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Ständiges Gedankenkreisen - was sind die Ursachen?

David Spritz
Ich hatte da eine Idee und würde gerne mal Eure Meinung dazu hören bzw. wissen, ob es bei Euch auch so ist:

Ich habe mal vor Jahren angefangen, eine Tabelle zu machen, in der ich Erkenntnisse über mich selbst festhalte. Da steht drin, welche Symptome ich von mir kenne, woran das jeweils normalerweise bei mir liegt und was ich dann dagegen tun kann. Da ich in letzter Zeit viel mit dem Gedankenkreisen beschäftigt war, wie es ja bei Depressionen üblich ist und wie ich das auch aus meinen beiden depressiven Episoden kenne, habe ich mal dort nachgeschlagen und Folgendes gefunden.

Symptom: Gedankenkreisen / nicht im Hier und Jetzt bleiben können
Ursache: habe mich zu wenig meinem Schmerz gewidmet
Abhilfe: den Schmerz betrachten und aushalten

Daraufhin habe ich das ausprobiert, und siehe da: Das Gedankenkreisen hört auf, ich werde ruhiger und ausgeglichener, sehe sofort mehr Sinn in meinem Leben und fühle mich null depressiv.

Meine Theorie dazu ist: Mit dem Gedankenkreisen versuche ich mich absichtlich selbst beschäftigt zu halten. Ich versuche, mich dadurch ängstlich zu machen und meine Aufmerksamkeit auf die äußeren Umstände und die Zukunft zu lenken, um mich selbst vom Hier und Jetzt abzulenken. Denn im Hier und Jetzt, das habe ich als Kind gelernt, warten die negativen Gefühle, der Schmerz, das Nicht-Geliebt-Werden, das Sich-Verlassen-Fühlen, die Einsamkeit. Alles ist besser als das, selbst eine völlig sinnlose Angst oder eine Depression. So muss ich mir das als Kind überlegt und seitdem so gelebt haben. Heute sehe ich das selbstverständlich anders, da ich ja inzwischen weiß, dass man an einem Einsamkeitsgefühl nicht stirbt. Aber das Verhaltensmuster ist trotzdem noch in mir drin, und ich kriege das nur sehr langsam nach und nach aus mir raus.

Kann das allgemein die Ursache für Ängste und Depressionen sein? Oder ist das nur bei mir so? Habt Ihr ähnliche Erfahrungen wie ich gemacht? Oder vielleicht ganz andere? Würde mich mal interessieren!

08.01.2014 14:01 • x 2 #1


H
Hallo David Spritz,

habe jetzt mehrfach Dein Posting gelesen und mich entschieden meinen Senf hinzuzugeben. Anlass ist, dass ich (mal wieder) in eine deprissive Phase abrutsche / abzurutschen drohe/ dagegen wie unten beschrieben ankämpfe (wie auch immer)...Dazu gehört eben auch bei mir Gedankenkreisen und auch Panik bekommen über die Sachen, um die es in dem Kreiseln geht:

Deine Liste
Symptom: Gedankenkreisen / nicht im Hier und Jetzt bleiben können
Ursache: habe mich zu wenig meinem Schmerz gewidmet
Abhilfe: den Schmerz betrachten und aushalten

habe ich so nicht, aber ich habe gelernt, sobald ich ins Grübeln und Kreiseln komme einen Realitätscheck zu machen. Das könnte in einer Liste so formuliert werden:
Symptom: Gedankenkreiseln, Angst und Panik bekommen, Kreisel dreht sich immmer schneller
Ursache: habe mich mit der grundlegenden Situation (oder Situationen) um die es geht nicht ausreichend auseinandergesetzt (das täte ja eventuell weh, also zuwenig dem Schmerz widmen gehört bestimmt dazu)
Abhilfe: STOPP! Sortieren, Aufschreiben (wenn Du willst dem Schmerz stellen) und Realitätcheck und dann wenns geht klären!

