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Scham für die eigenen Gefühle / Verliebtsein - wie überwinden?

A
Hallo in die Runde,

ich suche nach Ansätzen und Betrachtungsweisen, wie ich mit alten emotionalen Wunden Frieden schließen kann.

Kurz zur Situation: Ich hab mich mit Anfang 20 in einen jungen Mann verliebt. Als wir uns begegnet sind, ging es mir seelisch nicht gut, ich hatte eine depressive Episode. Bis dahin hatte ich keine nennenswerten Erfahrungen mit Männern gesammelt, weil ich zuvor übergriffiges Verhalten erlebt habe. Ich hab bin Männern aus dem Weg gegangen.
Kennen gelernt haben wir uns, weil er eine Ballbegleitung gesucht hat. Wir haben miteinander getanzt, er war sehr höflich und ich hatte den Eindruck, dass wir uns zueinander hingezogen gefühlt haben. Es war wunderschön. Dann haben wir uns verabredet. Dabei hat er mir von seiner ersten Liebe erzählt, die wohl ganz tragisch als junges Mädchen plötzlich an einer Erbkrankheit verstorben ist. Es entstand eine emotional intime Situation und er wollte mir näher kommen. Ich bin einfach nur erstarrt, obwohl ich gern an ihn herangerückt wäre. Dann wollte er sich nicht mehr mit mir treffen , evtl. weil er mein Verhalten als Desinteresse interpretiert hat. Der Kontakt ist aber nicht abgebrochen, wie haben weiter miteinander geschrieben. Er meinte, er würde mich mögen, hätte aber vorherige Beziehungen immer recht schnell gelöst, wenn ihm etwas nicht gefallen hätte.
Irgendwann haben wir uns nach einer Studentenparty geküsst und sind uns ein wenig näher gekommen. Er wäre gern noch weiter gegangen. Zum ersten Mal habe ich Nähe zulassen und mich fallen lassen können, bis zu einem gewissen Punkt. Es hat sich wie ein Befreiungsschlag angefühlt. Es war wie ein Meilenstein für mich. Dann gab es eine Berührung, die mich getriggert hat und ich hatte eine kleine Panikattacke in seiner Gegenwart. Die hat er auch mitbekommen. Ein paar Tage später meinte er, er hätte mich geküsst, weil er betrunken gewesen sei.

Ich war sehr traurig und enttäuscht und habe den Kontakt zu ihm abgebrochen, habe ihm also mitgeteilt, dass wir uns besser aus dem Weg gehen.

Einige Zeit später bin ich ihm im Rahmen einer Campusparty wieder über den Weg gelaufen. Er hat mich liebevoll in den Arm genommen und hochgehoben. Dann hat er mich sehr offensiv gefragt, ob ich für eine Nacht bei ihm bleiben wolle. Seine Hände strichen mir plötzlich über die Leiste. Wieder bin ich erstarrt. Ein Teil von mir wäre gern bei ihm geblieben und der andere hatte Angst. Eine Freundin hat dann darauf gedrängt, dass wir uns auf den Weg nach Hause machen. Ohne sie wäre ich wohl dort geblieben. Ich hab mich von ihm verabschiedet, indem ich ihm einen Kuss gegeben habe und bin mit meiner Freundin mitgegangen. Ich war total geschockt. Als er wenig später versucht hat, mich anzurufen, konnte ich nicht rangehen. Ich hab am ganzen Körper gezittert.

Ein paar Tage später habe ich all meinen Mut zusammen genommen und hab ihm eine Mail geschickt, in der ich ihm geschildert habe, woher mein Problem rührt. Er hat geschockt darauf reagiert.

Auf mein Bitten nach einer persönlichen Aussprache hat er dann nicht mehr reagiert und ich habe gelitten. Das hat mich verletzt und ich habe mir Luft gemacht, in Ermangelung anderer Möglichkeiten wieder per Mail. Als die Vorlesungszeit wieder begann, hat er sich dann doch bereit erklärt, mit mir zu sprechen. Er wirkte total abweisend und hat mir dann erklärt, da sei von seiner Seite her nie irgendetwas gewesen. Ich hatte den Eindruck als sollte mir das sagen, dass meine Gefühle völlig abwegig seien. Anschauen konnte er mich dabei nicht. Zum Abschied hat er mich noch einmal in den Arm genommen.
Ich hab gedacht, mein Herz zerbricht. Meine bis dahin mittelgradige depressive Episode wurde zu einer schwergradigen. Da bin ich dann zum Arzt gegangen und hab mir Medikamente verschreiben lassen. Zusammen mit einer Gesprächstherapie hab ich dann langsam hab dann wieder ins Leben zurück gefunden.

