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Tyche03
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Sammelthema
Hallo, ich bin relativ neu hier und angenehm davon überrascht, welches Fachwissen hier versammelt ist. Ich möchte euch kurz meine „Leidensgeschichte“ beschreiben, in der Hoffnung vielleicht neue Ideen, Anregungen oder einfach „nur“ Reaktionen zu bekommen. Es ist für mich immer wieder tröstlich andere Lebensgeschichten zu lesen und zu spüren, dass ich nicht der Einzige auf der ganzen Welt bin, der diese TEUFLISCHE Krankheit in sich trägt. Kurze Beschreibung meines Krankheitsverlaufs: Ich bin 50 Jahre alt und leide seit meinem 26. Lebensjahr an rezidivierenden Depressionen. Manchmal schließen sich schwach ausgeprägte hypomanische Phasen an (Diagnose: Bipolar II). Die depressiven Phasen stehen jedoch absolut im Vordergrund.
Ich bin seit 22 Jahren selbstständig und habe einen (für mein Empfinden) sehr stressigen Job. Ich habe einen sehr hohen Leistungsanspruch, verzeihe mir keine Fehler, will alles alleine managen und „leide“ unter einem ausgeprägten Perfektionismus. Meine Ängste drehen sich fast ausschließlich um berufliches Versagen, Berufsunfähigkeit, wirtschaftlichen Ruin, Verarmungsangst. Ich mache seit Jahren Therapie (tiefenpsychologische Gesprächstherapie, Einzel). Viele „wertvolle“, „verschüttete“ Dinge sind ans Tageslicht getreten und konnten betrauert werden. Sehr wertvoll waren dabei Zusammenhänge aus der Familienkonstellation und –geschichte. Viele Gespräche mit meinen „therapieerfahrenen“ Schwestern (habe 3 Schwestern u. 2 Brüder) waren und sind „Gold wert“.
Allgemein ist anzumerken, dass bei mir sicherlich ein entscheidender endogener Anteil vorhanden ist. Meine Mutter durchlebte im Laufe ihres Lebens zahlreiche schwere depressive Episoden. Gelegentliche hypomanische Phasen sind auch wahrscheinlich.
Bei meiner Tante (mütterlicherseits) stellte sich das sehr ähnlich dar. Ihr konnte durch eine langjährige Lithiumprophylaxe einigermaßen geholfen werden.
Mein Onkel (mütterlicherseits) litt immer wieder an schweren Depressionen. Verschiedene Behandlungsansätze blieben erfolglos. Er nahm sich im Alter von 65 das Leben. Die „Depressionsleiden“ lassen sich bis weit in die mütterliche Linie zurückverfolgen.
Die Länge der depressiven Phasen und auch der beschwerdefreien Intervalle haben sich im Laufe der Zeit sehr verändert und scheinen nicht vorhersagbar zu sein.
Die frühen Jahre (95-97) waren durch längere (3-4 Monte) Phasen geprägt. Es schlossen sich 6-8 monatige („gute“, evtl. leicht hypomanische) Phasen an. 1997 war die Krise so heftig, dass ich seit Mitte Juli nicht mehr arbeiten konnte und ich entschied mich schließlich (aufgrund latenter Suizidalität) zu einem stationären Aufenthalt in der Psychosomatischen Klinik Kinzigtal in Gengenbach (Sept. – Ende Okt., 7 Wochen).
Die Depression verschwand aber erst Ende November nach schrittweiser Arbeitswiederaufnahme. Vor dem stationären Aufenthalt wurde ich auf eine Lithiumprophylaxe (Hypnorex) eingestellt, die ich allerdings nach ca. 1 Jahr wieder beendete.
Es folgte eine lange (5 Jahre), relativ stabile Phase bis zum Sommer 2003.
