ist und ob den Tag mit positiven oder negativen Gedanken begonnen hat. Ich habe dann darüber nachgedacht und meinem Mann gesagt, dass ich diese Befindlichkeitsrunde nicht mehr machen möchte. Ehrlich gesagt, hat sie mich schon lange genervt, aber ich dachte das müsste sein, damit sich hier was verbessern kann.

Wir haben es auch ohne Befindlichkeiten hinbekommen, die Kommunikation aufrecht zu erhalten, aber in den letzten Wochen sind unsere Gespräche auch sehr oft eskaliert. Bitte mach dir jetzt keine Sorgen, ich meine verbal eskaliert. Körperliche Gewalt würde ich, egal ob bei den Kindern oder bei mir, nicht dulden und ich wäre durchaus in der Lage mich körperlich gegen meinen Mann zu wehren. Ich meine mit verbaler Eskalation, dass wir uns wegen kleinen Gründen in Rage geredet haben und Streits kein Ende mehr gefunden haben. Die Kinder haben die meisten Streits nicht mitbekommen, da sie im Bett geschlafen haben. Trotzdem hätten viele Streits vermieden werden können, wenn mein Mann seine eigenen Werkzeuge nutzen würde. Er hat mir in vernünftigen Gesprächen erzählt, dass ich Codewörter benutzen soll, wenn ich ihm sage, dass es mir zuviel wird, ich das Gespräch beenden möchte und er es nicht realisiert. Ich möchte mich nicht als Unschuldslamm darstellen, aber selbst Gespräche in denen ich nicht auf seine Provokationen eingegangen bin und mich deeskalierend verhalten habe, sind so krass eskaliert, dass ich das Auto geparkt habe und freiwillig 6 Kilometer alleine nach Hause gelaufen bin. Beim ersten Mal, wo ich das abgesprochene Codewort benutzt habe, hat er sich sogar über sein eigenes Codewort lustig gemacht und weiter mit den Provokationen um sich geworfen.
Das hat mir gezeigt, dass sich hier so schnell nichts ändern wird und mein Mann in seiner Therapie quasi wieder bei Null anfangen müsste, da er offenbar die besprochenen Werkzeuge noch nicht verstanden und verinnerlicht hat. Diese Erkenntnis hat bei mir dazu geführt, dass diverse Wünsche in mir aufgekeimt sind, die ich teilweise nicht mehr vor ihm verheimlichen konnte. Ich habe ihm dann davon erzählt und er kann sie teilweise nachvollziehen, sagt aber immer, dass er immer noch Zeit und noch mehr Zeit braucht, bis er daran arbeiten kann. Das ist Zeit die, ich nicht mehr habe. Ich brauche in der nahen Zukunft stetige positive Veränderungen, die mir zeigen, dass es hier wieder besser werden kann. Während er "erst" seit 6 Monaten versucht die Situation zu verbessern, leide ich schon 5 Jahre unter dieser Situation. Das habe ich ihm auch alles in einem ruhigen Gespräch erklärt. Mein Mann hat es sich angehört, ist in Verzweiflung verfallen und hat den Raum verlassen. Schon "komisch" dass er Gespräche beenden kann, wenn es für ihn unangenehm wird, aber es nicht merkt, wenn es für mich unerträglich wird.

So, jetzt fragst du dich bestimmt, warum hat die Antiheldin noch nicht ihre Sachen gepackt und ist in eine schöne ruhige Mietwohnung gezogen und lebt dort glücklich und zufrieden mit den Kindern, die ohne den depressiven Papa viel ausgeglichener sind?! Das ist eine gute Frage, die ich mir schon oft gestellt habe. Wir haben vor Kurzem eine Paartherapie angefangen und bisher erst eine Sitzung gehabt. Ich bin nicht besonders zuversichtlich was den Erfolg angeht, aber ich muss das jetzt noch machen. Wenn die Paartherapie jetzt auch nicht mehr das Bedürfnis nach Trennung umkehren kann, dann weiß ich wenigstens, dass ich "alles" versucht habe. Emotional habe ich schon lange alles versucht, aber faktisch muss ich mir die Paartherapie jetzt noch geben.