Bis heute (12 Jahre später) quälen mich die Gedanken daran. Ich halte mein eigenes Schamgefühl fast nicht aus. Ich schäme mich dafür, mich emotional jemandem so geöffnet zu haben, dem ich offenbar gar nicht wichtig war. Ich schäme mich für meine damaligen Verliebtheitsgefühle und ich schäme mich dafür, beschädigt zu sein.

Sorry für den langen Text, aber alles aufzuschreiben hat auch einen therapeutischen Effekt für mich.

11.01.2021 18:31 • x 7 #1


Stromboli
Liebe Annette

Ich habe deinen Text sehr aufmerksam gelesen und er bewegt mich im Herzen. Auch wenn ich nicht deiner Generation angehöre und zudem ein Mann bin, möchte ich dir gerne ein paar Gedanken schreiben. Vielleicht weil die grossen Ängste, mich in eine Liebesbeziehung einzulassen (nach der ich mich andererseits immer sehr gesehnt habe), auch mein grosses Lebensthema waren und zum Teil bis heute sind.

Erstmal tut es mir richtig weh zu lesen, wie dein damaliger Partner reagiert hat, als du dich ihm mit deinen Ängsten geöffnet hast. Da hast du, so wie ich das lese, regelrecht eine Retraumatisierung erleben müssen. Das zeigt sich auch darin, dass sich die damaligen Gefühle selbst heute, 12 Jahre später, noch so stark auswirken.

Doch zu deiner Frage, wie du vielleicht besser mit den alten emotionalen Wunden umgehen könntest.

Du erwähnst eine Gesprächstherapie, die dir zumindest wieder etwas Boden unter den Füssen gebracht hat. Hast du die dann wieder beendet? Oder bist du heute in einer Therapie?

Du erwähnst auch deine Erfahrungen mit übergriffigem Verhalten. Für mich legt deine Schilderung das sowieso nahe, und ich vermute, dass du traumatische Erlebnisse in eine Dunkelkammer deiner Seele wegsperren musstest, deren Ausmass dir heute vielleicht noch nicht bewusst ist. Sehr typisch für solche Traumas, die man nicht verarbeiten konnte, sind die ausgeprägten Schamgefühle - Scham für etwas, wofür sich die damaligen Täter schämen müssten, aber ganz bestimmt nicht du! So kommt es, dass du dich für die natürlichsten und schönsten Gefühle der Welt schämst: dich verlieben, dich öffnen, ja sogar dafür, dass du verletzt wurdest (beschädigt, wie du es nennst). Da benötigt die verletzte jüngere Annette in deiner Seele unbedingt viel Mitgefühl, Liebe, Ermutigung, Unterstützung, damit sie heilen kann.

Selber musste ich einen sehr langen Weg gehen, um meine ähnlichen Wunden nach und nach zu lindern und zu heilen, und es brauchte bei mir eine traumatherapeutische Herangehensweise. Aber das Wichtigste, was mir über therapeutische Fortschritte klar geworden ist: Du musst zwingend ein gutes Vertrauensverhältnis haben mit der Therapeutin oder dem Therapeuten. Das aufzubauen kann Zeit brauchen, aber ob da ein grundsätzlich stimmiges Gefühl ist, spürst du sicher - versuche dem zu vertrauen, wenn irgendein innerer Kritiker dir selbst die Schuld zuschieben will, wenn du dich bei jemandem nicht wohl fühlst. Vorausgesetzt natürlich, du möchtest überhaupt deine Ängste und Schamgefühle therapeutisch angehen. Es gibt auch andere Möglichkeiten, dir etwas Entlastung zu verschaffen, z.B. indem du darauf achtest, dich nicht mit Menschen zu umgeben, die dir nicht gut tun. Auch da, vertraue dir selbst und deinen Gefühlen, mit wem du dich wohl fühlst und wo dir eng wird. Oder, wie du es ja hier getan hast, deine Gefühle aufzuschreiben, das kann tatsächlich therapeutisch wirken.