Berufliche Turbulenzen (Trennung von meinem damaligen Geschäftspartner) stürzten mich Ende 2003 in eine erneute Depression. In dieser Zeit begann ich wieder mit der Lithiumprophylaxe (Quilonum ret. 450 mg), die ich bis heute Aufrecht erhalte. Nach dieser schweren Krise schloss sich wieder eine lange (5 Jahre), relativ stabile Phase mit teilweise hypomanischen Zügen an.
Ende 2009 - Anfang 2011 kam es dann erneut zu mehreren kürzeren depressiven Einbrüchen. 2011 und 2012 waren dann wieder relativ stabile Jahre.
Im Sommer 2013 kam es dann zu einem erneuten Einbruch (mögl. Auslöser: „schwierige“ Personalsituation im Betrieb; Nachbarschaftsstreit), von dem ich mich erst im Herbst langsam erholte.
Mitte April 2014 rutschte ich dann erneut in eine Depression, die bis in den Spätsommer anhielt.
In Abstimmung mit meinem Psychiater versuchten wir zunächst, zusätzlich zum Lithium, Venlafaxin. Dies hatte ich auch 2013 genommen, doch diesmal schien ich es nicht zu vertragen (Unruhe/Panik, Schlafstörungen).
Wir stellten auf Valdoxan um. In der Vergangenheit habe ich schon sehr viele Antidepressiva „ausprobiert“ (nat. immer in Absprache mit dem behandelnden Arzt):
Aponal (Doxepin), Saroten (Amitryptilin), Anafranil (Clomipramin), Noveril (Dibenzepin), Fluctin (Fluoxetin), Aurorix (Moclobemid), Remergil (Mirtazapin), Ludiomil (Maprotilin), Ednorax (Reboxetin) – Horror!, Citalopram, Venlafaxin, Valdoxan…und das sind noch nicht alle.
Ihr seht: nach meinem Ableben muss ich als Sondermüll entsorgt werden ;-)
Seit 2-3 Jahren scheint sich meine Erkrankung zu wandeln: Die Phasenlängen werden kürzer und häufiger.
Seit Jahresanfang erlebe ich alle 4-6 Wochen heftige „Kurzabstürze“ (4-6 Tage). Ab Jahresmitte kommt es zur weiteren „Verdichtung“: alle 2 Wochen Kurzabstürze (4-6 Tage). Ich befinde mich im „rapid cycling“ bzw. „ultra rapid cycling“.
Im September habe ich eine „Ketaminkur“ versucht: innerhalb von 2 Wochen 6 Ketamininfusionen (40-70 mg). War eine irre Erfahrung! Das mögliche Problem war: es ging mir in dieser Zeit gut. Eine weitere Ketamininfusion folgte während eines Kurzabsturzes…diese hat mich tatsächlich da rausgeholt, leider nicht nachhaltig.
Seit einiger Zeit bin auf eine Medikation (Phasenprophylaxe, „Moodstabilizer“) von Lithium (Quilonum ret., schon seit 10 Jahren) und Lamotrigin (seit 4-5? Jahren) eingestellt. Seit 6 Wochen nehme ich zusätzlich Tianeurax (Tianeptin). Ich hatte große Hoffnungen in dieses „exotische“ Antidepressiva gesetzt, aber seit Einnahme 2 Kurzabstürze durchlebt.
Kürzlich ließ ich den ABCB1-Gentest (entwickelt von Prof. Dr. Florian Holsboer, MPI München) bei mir machen, der die Durchlässigkeit für Antidepressiva's der Blut-Hirn-Schranke misst.
Mein Ergebnis: erleichterte Durchlässigkeit und es wurden die üblichen Antidepressiva's (SSRI, SNRI, TZA) empfohlen...
Tja, wenn ich das so schreibe und wieder lese, denke ich: Oh mein Gott, was habe ich nicht schon alles versucht, ertragen, gelitten, gekämpft, gehofft…
Aber es ist ja auch eine Aufzählung der Krisen, der dunklen Wolken, der Tränen, der Verzweiflung, der tiefen Löcher, der Schatten, der Abgründe…
Dazwischen gab es auch viel Licht, Lachen, Freude, einfach nur Leben…und objektiv betrachtet eindeutig der überwiegende Teil.