Liebe Grüße,
Antheldin

11.06.2022 19:11 • x 2 #4


Antiheldin13
Liebe Lilly,
bitte fühle dich jetzt von mir nicht zurückgewiesen, da ich dir jetzt erst als Zweites antworte.
Ich möchte mich auch bei dir für deine Antwort und deine Emathie bedanken.

Ich brauche ehrliche Worte, die mir die Realität wiederspiegeln. Du hast mir geschrieben, dass ich deine volle Bewunderung habe. Ich kann das nicht so ganz verstehen. Ich habe eine gute Freundin bei der ich mich öffnen kann und die mich unterstützt. Sie sagte mir schon öfter, dass sie das Ganze nicht so lange mitgemacht und dass sie mich auch bewundert. Kannst du mir diese Bewunderung vielleicht ein bisschen besser erklären? Ich habe doch keine andere Wahl als diesen Weg zu gehen. Wenn ich aufgeben würde, würden meine Kinder ihre Eltern bzw ihre Mutter verlieren und würden womöglich noch in eine Pflegefamilie kommen. Das möchte ich solange ich lebe mit allem was ich habe verhindern!

Ich bin froh, dass meine Freundin diese Situation die ich tagtäglich habe, nicht hat. Warum bewundert mich dann ein Mensch, der in einer deutlich schöneren Situation lebt? Es ist wirklich nichts wonach man für sich selber streben sollte. Das ist eine Frage die ich mir auch schon oft gestellt und noch keine Antwort gefunden habe.

Liebe Grüße auch an dich!

11.06.2022 19:22 • x 1 #5


Lilly-18
Um Gottes Willen, ich fühle mich auf keinen Fall zurückgesetzt!
Bewunderung deshalb, weil ich weiß, wie hart das ist. Ich habe es selbst erlebt. Natürlich hat man gefühlt keine andere Wahl, ich hab das auch so empfunden. Aber es gibt auch Menschen, die mit einem depressiven Menschen gar nicht umgehen können. Du machst das wirklich sehr gut!
Es hat etwas mit Empathie zu tun, mit Verantwortungsbewusstsein und Stärke. Das hat nicht jeder. Dein Mann kann sich glücklich schätzen, dass er dich an seiner Seite hat.
Es gibt sicher Menschen, die sehr schnell aufgeben und die Kraft nicht haben, zu kämpfen.
Trotzdem kann ich dir nur immer wieder raten, auf dich selbst auch zu achten.

11.06.2022 20:10 • x 1 #6


Antiheldin13
Ich habe zum Glück langsam begriffen, dass ich mehr auf mich aufpassen muss und tue das auch jetzt immer öfter. Ich sage meinem Mann, dass er zu manchen Treffen z.B. mit den Kindern oder mit Freunden nicht mitkommen soll, da nicht jedes Treffen von dieser unseglichen Depression domininiert werden soll.

Ich wünsche mir sehr oft, dass ich weniger empathisch wäre. Ich möchte ja nicht unbedingt ein gefühlsloser Stein sein, aber wenn ich nicht so oft Probleme erzählt bekommen würde und anschließend denke würde, dass ich sie lösen könnte, wenn ich mich nur beharrlich um die Person kümmere, ginge es mir bestimmt auf Dauer besser.

Magst du mir erzählen, wie lange es her ist, dass du in dieser Situation warst und wie du es geschafft hast da raus zu kommen? Gibt es ein Happy End für die Beziehung oder lag das Happy End für dich in der Trennung?

Wenn es dir hier zu öffentlich ist, kannst du mir auch gerne privat schreiben.

