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MIT der Angst LEBEN

A
Hallo allerseits,

seit meiner Jugend habe ich soziale Ängste und Depressionen.
Zusätzlich nehmen diffuse und konkrete Ängste (vor Jobverlust, Armut usw.) seit Jahren immer mehr Raum ein.

Ich habe alles probiert, um gesund zu werden.
Jahrelange Psychotherapie (verschiedene Methoden; auch stationär), Medikamente, Meditation, energetische Heilung .
Nichts hat Besserung gebracht.

Schon lange ist mir verstandsmäßig klar:
Anstatt verzweifelt auf Heilung zu hoffen, muss ich die Krankheit bzw. die Symptome akzeptieren und trotzdem das Beste aus meinem Leben machen. Im Rahmen meiner Möglichkeiten.

Aber das fällt mir unheimlich schwer.

Das Nicht-akzeptieren-können der Krankheit bzw. der Symptome ist mein größtes Problem.
Diese bremsen einen ja schon genug aus. Aber zusätzlich stehe ich mich permanent selbst im Weg.

Ich bin Meisterin im Vermeiden und Aufschieben.
Verkrieche mich tagelang im Bett.
Oder verschlinge stundenlang Youtube-Videos, nur um mich abzulenken.
Obwohl ich weiß, dass das meine Gesamtsituation letztlich nur verschlimmert.

Mein großes Ziel ist es jetzt, die Symptome endlich zu akzeptieren.
Sie auszuhalten, anstatt zu flüchten oder zu erstarren.
Und TROTZ ihnen und MIT ihnen zu leben!
So gut es eben geht.

Allein der Gedanke macht mir mords Schiss.
Aber es hilft ja nichts.

Wenn ich darf, möchte ich gerne einmal pro Woche einen kurzen Bericht abgeben, wie gut mir das Vorhaben in den letzten 7 Tagen gelungen ist.
Das soll mir helfen, mich selbst zu motivieren.

Viele Grüße,
eine Schnecke auf der Reise.

10.07.2023 09:21 • x 11 #1


Dys
Zitat von AufDerReise:
Schon lange ist mir verstandsmäßig klar:
Anstatt verzweifelt auf Heilung zu hoffen, muss ich die Krankheit bzw. die Symptome akzeptieren und trotzdem das Beste aus meinem Leben machen. Im Rahmen meiner Möglichkeiten.

Mein Gedanke dazu ist folgender. Wie hätte denn „Heilung“ von etwas, dass nicht akzeptiert wird, stattfinden können? Akzeptanz ist meiner Meinung nach das erste was da sein muss.
Vielleicht, da Du ja jetzt Akzeptanz anstrebst, gelingt vielleicht irgendwann auch Genesung oder Heilung.

10.07.2023 09:44 • x 5 #2


A


Hallo AufDerReise,

MIT der Angst LEBEN

x 3#3


Stromboli
Liebe AufDerReise

Erstmal herzlich willkommen hier im Forum und schön, dass du dich traust, hier so klar und authentisch deine Notlage mitzuteilen. Vielen hier wird das vertraut vorkommen, was du durchmachst. Auch mir.

Beim Lesen deiner Sätze kommt mir erstmal ein grosser Druck entgegen, der auf dir lastet, natürlich vor allem durch die so schwer erträglichen Symptome, dann aber auch durch sehr hohe Erwartungen, die du an dich selbst stellst - so zumindest liest es sich für mich. Wenn ich nur endlich den ganzen Sch.... akzeptieren könnte, dann wäre mir leichter, dann käme ich vorwärts! So etwa fühlt sich das für mich an, was du schreibst. Kann es so sein?

Nun gehört Akzeptieren leider nicht zu den Dingen, die man verordnen oder befehlen kann, auch sich selbst nicht. Man kann keinem Kind und auch keinem inneren Kind in einem Erwachsenen befehlen: Nun vertraue endlich mal, nun akzeptiere einfach mal, wie es ist. Das Kind, egal ob noch im Kindesalter oder als inneres Kind in einem 20-/40-/60-Jährigen, wird sich beschämt und gemassregelt fühlen. Keine Grundlage für Entspannung und Akzeptanz.
Wenn du dich selbst kritisierst, weil du nicht akzeptieren kannst, geht es dem Kind in deinem Inneren vielleicht auch so. Das Kind leidet ganz echt, es möchte raus aus dem Schlamassel, es WILL nicht akzeptieren, dass es so leiden muss. Das ist ernst zu nehmen.

