Antiheldin13
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ich möchte euch gerne kurz von meinen Lebensumständen erzählen, damit ihr meine Situation besser versteht.
Das mache ich nicht um damit anzugeben, sondern um euch meinen Lebenstraum zu erklären.
Ich bin Mitte 30, habe zwei kleine Kinder und lebe seit ein paar Jahren mit meinem Ehemann und den Kindern zusammen in unserem Einfamilienhaus. Als Kind habe ich schon davon geträumt zwei Kinder und ein eigenes Haus zu haben. Wir sind nicht mit dem goldenen Löffel im Mund geboren worden, sodass wir jeden Monat hart für das Haus arbeiten gehen, um uns unseren Traum leisten zu können. Finanzielle Probleme hatten wir trotz Haus bisher nicht, ich würde unsere Situation als "gut bürgerlich" bezeichnen. Mir ist vor einiger Zeit bewusst geworden, dass die großen Träume die ich schon lange hatte, alle in Erfüllung gegangen sind. Unser Haus sollte immer ein Zuhause für alle Familienmitglieder sein, in das man immer gerne wieder zurückkommt und wo Platz ist, so zu sein wie man ist. Diesen Ort habe ich sehr lange geschafft aufrecht zu erhalten.
Nun kommt die dunkle Seite des Paradieses. Mein Mann hat aufgrund seiner stark ausgeprägten Depression seit nunmehr 6 Jahren die Empfehlung eine Verhaltenstherapie zu machen. Leider hat er diese Empfehlung nie so ganz ernst genommen und sich jahrelang nicht um einen Therapieplatz gekümmert. Ich habe ihm immer wieder meine Unterstützung angeboten und ihn mehrmals gebeten sich mit seiner Depression zu beschäftigen, da meine Kinder und ich unter der Situation leiden. Über die ganze Zeit haben sich quasi zwei Welten gebildet. Die eine Welt bestand aus den Kindern und mir und die zweite Welt bestand aus meinem Mann und seiner Arbeit. Mein Mann hat mich immer damit vertröstet, dass er mehr an unserem Leben teilhaben möchte, wenn es die Arbeit zulässt. Nunja, was soll ich euch sagen? Die Arbeitswelt lässt es immer weniger zu auf sein Privatleben aufzupassen, wenn man niemals nein sagt und immer weiter funktioniert. Er hat sich immer weiter noch die nächste und auch noch die übernächste Aufgabe aufdrängen lassen.
Im letzten Winter kam dann der große Knall, wonach nichts mehr ging. Mein Mann wurde arbeitsunfähig, da er weder Energie für die Arbeit noch für unser Leben mit den Kindern hatte. Ich habe ihn zum Glück nach wochenlangen Gesprächen dazu bekommen, sich mit einem Notfallcode ins Krankenhaus einweisen zu lassen, wo er dann auch drei Wochen stationär behandelt wurde.
Für die Kinder war das ein Schock, da ich sie leider nicht darauf vorbereiten konnte. Ich habe sie vormittags in die Kita gebracht und bin selbst arbeiten gefahren. Als ich dann in einer kleinen Pause auf mein Handy sah, hat er mir dann per kurzer Nachricht mitgeteilt, dass ich bitte später die Kinder abholen solle, da er seine Tasche gerade gepackt hätte und auf dem Weg in die Klinik wäre. Zunächst stieg eine große Ohnmacht und Wut in mir hoch, aber ich habe mich dann damit beruhigt, dass ich schon sehr lange den Alltag mit den Kindern alleine bewältige und es schon klappen wird. Ich habe mich dann zusammengerissen und mir eine kindgerechte Erklärung zurecht gelegt, um den Kindern zu erklären warum ihr Papa ins Krankenhaus gegangen ist und einige Tage dort bleiben muss. Da wir verschiedene Bilderbücher zum Thema gelesen haben, haben sie die Situation auch Gott sei Dank ganz gut verpackt.
Nach diesem stationären Aufenthalt habe ich vernünftige Gespräche mit meinem Mann geführt und ich habe zum ersten Mal den "echten Menschen" durchkommen sehen und nicht mehr nur die Depression aus ihm sprechen hören. Das hat mir Hoffung gegeben, dass sich Etwas dauerhaft verbessern könnte. Er wurde in der Klinik medikamentös eingestellt und durch Gesprächstherapien ist ihm laut seiner Aussage vieles bewusst geworden, was er auch ändern wollte.