11.06.2022 21:30 • #7


Lilly-18
So ein ähnliches Leben wie du gerade habe ich mit meinem Ex geführt. Der war zwar nicht depressiv, aber ein Narzisst, da hat sich auch alles nur um ihn und seine Bedürfnisse gedreht. Während ich versucht habe, sowas wie Familienleben aufrecht zu erhalten, hat er sein Ding gemacht. Als ich dann mitbekommen habe, dass er seit Jahren eine Freundin hatte, habe ich ihn vor die Türe gesetzt.
Mit depressiven Menschen hatte ich aber auch schon zu tun. Mein Vater war manisch depressiv und Alk.. Ich war zu jung, um damit angemessen klar zu kommen und meine Mutter hat sich nur um sich selber gekümmert. Es waren traumatische Jahre, die viele Wunden hinterlassen haben. Ich hätte mir eine Mutter wie dich gewünscht, meine war hoffnungslos überfordert.
Mein jetziger Freund war die letzten beiden Jahre phasenweise sehr depressiv und ich habe mich ähnlich verhalten wie du. Ich wollte ihn nicht im Stich lassen, habe aber immer darauf geachtet, dass ich selbst nicht zu kurz komme. Meine Kinder sind schon erwachsen, so konnte ich mich um mich selber kümmern.
Es ist mir schon schwer gefallen, durchzuhalten, aber bei ihm hat es sich gelohnt. Er ist irgendwann aufgewacht, als der Führerschein weg war (es war auch noch Alk. im Spiel). Er musste eine Therapie machen, die ihm die Augen geöffnet hat. Nicht nur in Bezug auf Alk., er hat sich inzwischen auch versetzen lassen, um den Stress im Job abzubauen. Das gelingt ihm sehr gut. Er sagt, ohne mich hätte er das nicht geschafft. Ich habe ihm immer Hoffnung gegeben, dass es irgendwann besser wird. Ich habe ihm aber auch immer klipp und klar gesagt, ich bin für dich da, aber ich gebe mein Leben nicht für dich auf. Nur durch diese Abgrenzung habe ich es geschafft, durchzuhalten.
Aber - wie du schon sagst - das geht nicht so einfach, wenn die Kinder noch klein sind. Natürlich kannst du dich abgrenzen und bis zu einem gewissen Grad musst du das auch. Aber du möchtest ja eine Familie haben. Es ist die Frage inwieweit er daran teilhaben kann mit seiner Erkrankung und inwieweit du es akzeptieren kannst, dass er eben nicht der Familienvater ist, den du dir wünscht.
Das ist eine sehr schwere Entscheidung, die nur du allein treffen kannst. Es ist nicht ausgeschlossen, dass es bei ihm irgendwann klick macht und er alles tun wird, um aus dem Sumpf wieder raus zu kommen. Und es mit deiner Hilfe dann auch schafft.
Das weißt du jetzt nicht. Höre auf dein Bauchgefühl.