Also ich schreibe mir die einzelnen miesen Gedanken (Horrorszenarien, etc.) auf, so wie die mir im Kreisel durch den Kopf schiessen. Im dann folgenden Realitätscheck stelle ich mir die Frage: Was weiss ich von der Situation um dies es geht genau? Was hat wer gesagt? Was ist tatsächlich belegbar? So habe ich dann ein klareres Bild und keinen Kreisel mehr. Von dem klareren realistischeren Bild entwickle ich dann Sachen die ich klären will, um weiteres klar zu bekommen, (wie ist es tatsächlich: verarme ich tatsächlich innerhalb der nächsten 4 Monate -- Ein und Ausgaben überprüfen; oder verar***hen mich meine Kollegen tatsächlich? Was haben die tatsächlich gesagt und was denke ich , nehme ich an, leite ich ab und frage im Einzelfall nach... Wie war das gemeint.. etc.. Ich habe verstanden, dass Du x., ist das richtig?)

Also zusammenfassend untersuche ich dann das aktuelle Hier und Jetzt; schaue genau hin....und drifte nicht mehr durch den Kreisel....und das alte hier und Jetzt das als Kind gelernte Hier und Jetzt, was ja im aktuellen Hier und Jetzt die Vergangenheit ist (!!) verliert ein stückweit seine Macht über mich.

Das klappt nicht immer und auch nicht immer beim ersten Mal und das Klären ist sehr anstrengend für mich. Die Verhaltensmuster müssen überwunden werden wenigstens teilweise.

Im Moment bin ich mit meiner aktuellen Sache etwa zwei Tage zu Gange-das schlaucht auch, aber es geht voran.

Kraft und Glück wünscht
huxx

28.01.2014 12:15 • #2


A


Hallo David Spritz,

Ständiges Gedankenkreisen - was sind die Ursachen?

x 3#3


David Spritz
Du verwendest da eine rein kognitive Methode. Ich hatte auch 2 Jahre ambulant kognitive Verhaltenstherapie und habe solche Techniken dort auch gelernt. Sie können zwar ein gutes Handwerkszeug in der akuten Angst-Situation sein, sind aber meiner Meinung nach keine nachhaltige Lösung. Man muss diese Techniken wieder und wieder anwenden, aber man kommt nie bis zur Ursache der Ängste. Im Gegenteil, man ist ständig beschäftigt damit, sich selbst Ängste ein- und anschließend wieder auszureden, und hat damit keine Zeit mehr übrig, sich den dahinter liegenden Problemen zu widmen. Ein Selbstablenkungsmanöver, das dazu führt, dass man nicht mehr tiefer gehen muss, dorthin wo es wahrhaft unangenehm wird!

Ich muss meinen Beitrag oben allerdings ergänzen, da ich gestern eine interessante Beobachtung bei mir gemacht habe:

Und zwar habe ich ja quasi schon mein ganzes Leben mit so einem brennenden Schmerz in der Brust zu kämpfen, der mal stärker und mal schwächer ist und über längere Phasen zwischendurch auch mal ganz verschwindet, je nach Lebenssituation und Tagesform. Wenn der Schmerz sehr stark wird, fühlt es sich so an, als müsste ich gleich sterben. Das macht mir große Angst. Wenn ich mich dann dem Schmerz widme, erkenne ich, dass ich nicht sterben muss, und die Angst verblasst. Daher kam dann auch meine Schlussfolgerung, dass ich mich mit meinem Schmerz beschäftigen muss, wenn die Angst kommt, und das funktioniert ja auch.

Aber auch das kratzt ja in der Hinsicht nur an der Oberfläche, dass ich nicht frage, woher mein Schmerz eigentlich kommt. Ich habe nämlich nicht den Eindruck, dass der Schmerz rein aus meiner Kindheit kommt und jetzt nach und nach heilen kann, sondern es kommt mir so vor, als wenn immer wieder neuer Schmerz dazukommt, den ich mir selbst unbewusst zufüge. Ich habe jetzt mal bei mir beobachtet, dass der Schmerz und das Gedankenkreisen insofern zusammenhängen, dass bei starken Emotionen mein Hals eng wird, die Gefühle mir im wahrsten Sinne im Halse steckenbleiben und ich mich quasi nur noch im Kopf befinde. Dadurch bleibt mir keine Wahl als immer zu denken, denken, denken, denn etwas Anderes kann der Kopf ja nicht.

