A
annasa
- 4
- 1
- 1
Hallo,
Dies ist mein erster Beitrag, ich bin gar nicht sicher, wo ich anfangen soll. Wahrscheinlich werde ich viel zu weit ausholen, aber ich glaube, ich will das einfach mal alles runterschreiben und mir vor Augen führen, wie weit ich gekommen bin.
Ich bin 31 Jahre alt und studiere im Bachelor Germanistik, Anglistik und Mathe auf Grundschullehramt - immer noch.
Ich war 13, als meine Mutter, die der wichtigste Mensch für mich war, mit Krebs diagnostiziert wurde und ich war 19 (es waren zwei Wochen vor meinen Abiturprüfungen) als sie im Hospiz verstarb. Danach ging es bergab mit mir. Ich bestand das Abitur, auch mit viel Wohlwollen der Lehrer, bewarb mich für einen Studienplatz und bekam keinen. Mein Vater suchte mir einen Platz als FSJler in einem Behindertenheim, wo ich dann ein Jahr arbeitete. Es war schwer, die Menschen dort mit physischen und psychischen Krankheiten zu sehen und gleichzeitig ständig an meine Mutter zu denken. Viele Tage war ich nur am Weinen und wurde von Kollegen früher nach Hause geschickt. Sie waren damals sehr nett zu mir und suchten auch einen Psychologen für mich heraus und fragten, ob sie mit mir zusammen hingehen sollten. Ich erzählte meinem Vater davon und er wiegelte grob ab, ich bräuchte doch keinen Psychiater. Das schreckte mich ab, ganz besonders weil meine große Schwester und mein Vater nichts von psychischen Krankheiten halten. Meine Tante und ihre Tochter waren beide über die Jahre mehrmals in Kur und jedes Mal haben sich mein Vater und meine Schwester abfällig darüber ausgelassen, dass man sich ja auch anstellen kann usw.
Nach dem FSJ bekam ich einen Studienplatz an meiner jetzigen Uni und fing an zu studieren, was ich leider immer noch studiere. Die ersten Jahre waren die Hölle. Ich zog mit Studienstart in die Stadt meiner Uni und kannte dort niemanden. Ich war nicht in der Lage, Freude und Aufregung zu empfinden, ich konnte mich nicht konzentrieren. Ich bin aus Vorlesungen herausgekommen und hätte nicht sagen können, was das Thema der Sitzung gewesen war. Ich träumte jahrelang jede Nacht denselben Traum von meiner Mutter und wachte weinend auf. Ich fing an, später ins Bett zu gehen und früher wieder aufzustehen. Irgendwann, ich kann nicht mal sagen wann, weil es alles wie im Nebel ist, konnte ich gar nicht mehr aus dem Bett kommen. Es geschah dann wöchentlich, dass mir nach ein paar Tagen das Essen ausging und ich bis zu ein, zwei Tage gar nichts aß, bis ich die Kraft aufbringen konnte, aufzustehen und einkaufen zu gehen. Ich schaltete mein Handy bis zu einer ganzen Woche aus und es kostete mich eine unglaubliche Überwindung, es anzuschalten und Anrufe meiner Schwester oder meines Vater zu beantworten, die nur über die Uni reden wollten. Ich sagte Verabredungen am Wochenende mit Freunden ab, weil ich es nicht ertragen konnte, unter Leute zu gehen. In meiner Wohnung hatte ich alles abgedunkelt, was man nur dunkel machen konnte. Ich fing an, sehr viel zu schlafen und trotzdem nie richtig fit sein zu können. Der Gang zum Briefkasten bereitete mir Bauchschmerzen. Mir kam nicht mal der Gedanke, Hilfe zu rufen. Zu der Zeit waren alle Freunde zerstreut in verschiedene Städte und ich hatte keine beste Freundin, der ich mich hätte anvertrauen können. Mein Vater und meine Schwester hackten regelmäßig auf Langzeitstudenten und Menschen mit psychischen Krankheiten herum, sodass mir nicht mal im Traum eingefallen wäre, mich an sie zu wenden. Ich dachte auch nicht, dass ich eine Krankheit hatte, ich dachte, ich wäre schwach und faul und müsste mich einfach mehr anstrengen.