Länger möchte ich jetzt nicht werden, schicke dir aber von Herzen alle guten Wünsche!
Sei liebevoll zu dir selbst!
Stromboli

11.01.2021 19:53 • x 9 #2


A


Hallo Annette23,

Scham für die eigenen Gefühle / Verliebtsein - wie überwinden?

x 3#3


A
Hallo Stromboli,

ich danke dir sehr für deine Antwort und möchte deine Rückfragen beantworten.
Ja, ich habe die tiefenpsychologische Gesprächstherapie damals abgeschlossen. Ursprünglich hatte ich die aus anderen Gründen aufgenommen, aber über die Thematik hab ich damals auch oft mit meinem Therapeuten besprochen. Er hat aber immer wenig dazu gesagt. Und dann kamen die allgemeingültigen Tipps, die jeder mit psychischen Erkrankungen kennt: ablenken, sich etwas Gutes tun, Kontakt zu der Person abbrechen etc. Das ist ja alles nicht verkehrt, aber hat mir bei der Bewältigung meines inneren Konfliktes nicht wirklich geholfen.

Einige Zeit später hab ich eine Verhaltenstherapie gemacht, in der mein Verhalten gemeinsam analysiert wurde. Allerdings ging es dort nie um die geschilderte Situation sondern schwerpunktmäßig um die Mobbingsituation, die damals auf der Arbeit war. Da hat die Chemie wirklich nicht gestimmt. Ich hab mich nur noch unverstandener gefühlt.

Vor ein paar Jahren bin ich zu einer Therapeutin mit einem emotionsfokussierten Ansatz gekommen. Da hatte ich das Gefühl, dass die Richtung schon einmal gut war. Sie riet mir ebenfalls zu einer Traumatherapie. Da ich aber mit meiner Tochter schwanger war, fand sie den Zeitpunkt nicht ganz günstig.

2020 hab ich mich auf Anraten meiner Kollegin, die gerade ihrer Weiterbildung zur Psychotherapeutin absolviert, mit dem Acceptance- und Commitment-Ansatz befasst und mit dem Ansatz vom inneren Kind. Ich hab das Gefühl, dass mich das auch bei anderen Problematiken weiter und mir mehr Ruhe gebracht hat.

Dass das Thema gerade wieder hochgekommen ist, hängt wahrscheinlich damit zusammen, dass ich vor ein paar Wochen als Fußgängerin von einem Auto angefahren wurde. Zum Glück hab ich nur einen Beinbruch davon getragen. Aber ich sitze noch einige Zeit daheim und habe viiiiel Zeit, mir um alles mögliche Gedanken zu machen. Aber ich kann die erzwungene Auszeit ja auch im positiven Sinne nutzen, um meine Probleme zu bearbeiten.

Mit der Retraumatisierung hast du wahrscheinlich recht. Und obwohl ich so oft an alles denken muss, hab ich es noch nicht verarbeitet. Es läuft immer wieder vor meinen geistigen Auge ab.

11.01.2021 22:55 • x 3 #3


Anka57
Liebe Annette,
ich habe nicht so viel Therapieerfahrung, und kann deshalb wohl nicht so wirklich Ratschläge geben. Nur ein paar persönliche Worte.

Ich habe nicht Deine traumatische Vorgeschichte, aber auch ich kenne schwierige Beziehungen / Freundschaften, und die damit verbundenen Verletzungen.
Es fällt mir auch sehr schwer, mich Menschen anzuvertrauen, mich jemandem zu öffnen.

Ich habe viele Jahre eine intensive (platonische) Freundschaft zu einem Mann gehabt. Ich habe ihm blind vertraut, habe ihn Einblicke in mein Leben und in meine Seele gewährt. Wir haben uns sehr viele Dinge (gegenseitig) anvertraut. Und trotzdem hat mich dieser Freund vor kurzem abserviert, ohne wirkliche Erklärung.
Mal abgesehen davon, dass ich darüber extrem traurig bin, und in ein tiefes Loch gefallen bin (denn er war mein einziger Freund), habe ich grad auch diese Gefühle wie Verletzung, Selbstzweifel, Scham und Reue (mich diesem Menschen so geöffnet zu haben).
Aber diese Gefühle möchte ich nicht haben.