11.06.2022 22:11 • x 2 #8


Antiheldin13
Oha Lilly, du hast aber auch ein sehr bewegtes Leben hinter dir. Danke, dass du dich mir geöffnet und davon erzählt hast!
Du scheinst auch eine starke Frau zu sein, die sehr lange an das Wohl des Partners vor das eigene Wohl gestellt hat. Ich hatte auch sehr lange die Einstellung, dass ich glücklich bin, wenn mein Mann und die Kinder glücklich sind und ich dann quasi an ihr Glück wahrnehmen und daran teilnehmen kann. Dass das nicht aufgeht habe ich nun schmerzhaft gemerkt und leider viel zu lange praktiziert.
Es ist mir immernoch wichtig, dass die Kinder glücklich sind und keine Schäden von der Situation davon tragen. Deswegen lese ich Bilderbücher mit ihnen über das Thema und werde mit dem Erklären nicht müde. Wir unternehmen nachmittags und teilweise auch Sachen alleine ohne meinen Mann. Dann ist mir auch egal, ob unzufrieden und gelangweilt Zuhause sitzt.
Ich habe sogar seit einigen Wochen die Einstellung, dass mir egal ist, ob er seine Depression noch irgendwann in den Griff bekommt, solange er dann nur räumlich getrennt von uns wohnt und wir diesen schwarzen Alltag nicht mehr ertragen müssen.
Das hört sich Ar. an, aber ich bin der Meinung, wenn man so viele Hilfsangebote nicht nutzt, muss das Schicksal irgendwann seinen Lauf nehmen.
Ich möchte keinen Rosenkrieg und ihm auch definitiv nicht die Kinder vorenthalten, aber ich sehe auch Potential in einer Trennung. Mein Mann hätte einen ruhigeren Alltag un sich mit seiner Krankheit zu beschäftigen und ich hätte einen Störfaktor weniger in unserem Alltag.
Er möchte das nicht, da er weiß, dass er mich als Partnerin dann verloren hat und es für uns kein romantisches Happy End gibt. Ich gehe aber davon aus, dass wir die Entscheidungen für die Kinder weiterhin gut zusammen hinbekommen werden.

Weißt du Lilly, ich bin jetzt noch jung, ich habe zwar schon einiges erlebt, aber ich hoffe, dass noch einiges auf mich wartet. Ich möchte nicht mit 50 feststellen, dass die Kinder aus dem Haus sind und ich mich verschenkt habe. Ich sehne mich nach einem Partner, der mir emotionale und auch körperliche Bestätigung geben kann. Jemanden der mich nicht nur als Leitkuh sieht, sondern auch wieder als Frau wahrnimmt.
Für meinen Mann hätte das auch Vorteile, er hat immernoch eine positive Wirkung auf andere Menschen, die den Depressionsalltag nicht mit ihm bewältigen müssen. Würdest du Menschen fragen, wie mein Mann wirkt, werden viele fröhlich und zufrieden sagen und dass er sein Leben im Griff hat.
Warum sollte er das nicht nutzen und eine Frau kennenlernen, die ihn nicht nur als Scherbenhaufen sieht?
Ich kann das was ich mir wünsche nicht mehr zulassen. Immer wenn ich dachte, dass jetzt gerade die Wende kommt und mich geöffnet habe, kam die Depression hat meinen Mann dominiert und er hat mich bekämpft.
Ich kann nicht daran glauben, dass irgendwann alles besser wird, wenn 2 Wochen eines Monats ok sind und ich die anderen 2 Wochen des Monats bekämpft und psychisch verletzt werde.

So liebe Lilly, eigentlich wollte ich dir schreiben, dass du meinen höchsten Respekt hast, dass du deinen Weg trotz den schwierigen Partnern gegangen bist und dich nicht komplett aufgegeben hast!
Ich habe irgendwo die Kurve nicht bekommen und bin wieder in mein Leben abgedriftet, sorry
Ich bin einfach so dankbar, dass du mir zuhörst und dich für meine Geschichte interessierst!

Trotzdem möchte meine Nachricht nicht damit beenden, ohne dir zu sagen, dass du ein Vorbild für mich bist.
Ich hoffe für dich, dass dein Partner dich noch für lange zu schätzen weiß und dir das auch zeigen kann. Und vor allem wünsche ich dir, dass du nicht nur die Anerkennung für dein Kümmern bekommst, sondern auch viele Glücksmomente in der Partnerschaft erlebst, die dir Kraft geben weiter so eine tolle Frau zu bleiben!