Das war, glaube ich, der Wendepunkt für mich. Ich hätte daran zerbrechen und eines Tages einfach verhungern können, aber stattdessen begann ich, mir Gedanken zu mir selbst, meiner Situation und zu meiner Beziehung mit meiner Schwester und meinem Vater zu machen. Ich mache das immer noch und meine jetzigen Freunde nennen das dann immer Selbsttherapie
Langsam ging es mir besser, ich konnte ein paar Scheine an der Uni machen, dann lief in einem Fach die Studienordnung aus, weswegen ich mich auf die neueste umschreiben lassen musste und alte bestanden Scheine überflüssig wurden während weitere neue Scheinanforderungen hinzukamen. Das warf ich mich etwas aus der Bahn und frustrierte mich. Aber ich fand eine Lösung zum Beispiel fürs Praktikum in der Anglistik (in der alten Studienordnung mussten wir vier Wochen an einer Schule in einem englischsprachigen Raum sein; das war ich, und lag nach der Schule jedes Mal im Bett) in der neuen Studienordnung wurden es 12 Wochen. Also suchte ich mir einen Job bei ruf Reisen als Sprachteamer für Englisch und arbeitete in zwei Saisons für jeweils 5 Wochen für ruf. Darauf war ich sehr stolz, denn erstens hatte ich es mir alleine herausgesucht und selbst eine Lösung für das Problem mit den zusätzlichen Praktikumsstunden gefunden (denn meinen Vater wollte ich auf keinen Fall um finanzielle Hilfe für einen weiteren Aufenthalt im Ausland fragen) und es war das erste Mal seit es mir so schlecht ging, dass ich aus meiner gewohnten Umgebung herauskam. Es tat so wahnsinnig gut.
Aber ich kam zurück und hatte immer noch mit Depressionen zu kämpfen. Ganz besonders zu Semesterende machte ich mich praktisch vor Angst selbst krank und fühlte mich erst besser, wenn ich im Bett liegen blieb und die Prüfungen sausen ließ.
Als ich einmal zu meinem jahrelangen Hausarzt ging wegen einer Impfung, fing er plötzlich an, mich über mein Studium auszufragen und wie lange ich denn noch studieren würde usw. Ich fühlte mich bedrängt und wollte gehen, als er sagte, dass mein Vater ihn gebeten hätte, mit mir zu sprechen. Ich kann nicht mal ansatzweise erklären, wie verraten und gedemütigt ich mich fühlte. Als mein Vater mir dann zwei psychologische Lebensberater heraussuchte, brachte ich es nicht über mich, mehr als einmal zu ihr zu gehen, weil ich ständig das Gefühl hatte, unter der Kontrolle meines Vaters zu stehen, auch wenn ich natürlich wusste und sie mir auch versicherte, dass alles, was wir besprachen unter die Schweigepflicht fiel.
Ich habe mir eine andere Beratungsstelle vor zwei Jahren gesucht und bin dort ein, zweimal gewesen, habe aber aufgehört, weil es von den Tagen her mit der Uni und dem Job nicht mehr klappte und ich das Gefühl hatte, dass ich endlich besser mit der Uni umgehen konnte und ein Licht am Ende des Tunnels sah. Eine Freundin etablierte sich zu meiner besten Freundin, der ich alles anvertrauen konnte, was ich durchmachte, und die mir zuhört, mich versteht und immer auf meiner Seite ist, wenn mein Vater oder meine Schwester mal wieder verbale Seitenhiebe loslassen.