Egal ob Liebe oder Freundschaft Vertrauen und sich jemandem öffnen ist nichts negatives, dafür sollte man sich niemals schämen. DU hast absolut nichts falsch gemacht. Du hast nur jemandem Dein Vertrauen geschenkt, und das finde ich etwas sehr positives.

Mein (ehemals) bester Freund neigt dazu, den Kopf in den Sand zu stecken, bzw. die Flucht zu ergreifen, wenn ihn etwas überfordert. Ich versuche, das als Entschuldigung für ihn zu sehen, da es ihm im Moment vielleicht auch nicht so gut geht.

Vielleicht war Dein Freund damals ja auch überfordert mit Deiner Vorgeschichte. Er konnte vielleicht nicht damit umgehen da er ja anscheinend auch eine schwierige Vorgeschichte hat. Er konnte vielleicht auch nicht mit Dir darüber reden.
Das muss nicht heißen, dass Du ihm nichts bedeutet hast.
Aber dann war er auch nicht der Richtige für Dich, wenn er nicht sensibel und einfühlsam auf Dich eingegangen ist.

Ich weiß, es ist schwer, diese ganzen Gefühle loszulassen.
Ich wünsche Dir alles Gute.

11.01.2021 23:13 • x 9 #4


A
Hallo Anka, Hallo an alle anderen Mitlesenden,

ich hab tatsächlich für mich festgestellt, dass Scham das Gefühl ist, welches ich am schwierigsten aushalten kann. Ich hab gelernt bei Traurigkeit zu weinen, bei Wut zu schimpfen, ins Kissen zu hauen etc. Aber wie geht man eigentlich mit Scham um, wie hält man die aus?

Ich bin keine gebrochene Frau. Ich hab mein Studium erfolgreich abgeschlossen und einen tollen Mann sowie eine fast dreijährige Tochter an meiner Seite. Und trotzdem gibt es da diese Wunde, die irgendwie nicht heilen will. Immer wieder sehe ich die Situationen vor mir als seien sie gestern gewesen, immer wieder durchlebe ich insbesondere den Moment der Abfuhr. Da ist mein Herz sprichwörtlich gebrochen.

Ich muss ganz klar sagen, dass es keine Beziehung zwischen uns gab, sondern das, was ich geschildert habe. Wie auch immer man es nennen mag, vielleicht einen Flirt.

Ich glaube, was mich auch so erschüttert hat, war dass mein Bauch so daneben gelegen haben soll? Ich bin wirklich ein ausgesprochener Bauchmensch und der zeigt mir immer den richtigen Weg auf.
Er hat mehrmals mit der Freundin gesprochen, die uns einander vorgestellt hat, eine Freundin von mir, nicht von ihm. Eben diese Freundin meinte damals, er würde mich mögen, hätte aber Angst, dass ich ein gleich heiraten wöllte. Sie meinte es überspitzt. Auch interessant, weil ich mich nicht erinnern kann, eine feste Bindung zu ihm eingehen zu wollen. Allerdings hatte er nicht Unrecht damit, dass im Allgemeinen ich hätte keine unverbindliche Sache eingehen wollen.

Ich vermute, dass er auch von anderen Verbindungsmitgliedern (er ist damals in eine Studentenverbindung eingetreten) beeinflusst wurde. Nach dem Motto: zeig bloß keine Gefühle.

Er schrieb mir damals nach meinem Geständnis er wolle nicht, dass es mir seinetwegen schlecht geht. Vielleicht hat er auch geglaubt, dass ich alles besser abhaken könnte, wenn er es für wertlos erklärt.

Möglicherweise hatte er auch Angst, dass meine Probleme irgendwie auch seine tangieren. Da darf ja dann nicht an der Schutzmauer gerüttelt werden.

Ich merke gerade selbst, dass meine Theorien allesamt gemeinsam haben, dass ich keinem eiskalten Psychopathen begegnet bin. Wohl aber, dass sich wahrscheinlich keine harmonische Beziehung hätte entwickeln können. Ich brauche einen einfühlsamen und auch etwas mutigen Mann an meiner Seite.