12.06.2022 06:31 • x 4 #9


Lilly-18
Danke liebe Antiheldin für deine Anerkennung
Weißt du, ich denke mir, man wächst mit seinen Aufgaben, manche Dinge im Leben passieren eben. Du hast eigentlich keine Wahl, irgendwie musst du damit klar kommen.
Ich verstehe deine Argumentation voll und ganz. Dein Mann verlässt sich scheinbar darauf, dass er damit durch kommt sich nicht aktiv um eine Besserung eurer Situation kümmern zu müssen. Er hat ja dich.
Wenn du keine Hoffnung siehst, dann überleg dir sorgfältig den nächsten Schritt.
Es ist die eine Sache, sich vorzustellen wie es wäre, endlich Ruhe zu haben, aber es ist die andere Sache, plötzlich Alleinerziehende zu sein. Ihr habt ein Haus und er arbeitet nicht. Da kommt viel auf dich zu.
Aber irgendwann ist das durchgestanden und du hast dein Leben noch vor dir. Ich wünsche dir viel Kraft. Du wirkst sehr stark auf mich und du hast ein klares Ziel. Das wird dir helfen, die richtigen Entscheidungen zu treffen und durchzuziehen.

12.06.2022 14:27 • x 2 #10


Antiheldin13
Dankeschön für deine mutmachende Antwort Lilly!
Ich weiß auch noch nicht in welche Richtung meine Entscheidung endgültig geht. In dem Punkt, dass mein Mann sich auf meinem Bemühen ausruht, hast du völlig Recht mit!
Das ist mir in einigen Situationen auch bewusst geworden und wenn sich daran nicht bald was ändert, ziehe ich die Trennung durch.
Das weiß er auch und ich sehe da durchaus auch Potential drin, für 2 Kinder alleinerziehend zu sein und nicht mehr für 3

12.06.2022 16:08 • x 3 #11


J
Liebe Antheldin, dein Beitrag fällt mir leider erst jetzt ins Auge. Ich war in einer ähnlichen Situation wie du, mein Partner hatte in der Kindheit Missbrauch erlebt und dadurch einige Schwierigkeiten, die sich erst im Verlauf unserer Beziehung herausgestellt haben.
Du machst einen unheimlich starken Eindruck. Ihr verfolgt einige Ansätze, die ich mir früher gewünscht hätte. Paartherapie finde ich toll, auch das ihr abends miteinander redet. Allerdings finde ich, das du dann über deine Befindlichkeiten sprechen und nicht deinen Mann nach seinen fragen solltest. So hat er die Chance jeden Tag zu erfahren, wie es dir geht und das in seine Therapie einzubinden. All diese Dinge hat mein Partner damals abgelehnt. Ich habe jahrelang nach seinen Bedürfnissen gelebt, mich völlig ignoriert. Die Folge davon ist, das er sich irgendwann getrennt hat, weil das, was ich ihm gegeben habe, aus seiner Sicht immer noch nicht ausgereicht hat. Ich habe jetzt selbst manchmal depressive Phasen und lange gekämpft, mich wieder aufzubauen.
Ich wünsche dir, das dein Weg positiver verläuft, egal ob Trennung oder nicht. VG, Julexy.

14.06.2022 15:47 • x 1 #12


Antiheldin13
Hallo Julexy,
das ist aber schon hart, wenn man seine Bedürfnisse komplett aufgibt und dann noch den Laufpass mit der Begründung, dass die komplette Hingabe nicht gereicht hat, bekommt!
Ich hoffe, dass die Trennung dich zu der Zeit nicht in ein allzu tiefes Loch gerissen hat?
Ich drücke dir die Daumen, dass du einen Partner findest, der deine Hingabe zu schätzen weiß und dich mit seiner Unterstützung aus den depressiven Phasen rausholen kann!