Dann fing es letztes Jahr an, dass ich auf einmal wieder müde wurde. Meinen Job konnte ich zu dem Zeitpunkt noch gut ausführen, aber in der Uni bei Seminaren konnte ich mich schwer konzentrieren. Trotzdem hielt ich durch. Aber es wurde schlimmer. In den Semesterferien im Februar/März wechselte ich den Job und hatte erst einmal zwei Wochen Training mit jeweils 4 Stunden pro Tag. Außerhalb des Trainings lag ich nur im Bett und konnte nur schlafen, im Training konnte ich nichts im Kopf behalten. Ich hatte wahnsinnige Angst, auf einmal wieder in schwere Depressionen zu rutschen, dass ich das nie bekämpfen könnte. Im Mai saß ich dann heulend bei meiner (neuen) Hausärztin und sie hatte sofort den Verdacht auf Schilddrüsenunterfunktion. Verdacht wurde dann per Bluttest bestätigt. Ich war erleichtert, dass es einen Grund für meine Verfassung gab, aber das machte die Depression nicht besser. Als ich anfing die Schilddrüsenunterfunktionstabletten zu nehmen, ging es mir anfangs besser, aber dann stetig schlechter (ich bin immer noch nicht mit der richtigen Dosierung eingestellt, meine Blutwerte werden immer noch schlechter), bis ich dann jetzt in den Semesterferien gar nichts mehr konnte. Ich konnte meinen Job nicht machen, konnte die Hausarbeiten nicht schreiben (ich dachte, es läge an der Hitze; meine Wohnung ist im Dachgeschoss und ich fühlte mich diesen Sommer rund um die Uhr überhitzt) und dachte (mal wieder) ich würde mich nur anstellen und faul sein.
Meine Studienordnung wird nach diesem Semester in meinem anderen Fach ebenfalls auslaufen. Als ich jetzt gerade gelesen habe, dass ich bis zum 4.10. Zeit habe, um zu klären, was mit meiner Einschreibung los ist (es war eine PC generierte Email), dass ich es mir also sparen kann anscheinend zu versuchen, bis zum 30.09. noch Leistungen zu erbringen, da die Dozenten bis zum 04.10. das eh nicht korrigiert bekommen, habe ich mich gefühlsleer und seltsam erleichtert gefühlt. Die ganzen letzten Wochen habe ich viel geweint und mich gestresst gefühlt und mich als Versagerin gefühlt, weil ich nichts hinkriege. Und jetzt überlege ich, ob ich, nachdem ich eine Jobbewerbung geschrieben habe, vielleicht irgendwo spazieren gehe. Und dass ich morgen abkläre mit der Uni, welche Kurse ich nächstes Semester dann besuchen muss, falls ich nicht exmatrikuliert werde.
Seltsam, am Anfang dieser Email hab ich noch geweint und jetzt nicht mehr. Ich weiß nicht, irgendwann hab ich das Gefühl, ich sollte anders fühlen als das was ich jetzt tue. Ich meine, ich will das Studium unbedingt abschließen (zumindest den Bachelor). In den letzten Jahren hat mein Vater mich gezwungen, mich für Ausbildungsplätze zu bewerben. Das tat ich auch, ich suchte mir Berufe heraus, die mich interessieren könnten, bewarb mich und wurde zu Vorsellungsgesprächen eingeladen. Aber je mehr ich mich damit beschäftigte, umso verstand ich, dass ich das nicht wollte. Ich finde Deutsch und Englisch spannend, ich liebe Sprachen, wenn ich mehr Zeit habe, möchte ich Französisch und Spanisch wieder auffrischen, und ich möchte gerne in einer Schule oder als Übersetzerin oder ähnliches arbeiten. Deswegen versuche ich gerade einen Job zu finden, der in die Richtung geht, damit ich wenigstens schon mal einen Fuß in der Tür hab.