13.01.2021 00:25 • x 2 #5


Anka57
Zitat:
Ich glaube, was mich auch so erschüttert hat, war dass mein Bauch so daneben gelegen haben soll


Hallo Annette,
ja, das kann ich gut nachvollziehen. Ich kämpfe auch sehr mit dem unguten Gefühl, jemanden so falsch eingeschätzt zu haben (in meinem Fall über Jahre).
Aber auch wenn ich schon öfter enttäuscht worden bin, ich würde wohl trotzdem alles wieder so machen. Wenn ich jemanden mag, dann vertraue ich dann öffne ich mein Herz. Ich versuche es als positive Eigenschaft zu sehen. Das ist vielleicht naiv aber ich möchte anderen gegenüber auch nicht misstrauisch und verschlossen sein, nur weil ich schlechte Erfahrungen gemacht habe.
Ich versuche mir immer wieder klar zu machen, dass es nichts gibt, wofür ich Scham empfinden müsste.

Zitat:
er wolle nicht, dass es mir seinetwegen schlecht geht


Oh, diesen Satz habe ich auch oft zu hören bekommen. Aber das macht mich auch sauer! Eine Freundschaft einfach zu beenden, oder jemanden zu verletzen, ist doch viel schlimmer und schmerzhafter, als sich mit dem Problem auseinanderzusetzen.
Für mich ist dieser Satz: Ich will nicht, dass es Dir meinetwegen schlecht geht entweder Ausdruck von Überforderung oder einfach Ausrede sich mit etwas nicht auseinander setzen zu wollen - oder zu können.
Mir wäre es lieber gewesen, wenn mein Freund ganz ehrlich gesagt hätte, dass er gerade mit etwas überfordert ist. Dann hätte ich gewusst woran ich bin, und hätte anders damit umgehen können. Weglaufen ist für mich die falsche Lösung.
Ja, Du hast Recht eine harmonische Beziehung ist / wäre so sicher schwierig.
Ich kenne toxische Beziehungen, die dem einem, oder auch beiden, nicht gut tun. Da ist es besser, wenn diese Beziehung frühzeitig beendet wird, bzw. gar nicht erst zustande kommt.

Bei mir kommt noch ein gravierendes Gefühl dazu: Zurückweisung.
Ich habe gerade hier im Forum den Satz gelesen: Du brauchst Anerkennung und Bestätigung von außen
Ja, genau so ist es. Ich brauche Bestätigung, damit ich mich wertvoll fühle. Traurig aber wahr... ich selbst kann mir dieses Gefühl anscheinend nicht geben.
Mein Freund hat nach vielen Jahren nicht nur meine Freundschaft, sondern auch mich als Mensch zurückgewiesen. Damit komme ich nur schwer klar... mein Selbstwertgefühl ist im Keller.
Aber das ist jetzt wohl eher MEIN Thema.

Ich freue mich, dass Du eine gute Partnerschaft hast. Das habe ich zum Glück auch.

Ich hoffe, dass Deine alten Wunden bald heilen können.
Liebe Grüße

13.01.2021 13:39 • x 2 #6


A
Hallo Anka,

von einem Menschen, den man gern hat (das ist auch bei einem guten Freund der Fall) zurück gewiesen zu werden, ist nie leicht.

Und auch den Punkt mit der Bestätigung von außen kann ich gut verstehen. Wir Menschen sind alle soziale Wesen und sind auf andere Menschen angewiesen. Mir fällt spontan in meinem Umfeld niemand ein, der völlig unabhängig vom Urteil seiner Mitmenschen ist. Und je näher einem der andere steht, umso wichtiger ist uns seine Meinung. Und Ermutigung durch andere zu benötigen finde ich nicht grundsätzlich schlimm.

Ich glaube nicht, dass es falsch war, jemandem mit offenem Herzen zu begegnen. In die Beziehungen danach bin ich dann aber schon in emotionaler Hinsicht erstmal mit angezogenen Handbremse hinein gegangen. Die hab ich dann erst nach etwas Zeit lösen können. Aber mein Mann ist mir auch von Anfang an ganz anders begegnet. Er hat nicht versucht, ein anderer coolerer Mann zu sein, sondern er war einfach er selbst.