Trotzdem ist es natürlich im Kern wahr, dass der Weg zu einer Genesung (die vielleicht dann anders aussieht, als du sie dir aktuell vorstellst) übers Akzeptieren führt.
Aber der Weg zum Akzeptieren führt garantiert nicht über die Selbstabwertung und über den Erwartungsdruck an sich selbst. Vielleicht ist ein erster Schritt dorthin, deine aktuellen Schwierigkeiten mit dem Akzeptieren ... zu akzeptieren!?! Was meinst du?

Mit fällt spontan ein Buch ein, das mir zu einer Zeit sehr geholfen hat, als ich noch sehr streng war mit mir selbst und mit meinem inneren Kind: Sei nicht so hart zu dir selbst, von Andreas Knuf. Und in der Folge fand ich auch das Buch Selbstmitgefühl von Kristin Neff. Das, was der Titel ausdrückt, wurde zu einem der wichtigsten Hilfsmittel für mich, um mit meinen Ängsten und Depressionen leben zu lernen. Mich und meine inneren Kinder quasi selbst in den Arm zu nehmen, mich und sie zu trösten und zu ermutigen - ganz ohne Druck und Erwartungen, einfach liebevoll und empathisch. Es IST ja auch eine verdammt schwere Bürde, was du trägst, was dein inneres Kind trägt. Und das IST wirklich nicht leicht zu akzeptieren. Vielleicht magst du dir das einfach mal zugestehen?

Das ist, was mir spontan zu deinen Zeilen einfällt. Wenn es irgendwie anklingt, freue ich mich. Wenn nicht, leg es bitte ohne Skrupel einfach beiseite.

Herzlich, Stromboli

10.07.2023 13:09 • x 10 #3


Fritz
Hi
Auf Der Reise!
Erstmal herzlich willkommen!
Ich kann dich sehr gut verstehen, dann ich leide auch mein ganzes Leben lang an Ängsten und Depressionen. Was habe ich alles versucht, um ein Leben ohne Angst und Depression zu führen. (Joga, Qi Gong, Buddhismus Schiedsrichter im Jugendfußball, Forum, Bücher, Therapie usw.) Nichts hat geholfen. Jetzt akzeptiere ich meine Probleme und versuche das Beste daraus zu machen. Das funktioniert schon seit Jahren recht gut! Es bleibt auch nix Anderes übrig. Was für mich funktioniert, kann auch bei so sein!
Servus

12.07.2023 11:22 • x 4 #4


A
Hallo Du, AUfderReise.
Ja.
Auch wenn ich meine Krankheit nicht akzeptiere, ist sie ja doch da.
Die Symptome sind da, es ist eben so.
Ich muß sehr viel mehr Kraft investieren,
um die Krankheit todzuschweigen, nicht anzunehmen, zu verleugnen,
vor mir selbst.
Es hat laaaaaaaaaaaaaaaaaaannnnnnnnnnnnnnnnnnnnnggggggggggggeeeeeeeeeeeeeee
gedauert, bis ich einigermaßen damit umgehen konnte.
Auch heute gibt es diesbezüglich stehts Rückfälle.
Ich kämpfe aber nur gegen mich selbst an, wenn ich dagegen ankämpfe.
Ich wünsche dir alles Gute

13.07.2023 06:14 • x 5 #5


Pilsum
Hallo Auf der Reise,

Zitat von AufDerReise:
seit meiner Jugend habe ich soziale Ängste und Depressionen.

einige Gründe warum Du starke soziale Ängste spürst, wirst Du sicherlich kennen.
Hast Du schon mal versucht, an den sozialen Ängsten etwas zu verbessern?

Zitat von AufDerReise:
Ich habe alles probiert, um gesund zu werden.

Zitat von AufDerReise:
Nichts hat Besserung gebracht.

Ob Du wirklich schon alles probiert hast?

Wenn ich Dein Thema lese, habe ich sofort dazu eine Frage.
Unsere Angst ist ein Gefühl. Eins unser wichtigsten Gefühle. Das bedeutet. Ob wir wollen oder nicht.
Alle Menschen müssen mit der Angst leben.
Es stellt sich aber die Frage. Wie geht man mit diesem wichtigen Gefühl um?