Na ja, mal sehen, was jetzt passiert. Ich habe das Gefühl, ich habe mich persönlich sehr viel weiterentwickelt, habe sehr viel an mir gearbeitet und auch besonders meine Beziehung zu meiner Schwester und meinem Vater neu bewertet, indem ich nicht alles glaube, was sie über mich sagen und nicht mehr von ihnen erwarte, als sie tatsächlich bereit sind zu geben. Es fehlt nur noch der Durchbruch mit dem Studium. Und weil ich mich jetzt im Moment so gut fühle, macht mir das etwas Angst. Ich werde in zwei Wochen zu der psychologischen Beratung an der Uni gehen. Ich bin einfach nur frustriert. Meine Lebensqualität hat im letzten Jahr dank der Schilddrüse unglaublich gelitten, aber ich dachte, solange ich einen großen Sprung vorwärts mit der Uni mache, wäre es das wert. Und jetzt ist selbst das mir genommen worden. Ich hasse das Gefühl, seit Jahren auf der Stelle zu treten - und komischerweise hasse ich es auch, dass ich so über das lange Studieren denke, denn ich weiß noch, als ich anfing zu studieren, gab es viele Diplom(?)studenten, die bewusst und offen zugaben, bis zu 20 Semester studieren zu wollen, weil sie so viel mitbekommen wollten, wie sie können oder einfach noch nicht ins Berufsleben eintreten zu wollen. Ich wünschte, ich könnte das auch etwas lockerer sehen und mich nicht so schämen, ganz besonders weil es ja einen Grund gibt für das alles. Und dank des Studiums hab ich viel an mir persönlich arbeiten können und viele interessante Kurse belegen können.
Falls jemand die Geduld hatte, bis zum Ende zu lesen: Gibt es andere unter euch, die Depressionen im Studium hatten/haben? Würde da gerne eure Erfahrungen hören!
Ciao Anna
Dies ist mein erster Beitrag, ich bin gar nicht sicher, wo ich anfangen soll. Wahrscheinlich werde ich viel zu weit ausholen, aber ich glaube, ich will das einfach mal alles runterschreiben und mir vor Augen führen, wie weit ich gekommen bin.
Ich bin 31 Jahre alt und studiere im Bachelor Germanistik, Anglistik und Mathe auf Grundschullehramt - immer noch.
Ich war 13, als meine Mutter, die der wichtigste Mensch für mich war, mit Krebs diagnostiziert wurde und ich war 19 (es waren zwei Wochen vor meinen Abiturprüfungen) als sie im Hospiz verstarb. Danach ging es bergab mit mir. Ich bestand das Abitur, auch mit viel Wohlwollen der Lehrer, bewarb mich für einen Studienplatz und bekam keinen. Mein Vater suchte mir einen Platz als FSJler in einem Behindertenheim, wo ich dann ein Jahr arbeitete. Es war schwer, die Menschen dort mit physischen und psychischen Krankheiten zu sehen und gleichzeitig ständig an meine Mutter zu denken. Viele Tage war ich nur am Weinen und wurde von Kollegen früher nach Hause geschickt. Sie waren damals sehr nett zu mir und suchten auch einen Psychologen für mich heraus und fragten, ob sie mit mir zusammen hingehen sollten. Ich erzählte meinem Vater davon und er wiegelte grob ab, ich bräuchte doch keinen Psychiater. Das schreckte mich ab, ganz besonders weil meine große Schwester und mein Vater nichts von psychischen Krankheiten halten. Meine Tante und ihre Tochter waren beide über die Jahre mehrmals in Kur und jedes Mal haben sich mein Vater und meine Schwester abfällig darüber ausgelassen, dass man sich ja auch anstellen kann usw.