Ich für meinen Teil rede gelegentlich mit meinem Mann über die oberflächlichen Befindlichkeiten, wie z.b. ob der Tag stressig war und warum oder ob mir ein Ausflug mit den Kindern Spaß gemacht hat.
Die tieferen Befindlichkeiten wie zum Beispiel emotionale Bestätigung durch den Partner oder auch körperlicher Nähe bleiben auf der Strecke. In Streitgesprächen sprudelt gelegentlich etwas aus mir raus, aber kleine Fortschritte, wie mein Mann diesen Wünschen nachkommen kann gibt es trotz aller Bemühungen nicht.
Wie lange ich ohne die Erfüllung dieser Bedürfnisse noch leben kann, weiß ich nicht.
Dafür weiß auch trotz innerer Stärke Niemand eine Antwort drauf.
Ich versuche mittlerweile freundliche Gespräche auf der Straße oder auf der Arbeit als persönliche Bestätigung zu sehen, dass ich immernoch eine sympathische Frau bin O:-)

14.06.2022 18:21 • #13


J
Liebe Antheldin, das Gefühl kenne ich nur zu gut. Es gab Zeiten, da durfte ich meinen Partner nicht mal mehr in den Arm nehmen. Frag mich im Nachhinein nicht, wie ich das geschafft hab. Letztendlich war es gut, das er sich getrennt hat. Ich hatte immer Hoffnung, das war wahrscheinlich der Grund.
Das Loch war groß, aber ich habe es rausgeschafft. Mein nächster Partner möchte ich allerdings nicht sein müssen.
Ich wünsche dir, das du die Chance bekommst, mehr über deine Emotionen zu sprechen. Wahrscheinlich kann man nicht erwarten, das sich gleich irgendwas verändern wird, aber dein Mann weiß wenigstens, wie es dir geht und kann entscheiden, wie er reagiert. Mir ging es in schlimmen Phasen auch so, das ich so auf mein schlecht fühlen fokusiert war, das ich den anderen ganz vergessen hab. Wenn der dann über sich gesprochen hat, war ich froh, weil ich mich wieder erinnert hab. Ging mir mit meinen Freunden oft nach der Trennung so. Pass gut auf dich auf!

14.06.2022 20:09 • #14


K
Hallo @Antiheldin13
ich bin zwar neu, aber schon etwas forenerfahren und ich bin in den letzten Jahren ein großer Fan von Briefen geworden.

In Briefen ist alles einen Hauch geschönter, als im Streit, aber man kann trotzdem schreiben, was einen stört.
Schafft der (in dem Fall dein) Partner dann auch noch einen Brief zurück, könntet ihr das als Eherettung ganz ohne weitere Therapie versuchen.

Ich habe die Erfahrung, die du eingangs beschreibst, sehr oft gemacht: Leute setzen große Hoffnungen in Therapien, aber man will halt geliebt werden, wie man ist und sich ändern ist extrem schwer und bei Therapeuten sind schon auch öfter schwarze Schafe dabei, die privat nichtmal ihre eigenen Supertipps beherzigen (können).
Könnte am hohen Anspruch liegen und der Tasache, dass die Welt nunmal kein schöner Ort ist und man sehr banal gesagt, keine Sonne ohne Regen (und aktuell Klimakrise) kriegt.

Du musst ihn auch mal nen Witz über Entspannungsübungen machen lassen, nur nicht vergessen ihn daran zu erinnern, dass es ihm doch eigentlich körperlich besser getan hat, als was anderes oder nix.

Das ist wie Joggen. Hat man sogar als Sportler nicht immer Lust zu und schlechte Tage.

Ich wünsche mir, dass ihr mal probiert euch Briefe zu schreiben (bevor es der Anwalt muss) und ein paar hübsche Spruchpostkarten zwischendurch, und natürlich dass das 1000 mal besser klappt als die Therapie, damit ich mich wie die Heldin für die Antiheldin fühlen kann und eure Liebe, Haus, Kinder gerettet werden.

Und dass ihr euch in unserer Scheidung via Whatsappnachricht beim Rechtsanwalt einreichen/löschen/Hälfte überlesen - Welt dafür Stift und (Brief)Papier nehmt und Zeit lasst und gebt.

Glaube, das ist ganz wichtig in dieser alles sofort bis vorgestern Zeit, die mit Smartphones aufkam.

