Annette23
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ich suche nach Ansätzen und Betrachtungsweisen, wie ich mit alten emotionalen Wunden Frieden schließen kann.
Kurz zur Situation: Ich hab mich mit Anfang 20 in einen jungen Mann verliebt. Als wir uns begegnet sind, ging es mir seelisch nicht gut, ich hatte eine depressive Episode. Bis dahin hatte ich keine nennenswerten Erfahrungen mit Männern gesammelt, weil ich zuvor übergriffiges Verhalten erlebt habe. Ich hab bin Männern aus dem Weg gegangen.
Kennen gelernt haben wir uns, weil er eine Ballbegleitung gesucht hat. Wir haben miteinander getanzt, er war sehr höflich und ich hatte den Eindruck, dass wir uns zueinander hingezogen gefühlt haben. Es war wunderschön. Dann haben wir uns verabredet. Dabei hat er mir von seiner ersten Liebe erzählt, die wohl ganz tragisch als junges Mädchen plötzlich an einer Erbkrankheit verstorben ist. Es entstand eine emotional intime Situation und er wollte mir näher kommen. Ich bin einfach nur erstarrt, obwohl ich gern an ihn herangerückt wäre. Dann wollte er sich nicht mehr mit mir treffen , evtl. weil er mein Verhalten als Desinteresse interpretiert hat. Der Kontakt ist aber nicht abgebrochen, wie haben weiter miteinander geschrieben. Er meinte, er würde mich mögen, hätte aber vorherige Beziehungen immer recht schnell gelöst, wenn ihm etwas nicht gefallen hätte.
Irgendwann haben wir uns nach einer Studentenparty geküsst und sind uns ein wenig näher gekommen. Er wäre gern noch weiter gegangen. Zum ersten Mal habe ich Nähe zulassen und mich fallen lassen können, bis zu einem gewissen Punkt. Es hat sich wie ein Befreiungsschlag angefühlt. Es war wie ein Meilenstein für mich. Dann gab es eine Berührung, die mich getriggert hat und ich hatte eine kleine Panikattacke in seiner Gegenwart. Die hat er auch mitbekommen. Ein paar Tage später meinte er, er hätte mich geküsst, weil er betrunken gewesen sei.
Ich war sehr traurig und enttäuscht und habe den Kontakt zu ihm abgebrochen, habe ihm also mitgeteilt, dass wir uns besser aus dem Weg gehen.
Einige Zeit später bin ich ihm im Rahmen einer Campusparty wieder über den Weg gelaufen. Er hat mich liebevoll in den Arm genommen und hochgehoben. Dann hat er mich sehr offensiv gefragt, ob ich für eine Nacht bei ihm bleiben wolle. Seine Hände strichen mir plötzlich über die Leiste. Wieder bin ich erstarrt. Ein Teil von mir wäre gern bei ihm geblieben und der andere hatte Angst. Eine Freundin hat dann darauf gedrängt, dass wir uns auf den Weg nach Hause machen. Ohne sie wäre ich wohl dort geblieben. Ich hab mich von ihm verabschiedet, indem ich ihm einen Kuss gegeben habe und bin mit meiner Freundin mitgegangen. Ich war total geschockt. Als er wenig später versucht hat, mich anzurufen, konnte ich nicht rangehen. Ich hab am ganzen Körper gezittert.
Ein paar Tage später habe ich all meinen Mut zusammen genommen und hab ihm eine Mail geschickt, in der ich ihm geschildert habe, woher mein Problem rührt. Er hat geschockt darauf reagiert.
Auf mein Bitten nach einer persönlichen Aussprache hat er dann nicht mehr reagiert und ich habe gelitten. Das hat mich verletzt und ich habe mir Luft gemacht, in Ermangelung anderer Möglichkeiten wieder per Mail. Als die Vorlesungszeit wieder begann, hat er sich dann doch bereit erklärt, mit mir zu sprechen. Er wirkte total abweisend und hat mir dann erklärt, da sei von seiner Seite her nie irgendetwas gewesen. Ich hatte den Eindruck als sollte mir das sagen, dass meine Gefühle völlig abwegig seien. Anschauen konnte er mich dabei nicht. Zum Abschied hat er mich noch einmal in den Arm genommen.
Ich hab gedacht, mein Herz zerbricht. Meine bis dahin mittelgradige depressive Episode wurde zu einer schwergradigen. Da bin ich dann zum Arzt gegangen und hab mir Medikamente verschreiben lassen. Zusammen mit einer Gesprächstherapie hab ich dann langsam hab dann wieder ins Leben zurück gefunden.
Bis heute (12 Jahre später) quälen mich die Gedanken daran. Ich halte mein eigenes Schamgefühl fast nicht aus. Ich schäme mich dafür, mich emotional jemandem so geöffnet zu haben, dem ich offenbar gar nicht wichtig war. Ich schäme mich für meine damaligen Verliebtheitsgefühle und ich schäme mich dafür, beschädigt zu sein.
Sorry für den langen Text, aber alles aufzuschreiben hat auch einen therapeutischen Effekt für mich.