Nach dem FSJ bekam ich einen Studienplatz an meiner jetzigen Uni und fing an zu studieren, was ich leider immer noch studiere. Die ersten Jahre waren die Hölle. Ich zog mit Studienstart in die Stadt meiner Uni und kannte dort niemanden. Ich war nicht in der Lage, Freude und Aufregung zu empfinden, ich konnte mich nicht konzentrieren. Ich bin aus Vorlesungen herausgekommen und hätte nicht sagen können, was das Thema der Sitzung gewesen war. Ich träumte jahrelang jede Nacht denselben Traum von meiner Mutter und wachte weinend auf. Ich fing an, später ins Bett zu gehen und früher wieder aufzustehen. Irgendwann, ich kann nicht mal sagen wann, weil es alles wie im Nebel ist, konnte ich gar nicht mehr aus dem Bett kommen. Es geschah dann wöchentlich, dass mir nach ein paar Tagen das Essen ausging und ich bis zu ein, zwei Tage gar nichts aß, bis ich die Kraft aufbringen konnte, aufzustehen und einkaufen zu gehen. Ich schaltete mein Handy bis zu einer ganzen Woche aus und es kostete mich eine unglaubliche Überwindung, es anzuschalten und Anrufe meiner Schwester oder meines Vater zu beantworten, die nur über die Uni reden wollten. Ich sagte Verabredungen am Wochenende mit Freunden ab, weil ich es nicht ertragen konnte, unter Leute zu gehen. In meiner Wohnung hatte ich alles abgedunkelt, was man nur dunkel machen konnte. Ich fing an, sehr viel zu schlafen und trotzdem nie richtig fit sein zu können. Der Gang zum Briefkasten bereitete mir Bauchschmerzen. Mir kam nicht mal der Gedanke, Hilfe zu rufen. Zu der Zeit waren alle Freunde zerstreut in verschiedene Städte und ich hatte keine beste Freundin, der ich mich hätte anvertrauen können. Mein Vater und meine Schwester hackten regelmäßig auf Langzeitstudenten und Menschen mit psychischen Krankheiten herum, sodass mir nicht mal im Traum eingefallen wäre, mich an sie zu wenden. Ich dachte auch nicht, dass ich eine Krankheit hatte, ich dachte, ich wäre schwach und faul und müsste mich einfach mehr anstrengen.
Das war, glaube ich, der Wendepunkt für mich. Ich hätte daran zerbrechen und eines Tages einfach verhungern können, aber stattdessen begann ich, mir Gedanken zu mir selbst, meiner Situation und zu meiner Beziehung mit meiner Schwester und meinem Vater zu machen. Ich mache das immer noch und meine jetzigen Freunde nennen das dann immer Selbsttherapie
Langsam ging es mir besser, ich konnte ein paar Scheine an der Uni machen, dann lief in einem Fach die Studienordnung aus, weswegen ich mich auf die neueste umschreiben lassen musste und alte bestanden Scheine überflüssig wurden während weitere neue Scheinanforderungen hinzukamen. Das warf ich mich etwas aus der Bahn und frustrierte mich. Aber ich fand eine Lösung zum Beispiel fürs Praktikum in der Anglistik (in der alten Studienordnung mussten wir vier Wochen an einer Schule in einem englischsprachigen Raum sein; das war ich, und lag nach der Schule jedes Mal im Bett) in der neuen Studienordnung wurden es 12 Wochen. Also suchte ich mir einen Job bei ruf Reisen als Sprachteamer für Englisch und arbeitete in zwei Saisons für jeweils 5 Wochen für ruf. Darauf war ich sehr stolz, denn erstens hatte ich es mir alleine herausgesucht und selbst eine Lösung für das Problem mit den zusätzlichen Praktikumsstunden gefunden (denn meinen Vater wollte ich auf keinen Fall um finanzielle Hilfe für einen weiteren Aufenthalt im Ausland fragen) und es war das erste Mal seit es mir so schlecht ging, dass ich aus meiner gewohnten Umgebung herauskam. Es tat so wahnsinnig gut.
Aber ich kam zurück und hatte immer noch mit Depressionen zu kämpfen. Ganz besonders zu Semesterende machte ich mich praktisch vor Angst selbst krank und fühlte mich erst besser, wenn ich im Bett liegen blieb und die Prüfungen sausen ließ.