GLG Kaddl

14.06.2022 20:10 • #15


Ziva
Liebe Antiheldin,

ich muss jetzt einfach nochmal schreiben.
Erstmal - so lieben Dank für alle deine ausführlichen Antworten.
Ich denke, du hast hier einen guten Austausch finden können.

Trotzdem möchte ich mich entschuldigen, dass ich auf deine Antwort gar nicht mehr eingegangen bin. Das hängt mir nun seit Tagen nach, deswegen schreib ich dir jetzt. Mich hat dein Thema doll getriggert, aber ich fand es blöd, dir deswegen nicht zu antworten. Denn ich hatte ja schon etwas zu sagen. Weiter darauf eingehen konnte ich dann aber irgendwie nicht mehr. Das tut mir einfach so leid.

Ich möchte aber unbedingt, dass du weißt...
Zitat von Antiheldin13:
So, jetzt fragst du dich bestimmt, warum hat die Antiheldin noch nicht ihre Sachen gepackt und ist in eine schöne ruhige Mietwohnung gezogen und lebt dort glücklich und zufrieden mit den Kindern, die ohne den depressiven Papa viel ausgeglichener sind?!

Das frage ich mich ganz und gar nicht. Ich frage mich einfach überhaupt nicht, warum du nicht einfach gehst. Nö.
Wie schon geschrieben, sehe ich dich als starke Frau an, die weiß ihren Weg zu gehen. Und du musst für dich auch einfach alles ausprobieren um zu sehen, was es am Ende werden wird.

Ich lebe diese Konstellation auch, nur anders.
Und ich weiß wie es ist, wenn man immer und immer wieder versucht alles in der Linie zu halten, sich um Kind und Mann zusätzlich zu Arbeit, Haushalt, Alltag und Leben kümmert. Sich selbst dabei aber stetig vergisst, kaum noch Freude hat, nicht mehr lächeln kann, weil man selbst so ausgelaugt ist. Und trotzallem aber nicht aufgeben kann und auch nicht will, die Liebe und das Leben was daran hängt, loszulassen.

Es ist eine Bürde. Und die blöde Hoffnung macht es nicht besser.
Jeder wird sagen Tja, du kannst ja aussteigen. ... Aber ich weiß, wie schwer das ist.

Ich wünsche dir von Herzen alles Gute!
Für dich, für deine Kinder und auch für deinen Mann.

Ziva*

15.06.2022 07:47 • x 1 #16


Antiheldin13
Liebe Ziva,
tut mir leid, dass meine Antworten dich getriggert haben. Das war nicht meine Absicht.
Mir geht es hier tatsächlich um den Austausch mit anderen Personen, die diese Situation kennen.

Du brauchst kein schlechtes Gewissen haben, dass du so lange bzw nicht mehr geantwortet hast. Ich ziehe immernoch viel Kraft aus deinet ersten Antwort

Wenn dir etwas auf dem Herzen liegt, kannst du mich auch gerne anschreiben und dann höre ich dir gerne zu.

Mir hat der Austausch hier und eure Antworten nochmal Einiges vor Augen geführt. Ich habe mein Verhalten verändert, was dazu geführt hat, dass ich in den letzten Tagen glückliche Momente hatte. Zwar Momente ohne meinen Mann, aber immerhin Glückliche.

16.06.2022 15:27 • x 2 #17


A


Hallo Antiheldin13,

x 4#18


Ziva
Liebe Antiheldin,
Du musst dich bei mir wegen nichts entschuldigen (: das ist alles völlig oke so. ich wollte nur, dass du weißt, warum ich nicht mehr geschrieben habe. Das war mir irgendwie sehr sehr wichtig.

Es freut mich, dass du schöne Momente hattest. Und es freut mich, dass du sie wahrgenommen hast. Geh achtsam mit dir selbst um zieh die Kraft daraus.

Ich lasse dir einen lieben Drücker da.
Ziva

16.06.2022 15:41 • x 1 #18

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