Diese Situation ist nun 6 Monate her und ich habe die Hoffnung auf dauerhafte Verbesserung aufgegeben. Mein Mann geht nun seit schon einigen Monaten wöchentlich zur Therapie und nimmt regelmäßig seine Medikamente. Er hat mir regelmäßig erzählt welche Fortschritte er in der Therapie machen würde und welche Techniken er gelernt hat, um seine eigenen Anzeichen für aufkommenden Stress zu deuten und um gegen zu steuern. Da er seit dieser ganzen Zeit krankgeschrieben ist, hat er vormittags Zeit für sich. Die Kinder sind in der Kita und ich gehe vormittags arbeiten. Am Anfang hat er mich oft mit eingebunden und mir erklärt wie ich mich verhalten soll, damit ich ihn mit den Techniken unterstützen kann.
Seit einigen Wochen habe ich das Gefühl, dass er seine Entspannungsübungen nicht mehr macht und in einer Situation hat er sich sogar über seine eigene Technik lustig gemacht. Als ich meinen Mann darauf angesprochen habe, hat er zugegeben, dass er die Übungen nicht mehr macht und mir, wie schon so oft, versprochen damit wieder anzufangen, um seine emotionale Ausgeglichenheit zu fördern.
Ich kann das alles nur noch sehr schwer ertragen. Immer wieder gibt es diese Rückschläge und es ist keine Verbesserung mehr spürbar. Im Gegenteil sogar, wir sind langsam bei einem schlechteren Zustand angelangt, als vor Beginn der Therapie. Mein Mann wartet noch auf einen Platz in der Tagesklinik und ich weiß, dass die Depression nicht von heute auf Morgen verschwunden ist.
Ich habe mich sehr umfassend mit dem Thema beschäftigt, aber mit jeder Hilfestellung scheitere ich.
Mein Mann frisst meine Energie mit seinem Verhalten auf. Es dreht sich alles nur noch um seine Depression. Wie ist er drauf? Was muss ich tun, damit sein Stresspegel nicht steigt und er ausflippt? Wird der Urlaub überhaupt schön, wenn er dabei ist oder wird es eine noch größere Belastung als im Alltag mit Arbeits(aus)zeit? Ich komme nicht mehr gerne nach Hause, wenn er hier ist und ich merke, dass ich sogar lieber auf meiner Arbeit bin, da ich dort durchatmen und einfach nur ich sein kann. In mir keimen immer mehr verschiedene Wünsche wie zum Beispiel nach einer eigenen Wohnung mit den Kindern zusammen auf. Jeder einzelne Wunsch hat mit Trennung zu tun. Ich merke sehr oft, dass ich nur noch echten Spaß an irgendetwas empfinden kann, wenn er nicht in der Nähe ist. Selbst kleine Ausflüge zum Spielplatz mit den Kindern und ohne meinen Mann empfinde ich als Freiheit, obwohl ich im Prinzip nichts für mich, sondern für die Kinder tue. Das Einzige was noch gut daran ist, ist die Tatsache, dass ich noch Spaß empfinden kann und mir darüber auch bewusst bin.
Alle möglichen Menschen, die mir sehr wichtig sind und die mich wirklich gut kennen, sagen mir, dass ich seit langer Zeit sehr unglücklich wirke und dass es Zeit wäre, damit anzufangen an mich und die Kinder zu denken. Ich habe auch schon Gespräche bei Beratungsstellen geführt, um mir über meine Situation klar zu werden. Nach den Sommerferien startet hier in der Nähe auch eine Angehörigengruppe, an der ich teilnehmen werde.
Ich habe mich aber dazu entschlossen, in dieses Forum zu schreiben, weil ich mich frage, ob es hier vielleicht auch Angehörige gibt, die diese Gedanken kennen oder so eine Situation auch schon durchlebt haben? Es gibt eine starke Stimme in mir, die sagt, dass ich es schon schaffen und wieder glücklicher leben werde, aber es kommen nunmal auch schwache Momente mit Ängsten vor der ungewissen Zukunft.
Vielleicht habt ihr ja ein paar Erfahrungen gemacht, die ihr mit mir teilen und euch mit mir austauschen möchtet?
Liebe Grüße.