Zitat von AufDerReise:
Anstatt verzweifelt auf Heilung zu hoffen, muss ich die Krankheit bzw. die Symptome akzeptieren und trotzdem das Beste aus meinem Leben machen.


Was hast Du denn für eine Vorstellung davon, was normal ist? Gar keine Angst zu haben kann
ja nicht gehen. Auch Deine Ratgeber, Ärzte und Therapeuten haben mehr oder weniger Angst.
Sie gehen aber anders mit diesem Gefühl um.

Zitat von AufDerReise:
Aber zusätzlich stehe ich mich permanent selbst im Weg.

Zitat von AufDerReise:
Ich bin Meisterin im Vermeiden und Aufschieben.
Verkrieche mich tagelang im Bett.


Hier kannst Du ja schon mal langsam anfangen. Warum wurdest Du denn Meisterin im
Vermeiden und Aufschieben. Hast Du Lust dazu, daran etwas zu verbessern?
Im Bett wirst Du an Deiner Situation vermutlich eher wenig verbessern können.

Und wenn sich Symptome abschwächen sollen, musst Du möglichst täglich etwas dafür tun.

Viele Grüße

Bernhard

14.07.2023 23:33 • x 2 #6


Marylu
Liebe AufderReise,
herzlich willkommen hier im Forum. Ich finde deinen Namen sehr schön und kann Vieles von dem was du schreibst gut nachfühlen. Auch mir fällt es sehr schwer, die Depression anzunehmen. Jede Woche zu schreiben, wie es dir gelungen ist, finde ich gut.
Viel Erfolg dabei und setze dich nicht zu sehr unter Druck.

14.07.2023 23:45 • x 3 #7


A
Danke für die Willkommensgrüße und eure Rückmeldungen.

Diese haben mir bewusst gemacht, dass das Thema mehrere Ebenen hat.
Das war mir beim Eröffnen des Threads nicht so präsent gewesen.
Nämlich:

1. Die Krankheit als solche und damit wortwörtlich das chronische Leiden akzeptieren.
2. Die aktuellen, akuten Symptome akzeptieren und versuchen, zu ignorieren (um trotzdem tun zu können, was getan werden muss).
3. Aber eben auch das Akzeptieren und Einhalten der eigenen Grenzen. Also dass man sich nicht zu viel zumutet und sich nicht schuldig bzw. wie ein Versager fühlt, weil man halt nicht so viel schafft wie Gesunde.

Mein Fokus lag bzw. liegt hier v. a. auf dem zweiten Punkt.

Sprich, dem permanenten Bedürfnis, sich zu einem Päckchen zusammengerollt unter der Bettdecke zu verkriechen, zu widerstehen.
Sich nach dem Essen vom PC loszureißen trotz Suchtfaktor.
Sich zum Duschen, Einkaufen, Gemüse essen usw. zwingen, auch wenn es noch so schwer fällt.

Für meinen ersten „Wochenbericht“ werde ich einen neuen Thread in der Kategorie „Tagebücher“ starten. Da scheint es mir am besten hinzupassen.
Außerdem möchte ich den Titel dort „Mit Angst und Depressionen leben“ nennen, weil letztere in meinem Alltag eben doch auch eine große Rolle spielen. Beide hängen ja irgendwie eng zusammen.

Viele Grüße,
AufDerReise

16.07.2023 17:08 • x 4 #8


A
Ok, ich las gerade den Hinweis, dass man keine 2 Themen zum gleichen Sachverhalt starten soll. Dann poste ich meinen Wochenbericht eben hier.

In dieser ersten Woche ist es mir (wie fast zu erwarten) nicht besonders gut gelungen, meinen Vorsatz umzusetzen. Mir ging es aber auch recht bescheiden.
Ich habe mich auch nicht komplett hängen lassen - aber war halt auch nicht besonders diszipliniert. Es ist eben ein ewiges Tauziehen. Von morgens bis abends. Jeden Tag.

Aber ich will dranbleiben!

16.07.2023 17:20 • x 3 #9


Kate
Zitat von AufDerReise:
Ok, ich las gerade den Hinweis, dass man keine 2 Themen zum gleichen Sachverhalt starten soll. Dann poste ich meinen Wochenbericht eben hier.

Ach mach das ruhig. Das zweite soll ja ein Tagebuch werden, ich fände das sehr sinnvoll, zumal das dann auch persönlich und nicht von jedem außerhalb der angemeldeten User einsehbar wäre.