Ob das damals alles eine Ausrede, Mittel zum Zweck oder ich weiß nicht was, war, werde ich wohl nie erfahren. Aber ich möchte gern an den Punkt kommen, mich das auch nicht mehr zu fragen, sondern es so zu akzeptieren, wie es war. Mir vielleicht zu sagen, dass wir sehr jung waren und er da irgendwo Probleme hatte, sich mit mir auseinander zu setzen. Eine Entschuldigung ist das auch nicht, aber etwas, dass ich akzeptieren könnte.

Liebe Grüße von Annette

13.01.2021 17:34 • x 2 #7


Anka57
Das hoffe ich auch, dass ich das alles irgendwann akzeptieren kann und meinen Frieden damit finde.

Alles Gute, liebe Grüße

13.01.2021 22:16 • x 1 #8


R
Hallo Anka,
aber brauchen wir nicht alle Anerkennung und Bestätigung? Gehört das nicht zu unserem Leben dazu? Mal ein Lob oder ein liebes Wort zu bekommen? Ohne wäre es doch traurig, finde ich zumindest.
Liebe Grüße, Robbe

14.01.2021 11:16 • x 3 #9


R
Liebe Annette,
damals waren ja einige Faktoren die nicht einfach für dich waren. Du warst in einer depressiven Episode und du konntest keine nennenswerten Erfahrungen mit Männern machen, da du traumatisches erlebt hast.
Dann lernst du den besagten Mann kennen und spürst das erste Mal wieder Nähe und kannst sie zulassen. Du hast dich das erste Mal einem Mann geöffnet, weil du vertrauen zu ihm hattest und das ist seeeeehr gut. Leider konnte dieser Mann nicht damit umgehen und ist deshalb auch mit dir nicht gut umgegangen, was sehr schade ist.
Bei mir ist es oft so, wenn ich irgendwas zu jemand sage und der/die findet das blöd dann schäme ich mich auch dafür. Ich schäme mich jemand etwas persönliches anvertraut zu haben oder meine Meinung zu etwas gesagt zu haben und es wird nicht verstanden.
Bei mir kommt das von meiner Kindheit. Ich habe immer gesagt bekommen sei lieber ruhig, halt den Mund, was weisst du schon, du hast doch keine Ahnung. Das tat sehr weh und hat dazu geführt, dass ich wirklich den Mund gehalten hab und so lernte ich auch mich anzupassen. Immer schön die Meinungen der anderen vertreten da bin ich auf der sicheren Seite.
Heute will ich das aber nicht mehr. Ich will nicht mehr angepasst leben, sondern auch eine Meinung haben und dazu versuchen zu stehen. Ja und dann erwische ich mich ganz oft, dass ich wieder in diese Falle tappe hättest du nur den Mund gehalten und dann ist es wieder da das Schamgefühl, aber es sagt mir nicht die Wahrheit, es ist nur die Stimme von früher, die mich wieder erniedrigen und klein halten will.
Aus meiner Sicht heraus hast du alles richtig gemacht, du hast gar nichts falsch gemacht, ganz im Gegenteil. Du warst mutig, hast dich geöffnet, hast die Wahrheit gesagt, hast Nähe zugelassen. Du hast wirklich keinen Grund dich dafür schämen zu müssen
Liebe Grüße, Robbe

14.01.2021 12:03 • x 3 #10


ZeroOne
Hey @Annette23 !

Du hast schon einige Therapien absolviert, wie ich lese, und wirst daher wahrscheinlich schon mit den verschiedensten Ansätzen versucht haben, das Thema für dich zu klären. Daher weiß ich nicht, ob du hier viel Neues erfahren kannst, denn letztlich kochen alle nur mit (dem gleichen) Wasser, auch wenn man ihm einen anderen Namen gibt.

Ich habe auch schon eine Latte Therapien hinter mir - mit mehr oder weniger überschaubarem Erfolg (meine Themen sind andere). Was mir zwischenzeitlich am ehesten hilft, wenn es um die Vergangenheit geht, ist Reframing (wenn ich das bei meinen Versuchen überhaupt so nennen darf). Das kommt ja so ziemlich an die Überschrift deines Threads heran.