So hat wohl jeder SEIN „Päckchen“ (oder „Paket“) zu tragen und es ist die Aufgabe, es anzunehmen, mit ihm zu leben, es zu integrieren und vielleicht es zu umarmen und zu überwinden…
Ganz liebe Grüße,
Tyche03
Ich bin seit 22 Jahren selbstständig und habe einen (für mein Empfinden) sehr stressigen Job. Ich habe einen sehr hohen Leistungsanspruch, verzeihe mir keine Fehler, will alles alleine managen und „leide“ unter einem ausgeprägten Perfektionismus. Meine Ängste drehen sich fast ausschließlich um berufliches Versagen, Berufsunfähigkeit, wirtschaftlichen Ruin, Verarmungsangst. Ich mache seit Jahren Therapie (tiefenpsychologische Gesprächstherapie, Einzel). Viele „wertvolle“, „verschüttete“ Dinge sind ans Tageslicht getreten und konnten betrauert werden. Sehr wertvoll waren dabei Zusammenhänge aus der Familienkonstellation und –geschichte. Viele Gespräche mit meinen „therapieerfahrenen“ Schwestern (habe 3 Schwestern u. 2 Brüder) waren und sind „Gold wert“.
Allgemein ist anzumerken, dass bei mir sicherlich ein entscheidender endogener Anteil vorhanden ist. Meine Mutter durchlebte im Laufe ihres Lebens zahlreiche schwere depressive Episoden. Gelegentliche hypomanische Phasen sind auch wahrscheinlich.
Bei meiner Tante (mütterlicherseits) stellte sich das sehr ähnlich dar. Ihr konnte durch eine langjährige Lithiumprophylaxe einigermaßen geholfen werden.
Mein Onkel (mütterlicherseits) litt immer wieder an schweren Depressionen. Verschiedene Behandlungsansätze blieben erfolglos. Er nahm sich im Alter von 65 das Leben. Die „Depressionsleiden“ lassen sich bis weit in die mütterliche Linie zurückverfolgen.
Die Länge der depressiven Phasen und auch der beschwerdefreien Intervalle haben sich im Laufe der Zeit sehr verändert und scheinen nicht vorhersagbar zu sein.
Die frühen Jahre (95-97) waren durch längere (3-4 Monte) Phasen geprägt. Es schlossen sich 6-8 monatige („gute“, evtl. leicht hypomanische) Phasen an. 1997 war die Krise so heftig, dass ich seit Mitte Juli nicht mehr arbeiten konnte und ich entschied mich schließlich (aufgrund latenter Suizidalität) zu einem stationären Aufenthalt in der Psychosomatischen Klinik Kinzigtal in Gengenbach (Sept. – Ende Okt., 7 Wochen).
Die Depression verschwand aber erst Ende November nach schrittweiser Arbeitswiederaufnahme. Vor dem stationären Aufenthalt wurde ich auf eine Lithiumprophylaxe (Hypnorex) eingestellt, die ich allerdings nach ca. 1 Jahr wieder beendete.
Es folgte eine lange (5 Jahre), relativ stabile Phase bis zum Sommer 2003.
Berufliche Turbulenzen (Trennung von meinem damaligen Geschäftspartner) stürzten mich Ende 2003 in eine erneute Depression. In dieser Zeit begann ich wieder mit der Lithiumprophylaxe (Quilonum ret. 450 mg), die ich bis heute Aufrecht erhalte. Nach dieser schweren Krise schloss sich wieder eine lange (5 Jahre), relativ stabile Phase mit teilweise hypomanischen Zügen an.
Ende 2009 - Anfang 2011 kam es dann erneut zu mehreren kürzeren depressiven Einbrüchen. 2011 und 2012 waren dann wieder relativ stabile Jahre.