Liebe Grüße Kate

16.07.2023 17:26 • #10


EmptyLife
Hallo,
ich habe deinen Thread gelesen und möchte einen Gedanken da lassen, der mir mehr bei der Selbstakzeptanz geholfen hat als es jede Therapie je könnte:
Sieh deine Probleme nicht als Krankheit, sondern als Teil von dir und deiner Persönlichkeit. Löse dich von psychologisch-psychiatrischen Etiketten und sieh dich als das was du bist - ein natürliches Individuum. Dann klappt das auch besser mit der Akzeptanz.
Viel Erfolg!

16.07.2023 18:04 • x 3 #11


A
Zitat von EmptyLife:
Hallo, ich habe deinen Thread gelesen und möchte einen Gedanken da lassen, der mir mehr bei der Selbstakzeptanz geholfen hat als es jede Therapie je könnte: Sieh deine Probleme nicht als Krankheit, sondern als Teil von dir und deiner Persönlichkeit. Löse dich von psychologisch-psychiatrischen Etiketten und sieh ...

Hallo EmpyLife,

wir reden wahrscheinlich von verschiedenen Dingen.
Hier ist meine Sicht:

Depressionen sind eine Krankheit.
Ich spüre buchstäblich, wie mein Gehirn nicht richtig funktioniert.

Es ist nicht meine Persönlichkeit, die mich fühlen lässt, als hätte ich Blei in den Knochen.
Meine Persönlichkeit ist nicht der Grund, warum ich den ganzen Tag im Bett liegen will.
Meine Persönlichkeit ist nicht verantwortlich, dass jede einzelne Entscheidung Kraft saugt, jede einzelne Tätigkeit Überwindung kostet.
Ich mich nicht konzentrieren kann.
Kaum noch in der Lage bin, meine Arbeit zu bewältigen.
Dass ich mich von den Menschen fernhalte, die ich mag und wertschätze.
Es enspricht nicht meiner Persönlichkeit, in einer verschmutzten Chaoswohnung zu leben.

Eigentlich bin ich ein kreativer Mensch. An verschiedenen Dingen interessiert. Gleichzeitig ordentlich und gut organisiert. War nie extrovertiert, aber gern im Kontakt mit einem kleinen Kreis von Menschen.

Ich will nicht sagen, dass die Depressionen und Ängste nichts mit meiner Persönlichkeit zu tun haben.
Es hat höchstwahrscheinlich etwas mit meiner Persönlichkeit zu tun - neben einer genetischen Prädispositon und biografischen Elementen - dass ich ursprünglich daran erkrankt bin.

Mit den problematischen Persönlicheitsanteilen konstruktiv umzugehen, daran versuche ich durchaus zu arbeiten. Auch wenn das ein äußerst zäher Prozess ist.

Aber die oben genannten Symptome sehe ich so viel als Teil meiner Persönlichkeit wie ein gebrochenes Bein.

Viele Grüße, AufDerReise

24.07.2023 16:23 • x 1 #12


A
Guten Morgen AufderReise.
Du beschreibst sehr gut.
Deine D.
Ich erlebe mich selbst, als hätte ich 2 Leben, die total verschieden sind.
Eins mit D. , eins ohne.
Hast du schon mal über Ekt- Behandlung nachgedacht.
Habe ich gemacht und es geht mir gut.
Alles Gute für dich.

25.07.2023 05:30 • x 1 #13


111Sternchen222
Hallo @AufDerReise ich bin ebenfalls Angsthase . Der 2. Punkt in deiner Liste hinkt ein bisschen. Zwischen ignorieren und annehmen liegt der Hase im Pfeffer! Wenn du Dinge tust, tu sie mit der Angst.Wohlwollend anerkennen dass sie da ist, auch wenn du jetzt z.b einkaufen gehen möchtest.

25.07.2023 07:10 • x 2 #14


A


Hallo AufDerReise,

x 4#15


BlackKnight
Zitat von AufDerReise:
Hallo EmpyLife, wir reden wahrscheinlich von verschiedenen Dingen. Hier ist meine Sicht: Depressionen sind eine Krankheit. Ich spüre buchstäblich, ...


Ich kann dich da sehr gut verstehen und so war es bei mir auch ; .... bei mir bleibt es dabei: ich sehe bei Fällen wie mittelschweren bis schweren Depressionen keine echte Alternative zu Antidepressivas und Psychotherapie....

25.07.2023 07:18 • x 1 #15

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