Ute71HB
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Einerseits war die Familie großzügig mit Dickmachern wie Torten, Süßigkeiten und Chips, doch andersrum waren die ersten Worte beim Wiedersehen immer: Mann, hast du zugenommen.
Später nicht nur bei der Familie, sondern diese Feststellungen setzten sich im Bekanntenkreis oder in den Krankenhäuser oder Rehakliniken, wo ich immer mit meinem Asthma oder meiner Neurodermitis kam.
Die erste ES machte sich wohl bereits in der Kindheit mit Adipositas bemerkbar. Immer musste ich aufpassen, dass es nicht mehr wurde. Als ich mit 20 das erste Mal abnahm, passierte dies ganz auf dem gesunden weg mit Unterstützung einer Freundin.
Lange hielt ich das Gewicht nicht, ich nahm nach drei Jahren wieder zu, was ich abgenommen hatte. Als mich meine Lungenfachärztin auf mein Übergewicht ansprach, begann ich wieder abzunehmen. Dieses Mal rutschte ich in die Bulimie, nahm wieder 20 kg dadurch ab. Keiner wusste es. Doch schöpfte man Verdacht, gelang es mir, deren Bedenken zu verstreuen. Aber lange hielt ich das Gewicht auch nicht, auf das ich damals sehr stolz war. Ich nenne meine Gewichte nicht in Zahlen, weil ich nicht weiß, ob man es darf, in manchen Foren ist das nicht erwünscht.
Als mein Gewicht im April 2008 schon dreistellig wurde, riss ich wieder die Notbremse und wurde erneut bulimisch. Dies hat sich bis jetzt so ziemlich mit allen Konsequenzen einer Bulimie festgesetzt. Ich empfinde mich trotz heftiger Abnahme immer noch als zu fett, zumindest sehe ich meine Beine noch als fette Killertreter an, ekel mich vor ihnen.
Ich habe Schwierigkeiten, mich unbekleidet zu sehen und erst recht zu zeigen. Blicke in dem Spiegel vermeide ich. Probiere ich ein Kleidungsstück an, drehe ich dem Spiegel in der Umkleidekabine den Rücken zu, drehe mich erst um, wenn ich angezogen bin, um den Sitz der Hose oder des Oberteils zu überprüfen. Sitze ich beim Arzt und muss mich freimachen, geschieht dies in dem Augenblick, wo der Arzt oder die Schwester/Arzthelferin wieder erneut ins Zimmer kommt.
Es gibt einige, die sagen, dass ich viel zu dünn wäre, dabei habe ich im Moment gerade mal Normalgewicht. Aber ich möchte IDEALGEWICHT haben, möchte auf der sicheren Seite sein. Kann sein, dass manchen kein Idealgewicht steht, und es kann auch möglich sein, dass dies immer jene beurteilen wollen, die mich nur bisher mit Übergewicht kannten, aber das möchte ich selbst für mich entscheiden. Das kann ich jedoch nur, wenn ich es selbst gesehen habe. Das lasse ich mir von niemanden nehmen.
Eine Bekannte sagte beim letzten Mal, wo ich sie traf, wie schön es wäre, dass ich wieder zugenommen hätte. Da war ich sauer: auf mich, weil ich mich nicht mehr im Griff hatte, und auf die Bekannte, weil sie mir kein Idealgewicht gönnt. Zudem habe ich vor Gewichtszunahme eine waaahnsinnige Angst. Bei jeder Magersucht- oder Bulimie-Patientin ist es gleich. Abnahme hebt die Stimmung, bei Zunahme wächst der Selbsthass.
Ich kann es auch nicht leiden, wenn jemand mir sagen will, dass es reicht. Hallo, geht's noch? Ich nehme für MICH ab, und nicht für ANDERE. Ich muss mich ja aushalten, die anderen können mir ja aus dem Weg gehen, wenn sie wollen.
So, jetzt habe ich erst einmal Feierabend. Morgen schreibe ich weiter.