Wenn ich aber dann meinen Hals entspanne und die Gefühle fließen lasse, dann passiert etwas Interessantes: Ich habe sehr starke, teilweise auch sehr unangenehme Körperempfindungen von Angst, Wut, Trauer etc., so dass ich sie kaum aushalten kann, dafür verstummen aber die Gedanken fast komplett, und auch der Schmerz ist wie weggeblasen. Der Hals zieht sich währenddessen wie von selbst wieder und wieder zu, und ich muss mich immer aufs Neue ermahnen, ihn wieder zu öffenen und den unangenehmen Gefühle freien Lauf zu lassen. Gleichzeitig versuche ich aber, innere Distanz zu den Gefühlen zu halten, indem ich mich in eine Beobachterposition begebe, damit sie mich nicht verschlingen. Habe ich das dann eine Weile getan, beruhigt sich alles, und ich muss nicht mehr kämpfen. Ich empfinde dann tiefen Frieden in mir, ohne unangenehme Körperempfindungen, ohne den engen Hals, ohne das Brennen in der Brust und auch ohne das ewige Gedankenkreisen. Ich bin klar im Kopf und kann alles aus einer gesunden und objektiven Distanz betrachten. Diese Methode möchte ich weiter einüben, da ich das Gefühl habe, dass sie richtig, richtig tief geht und noch näher an der wahren Ursache ist als kognitive Techniken oder nur das Aushalten meines Schmerzes.

Mein neuer Ansatz lautet daher jetzt
Symptom: Gedankenkreisen / Schmerz in der Brust
Ursache: Ich bin nur im Kopf statt im Körper.
Abhilfe: den Hals entspannen und die Gefühle fließen lassen und beobachten

Mal schauen, ob es funktioniert!

29.01.2014 10:05 • #3


David Spritz
Schade! Das hätte mich sehr interessiert, Moonlightwoman! Ich habe nämlich eine starke Resonanz in mir gespürt bei dem, was Du geschrieben hast. Jetzt ist das Ende leider offen geblieben. Vielleicht magst Du dazu ja doch noch was schreiben!?

Was die unterschiedlichen Strategien angeht, so muss ich Dir zustimmen, dass auch ich zunächst die kognitive Strategie, wie huxx sie beschreibt, als Handwerkszeug gebraucht habe, um das Gefühl zu bekommen, nicht mehr hilfloser Spielball meiner eigenen Ängste zu sein. Erst von dieser Plattform des Selbst-Vertrauens aus war es mir möglich, auch hinter die Angst zu schauen. Auch bei mir steckt aber wahrscheinlich ein tiefes Kindheitstrauma hinter allem, das mir immer und immer wieder in mein heutiges Leben reinpfuscht und mich unfrei in meinen Entscheidungen macht. Arbeiten kann ich zwar, und mich um meine Kinder kümmern, aber ich stehe emotional auf sehr wackeligen Beinen, mein Leben ist seit meiner letzten Depression 2010 eine ewige Achterbahnfahrt. Das liegt zum Teil an den äußeren Umständen (Ex-Frau mit Borderline macht mir das Leben schwer), zum Teil bin ich aber auch zutiefst im Unreinen mit mir selbst und daher kaum wirklich lebensfähig, sondern gerade mal überlebens-fähig. Ich habe auf jeden Fall noch einen langen Weg vor mir, auch ohne dass ich jetzt noch depressiv wäre. Aber ich will und werde ihn gehen, bis ganz zum Ende, egal wie viel Schmerzen unterwegs noch auf mich warten mögen.

30.01.2014 08:59 • #4


David Spritz
Kein Problem, lass Dir Zeit! ;-)

04.02.2014 08:21 • #5

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