Den Versuch, etwas erlebtes immer wieder aus neuen, anderen Blickwinkeln zu betrachten, empfinde ich als sehr spannend. Und wenn man wirklich am Wechsel der Blickwinkel festhält, sehe ich auch die Gefahr als geringer, sich in einer Perspektive festzufressen und sich in eine Spirale zu drehen.

Anhand deiner knappen Schilderung, die sicherlich keine fundierte Meinung zulässt, ergeben sich für mich schon Fragestellungen, die neue Perspektiven ins Spiel bringen könnten.
Zum Beispiel, ob dich deine damalige Öffnung nicht vor wesentlich schlimmerem bewahrt hat und daher vielleicht genau richtig war? Dadurch hat evtl. ein Kerl das Weite gesucht, der es sowieso nicht ernst meinte und nur auf der Suche nach einem schnellen, unverbindlichen Spaß war?
Vielleicht lag dein Bauchgefühl (wenn auch unbewusst) gar nicht daneben und hat zur Überprüfung dein Verhalten ausgelöst, das dich ggf. vor weiterem beschützt hat?
Auch könnte man die Perspektive wählen, was dich erwartet hätte, wenn du ohne Trauma als anderer Mensch in die Situation gekommen wärst? Wäre das Resultat dann wirklich ein besseres gewesen, oder wäre das Ende vom Lied ggf. noch schmerzhafter gewesen?
Man kann da noch eine Vielzahl weiterer Blickwinkel aufziehen. Exttem wäre zum Beispiel, mal die Perspektive des Kerls einzunehmen und verschiedene Varianten zu spielen.
Vielleicht wäre auch die Frage interessant, ob es wirklich das mit diesem Kerl erlebte Szenario ist, welches dich jetzt schon über so viele Jahre beschäftigt, oder ob vielleicht nicht ein ganz anderes Thema, Defizit, oder Bedürfnis (vielleicht gar nicht nicht mal in direktem Zusammenhang mit dem Trauma) dahinter steckt?

Könnte man jetzt ewig so weiter denken... Hast du wahrscheinlich auch schon gemacht. Wenn meine Gedanken dazu also nichts neues waren: ab in die Tonne damit.

Trotz Vergangenheit, Reframing, etc. denke ich aber auch, dass man dabei das Heute und Hier nicht vergessen sollte und sich dadurch keine weitere, kostbare Lebenszeit ruinieren darf.
Umso mehr freut es mich für dich, wenn du zwischenzeitlich glücklich in deiner Familie aufgehen kannst und die Vergangenheit nicht zu viel von deinem heutigen Leben einnimmt.

LG
ZeroOne

14.01.2021 17:15 • x 4 #11


R
Hallo ZeroOne,
ich finde das immer so lustig wenn du schreibst:Ab in die Tonne damit
LG,Robbe
PS: Das mit den Fragen stellen finde ich sehr interessant!

14.01.2021 19:38 • x 1 #12


ZeroOne
Hallo @Robbe !

Zitat von Robbe:
ich finde das immer so lustig wenn du schreibst:Ab in die Tonne damit


Danke.
Ist ja auch so: ich kann nur meine persönlichen Gedanken und Erfahrungen zu einem Thema von mir geben, in der Hoffnung, dass sie einem anderen vielleicht einen kleinen Schritt weiterhelfen. Ich bin kein Profi und möchte das auch gar nicht sein.

Da wir aber alle so unterschiedlich sind (zum Glück!), wird vieles bei anderen nicht passen, was einem selbst geholfen hat. Und wenn man das feststellt, braucht man es auch nicht weiter mit sich herum tragen.

Insofern: immer schön die Tonne griffbereit halten!

LG
ZeroOne

15.01.2021 12:03 • x 3 #13


ZeroOne
Da fällt mir gerade auf, dass im Nachhinein das Thema / die Überschrift des Threads geändert wurde.
Warum denn sowas?

15.01.2021 12:10 • x 1 #14


A


Hallo Annette23,

x 4#15


R
Ne, das finde ich jetzt nicht!

15.01.2021 12:15 • x 1 #15

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