Im Sommer 2013 kam es dann zu einem erneuten Einbruch (mögl. Auslöser: „schwierige“ Personalsituation im Betrieb; Nachbarschaftsstreit), von dem ich mich erst im Herbst langsam erholte.
Mitte April 2014 rutschte ich dann erneut in eine Depression, die bis in den Spätsommer anhielt.
In Abstimmung mit meinem Psychiater versuchten wir zunächst, zusätzlich zum Lithium, Venlafaxin. Dies hatte ich auch 2013 genommen, doch diesmal schien ich es nicht zu vertragen (Unruhe/Panik, Schlafstörungen).
Wir stellten auf Valdoxan um. In der Vergangenheit habe ich schon sehr viele Antidepressiva „ausprobiert“ (nat. immer in Absprache mit dem behandelnden Arzt):
Aponal (Doxepin), Saroten (Amitryptilin), Anafranil (Clomipramin), Noveril (Dibenzepin), Fluctin (Fluoxetin), Aurorix (Moclobemid), Remergil (Mirtazapin), Ludiomil (Maprotilin), Ednorax (Reboxetin) – Horror!, Citalopram, Venlafaxin, Valdoxan…und das sind noch nicht alle.
Ihr seht: nach meinem Ableben muss ich als Sondermüll entsorgt werden ;-)
Seit 2-3 Jahren scheint sich meine Erkrankung zu wandeln: Die Phasenlängen werden kürzer und häufiger.
Seit Jahresanfang erlebe ich alle 4-6 Wochen heftige „Kurzabstürze“ (4-6 Tage). Ab Jahresmitte kommt es zur weiteren „Verdichtung“: alle 2 Wochen Kurzabstürze (4-6 Tage). Ich befinde mich im „rapid cycling“ bzw. „ultra rapid cycling“.
Im September habe ich eine „Ketaminkur“ versucht: innerhalb von 2 Wochen 6 Ketamininfusionen (40-70 mg). War eine irre Erfahrung! Das mögliche Problem war: es ging mir in dieser Zeit gut. Eine weitere Ketamininfusion folgte während eines Kurzabsturzes…diese hat mich tatsächlich da rausgeholt, leider nicht nachhaltig.
Seit einiger Zeit bin auf eine Medikation (Phasenprophylaxe, „Moodstabilizer“) von Lithium (Quilonum ret., schon seit 10 Jahren) und Lamotrigin (seit 4-5? Jahren) eingestellt. Seit 6 Wochen nehme ich zusätzlich Tianeurax (Tianeptin). Ich hatte große Hoffnungen in dieses „exotische“ Antidepressiva gesetzt, aber seit Einnahme 2 Kurzabstürze durchlebt.
Kürzlich ließ ich den ABCB1-Gentest (entwickelt von Prof. Dr. Florian Holsboer, MPI München) bei mir machen, der die Durchlässigkeit für Antidepressiva's der Blut-Hirn-Schranke misst.
Mein Ergebnis: erleichterte Durchlässigkeit und es wurden die üblichen Antidepressiva's (SSRI, SNRI, TZA) empfohlen...
Tja, wenn ich das so schreibe und wieder lese, denke ich: Oh mein Gott, was habe ich nicht schon alles versucht, ertragen, gelitten, gekämpft, gehofft…
Aber es ist ja auch eine Aufzählung der Krisen, der dunklen Wolken, der Tränen, der Verzweiflung, der tiefen Löcher, der Schatten, der Abgründe…
Dazwischen gab es auch viel Licht, Lachen, Freude, einfach nur Leben…und objektiv betrachtet eindeutig der überwiegende Teil.
So hat wohl jeder SEIN „Päckchen“ (oder „Paket“) zu tragen und es ist die Aufgabe, es anzunehmen, mit ihm zu leben, es zu integrieren und vielleicht es zu umarmen und zu überwinden…
Ganz liebe Grüße,
Tyche03
01.01.2018 13:09 • x 3 #1