Hallo ihr Zwei
ich klinke mich hier mal ein als Betroffene der anderen Seite, d.h. in meiner Partnerschaft bin ich diejenige welche an einer Depression erkrankt ist.
Vieles, was vor meiner Erkrankung kein Problem war, geht aktuell nicht mehr.
Für gemeinsame Unternehmungen, vor allem, wenn noch andere dabei sind, fehlt mir die Kraft.
Manchmal kann ich morgens kaum aufstehen, weil ich mich fühle, als hätte mich nachts ein Bus überfahren.
Meine Konzentration hat deutlich nachgelassen; oft fällt das Lesen schwer und Fernsehen strengt mich an, weil irgendwie alles so auf mich einströmt. Bei Gesprächen schaltet sich mein Kopf zwischendrin immer irgendwie ab, so dass ich schlecht folgen kann. Und manchmal bin ich einfach nur traurig, niedergeschlagen, sehe alles schwarz und will dann am Liebsten von der Welt nichts mehr sehen.
Mein Partner versucht, mich zu unterstützen, mich aufzumuntern, mich zu motivieren. Aber auch das empfinde ich als anstrengend, wenn da jemand immerzu an mir herumzerrt. Dann denke ich: Lass mich doch einfach mal eine Weile in Ruhe!
Gleichzeitig spüre ich bei meinem Partner aber auch die Sorge um mich, seine Hilflosigkeit, und dass er die alte Greta vermisst.
Oft versuche ich, mich irgendwie zusammenzureißen, zu funktionieren. An guten Tagen klappt das manchmal, an schlechten gar nicht. Und auch das Funktionieren müssen/wollen kostet mich viel Kraft, die ich im Moment einfach nicht habe.
Ich liebe meinen Partner sehr, aber ich bin häufig regelrecht erleichtert, wenn er nicht da ist. Weil ich dann nämlich ganz ICH sein kann, also die, welche ich jetzt gerade bin: erschöpft, müde, ruhebedürftig. Weil ich mich dann nicht erklären muss (Depression ist ohnehin schwer zu erklären für jemanden, der das noch nie erlebt hat), weil ich dann nicht reden muss und auch, weil ich ihn dann nicht beruhigen muss. Ich habe derzeit keine Energie für seine Sorgen um mich.
Und auch das: wenn ich versuche, zu erklären, fühle ich mich gleichzeitig so schwach und klein. Denn ich sage ja Dinge wie ich bin traurig, ich bin müde, ich habe keine Kraft, ich habe Angst ....
Mit meiner Mutter, die in der unteren Wohnung hier im Haus lebt, geht es mir ähnlich.
Manchmal mag ich ja tagelang niemanden sehen und ziehe mich völlig zurück.
Wenn ich dann wieder auftauche, kommen die besorgten Blicke und die Fragen. Geht es dir nicht gut? oder Wir haben uns diese Woche noch gar nicht gesehen? Immer!
Dann habe ich das Gefühl, ich muss mich auch noch rechtfertigen; muss erklären, was so schwer zu erklären ist.
Da würde ich dann am liebsten gar nicht mehr zu ihr runtergehen.
Dazu kommt das schlechte Gewissen und die Scham, weil die anderen soviel Rücksicht nehmen müssen, weil ich nicht mithalten kann, weil ich soviel Ruhe brauche, weil ich einfachste Dinge nicht erledigen kann.
Ich versuche, meine Erkrankung zu akzeptieren und wünsche mir sehr, die anderen würden das auch tun.
Hätte ich einen doppelten Beckenbruch (was Gott verhüten möge) wäre es für jeden klar, dass ich im Moment keinen Marathonlauf durch den Wald schaffe und jeder würde sagen, lass es langsam angehen und werd' erstmal in Ruhe wieder gesund. Und niemand käme auf die Idee zu sagen: Marathon ging ja gestern nicht, aber heute kannst du doch wohl mit zur Radtour.
Kurz und gut: Ein Rückzug/Kontaktabbruch in der Depression ist erstmal überhaupt nichts negatives. Der/die Erkrankte braucht einfach nur ganz viel Zeit und Ruhe für sich selbst und sein/ihr Gesundwerden, und dazu gehört manchmal auch, dass man sich für eine Weile klar und deutlich von den Wünschen, Sorgen, Bedürfnissen der anderen (auch der Familie und des Liebsten) abgrenzen muss.
Für die Angehörigen ist das natürlich schwer auszuhalten (ich kenne auch die andere Seite). Aber nur wenn der Kranke lernt, gut für sich selbst zu sorgen, kann er wieder gesund werden und hat dann irgendwann auch wieder Kraft für die anderen.
Liebe Grüße
Greta
26.08.2021 11:52 •
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