Hallo Brave,
wenn ich hier so lese, dann kann ich den Konflikt, in dem Du steckst, gut verstehen.
Du möchtest Deinem Sohn so gerne helfen, wahrscheinlich auch mit dem Hintergrund, dass Du schon einen Sohn durch diese Krankheit verloren hast!
Ich glaube, es ist eine sehr schwierige Gratwanderung: Zum einen Deinen Sohn in den Situationen zu unterstützen, wo es ihm zu schlecht geht, als dass er selbst für sich in die Verantwortung zu gehen, zum anderen aber ihm auch nicht zuviel abzunehmen, damit er merkt, dass er für sich und sein Leben selbst verantwortlich ist!
Ich möchte Dir mal kurz meine Situation schildern, obwohl ich viel älter bin als dein Sohn es ist (ich bin 44)
Ich bin alleinerziehende Mutter von zwei Kindern und rutschte vor zwei Jahren ganz tief in die Depression.
Ich bin nicht nur ohne Partner, sondern weitestgehend auch ohne familiäre Unterstützung. Ich musste also ganz alleine für mich sorgen, es gab keinen, der mir irgendetwas abgenommen hätte.
Obwohl es mir teilweise sehr schlecht ging, musste ich trotzdem alleine immer wieder zu meiner Ärztin, um mir eine Krankmeldung oder ein Rezept zu holen. Ich schleppte mich regelrecht dorthin, aber ich wusste auch um die Konsequenezen, die ich hätte tragen müssen, hätte ich es nicht geschafft! Wenn ich teilweise tagelang nicht aus dem Haus ging, aber ich wusste, dass ich mich zum Arzt schleppen musste, um geholfen zu bekommen.
O.K., ich bin alleinerziehende Mutter und trotz der Schwere der Krankheit wusste ich, dass ich noch Verantwortung für meine beiden Kinder hatte, die mir keiner abgenommen hat. Also schaffte ich die Kurve irgendwie dann doch!
Aber ich musste alles selbst in die Wege leiten. Eine Reha, eine Psychotherapie, den Umgang mit meinem Arbeitgeber und so vieles mehr! Obwohl ich mir immer Unterstützung gewünscht habe und auch heute noch wünsche, weiß ich aber auch, dass ich vielleicht heute gar nicht so weit wäre, hätte es jemanden gegeben, der mir alles abgenommen hätte!
Zitat von Brave:Ich habe schon öfter für ihn telefoniert, aber eig.nur dann um negative Konsequenzen für ihn aus dem Weg zu räumen. Mit seiner Arbeitsstelle damals, wenn er in einen Loch war - oder als er Hartz IV Termine hatte und sie nicht wahrnehmen konnte. Meist erledigt er solche Sachen per E-mail. Ich dachte dann immer an die Konsequenzen für ihn, wenn er nicht in der Lage war (zumindest sich so gab) nicht selber absagen zu können oder einen neuen Termin zu machen. Und ich gebe viell. mit dem Aufmuntern zu schnell auf und denke, er kann es halt jetzt nicht.
Und ich hole seine Krankmeldung beim Hausarzt auf dem Nachhauseweg von der Arbeit ab. Die wird an der Anmeldung nur ausgefüllt und dann zum Unterschreiben gegeben. ER muss nicht zum Doc. rein. Der kann in dem Moment ja sowieso nicht helfen. Aber das könnte auch falsch sein - er müsste seinen Ar. dann vom Sofa erheben und selber mit dem Auto hinfahren.
Auf die Punkte möchte ich auch gerne nochmal eingehen. Wie soll Dein Sohn lernen, was Eigenverantwortung bedeutet, wenn alle negativen Konsequenzen von Dir verhindert werden? Wenn Du ihm sogar abnimmst, sich ein Rezept zu besorgen, hinderst Du ihn vielleicht unbewusst daran, dass er lernen kann, für sich zu sorgen.
Wie irgendjemand hier schon geschrieben hat, wäre es trotzdem sinnvoll, dass er kleine Dinge selbstständig für sich erledigt.
Konsequenzen zu spüren isat nicht immer nur Strafe, sondern könnte auch ein Ansporn sein, Veänderungen herbeizuführen, damit man künftig diese Konsequenzen nicht mehr tragen muss.
Ein Weg für Dich könnte sein, ihm z.b. einen Anruf nicht mehr abzunehmen, ihn trotzdem zu motivieren, es zu tun, ihm aber auch klar die Konsequenzen vor Augen zu führen, die er tragen müsste!
Man sollte bei alldem nicht vergessen, dass er 26 Jahre alt ist und das Ziel haben sollte, alleine und selbstständig für sich sorgen zu können.
Unterstützung zu haben, ist eine wundervolle Sache, aber die Unterstützung durch Dich, sollte sich eher im Hintergrund halten, damit er den Blick frei hat, handeln zu müssen, wenn er etwas bestimmtes erreichen möchte!
Für Dich wäre es aber auch sinnvoll, dass Du Dir entweder auch therapeutische Unterstützung holst, oder Dich aber evt. nach einer Selbsthilfegruppe für Angehörige umschaust, wo Du persönlich auch durch den Austausch Unterstützung erhalten könntest!
Alles Gute!