Als ich einmal zu meinem jahrelangen Hausarzt ging wegen einer Impfung, fing er plötzlich an, mich über mein Studium auszufragen und wie lange ich denn noch studieren würde usw. Ich fühlte mich bedrängt und wollte gehen, als er sagte, dass mein Vater ihn gebeten hätte, mit mir zu sprechen. Ich kann nicht mal ansatzweise erklären, wie verraten und gedemütigt ich mich fühlte. Als mein Vater mir dann zwei psychologische Lebensberater heraussuchte, brachte ich es nicht über mich, mehr als einmal zu ihr zu gehen, weil ich ständig das Gefühl hatte, unter der Kontrolle meines Vaters zu stehen, auch wenn ich natürlich wusste und sie mir auch versicherte, dass alles, was wir besprachen unter die Schweigepflicht fiel.
Ich habe mir eine andere Beratungsstelle vor zwei Jahren gesucht und bin dort ein, zweimal gewesen, habe aber aufgehört, weil es von den Tagen her mit der Uni und dem Job nicht mehr klappte und ich das Gefühl hatte, dass ich endlich besser mit der Uni umgehen konnte und ein Licht am Ende des Tunnels sah. Eine Freundin etablierte sich zu meiner besten Freundin, der ich alles anvertrauen konnte, was ich durchmachte, und die mir zuhört, mich versteht und immer auf meiner Seite ist, wenn mein Vater oder meine Schwester mal wieder verbale Seitenhiebe loslassen.
Dann fing es letztes Jahr an, dass ich auf einmal wieder müde wurde. Meinen Job konnte ich zu dem Zeitpunkt noch gut ausführen, aber in der Uni bei Seminaren konnte ich mich schwer konzentrieren. Trotzdem hielt ich durch. Aber es wurde schlimmer. In den Semesterferien im Februar/März wechselte ich den Job und hatte erst einmal zwei Wochen Training mit jeweils 4 Stunden pro Tag. Außerhalb des Trainings lag ich nur im Bett und konnte nur schlafen, im Training konnte ich nichts im Kopf behalten. Ich hatte wahnsinnige Angst, auf einmal wieder in schwere Depressionen zu rutschen, dass ich das nie bekämpfen könnte. Im Mai saß ich dann heulend bei meiner (neuen) Hausärztin und sie hatte sofort den Verdacht auf Schilddrüsenunterfunktion. Verdacht wurde dann per Bluttest bestätigt. Ich war erleichtert, dass es einen Grund für meine Verfassung gab, aber das machte die Depression nicht besser. Als ich anfing die Schilddrüsenunterfunktionstabletten zu nehmen, ging es mir anfangs besser, aber dann stetig schlechter (ich bin immer noch nicht mit der richtigen Dosierung eingestellt, meine Blutwerte werden immer noch schlechter), bis ich dann jetzt in den Semesterferien gar nichts mehr konnte. Ich konnte meinen Job nicht machen, konnte die Hausarbeiten nicht schreiben (ich dachte, es läge an der Hitze; meine Wohnung ist im Dachgeschoss und ich fühlte mich diesen Sommer rund um die Uhr überhitzt) und dachte (mal wieder) ich würde mich nur anstellen und faul sein.
Meine Studienordnung wird nach diesem Semester in meinem anderen Fach ebenfalls auslaufen. Als ich jetzt gerade gelesen habe, dass ich bis zum 4.10. Zeit habe, um zu klären, was mit meiner Einschreibung los ist (es war eine PC generierte Email), dass ich es mir also sparen kann anscheinend zu versuchen, bis zum 30.09. noch Leistungen zu erbringen, da die Dozenten bis zum 04.10. das eh nicht korrigiert bekommen, habe ich mich gefühlsleer und seltsam erleichtert gefühlt. Die ganzen letzten Wochen habe ich viel geweint und mich gestresst gefühlt und mich als Versagerin gefühlt, weil ich nichts hinkriege. Und jetzt überlege ich, ob ich, nachdem ich eine Jobbewerbung geschrieben habe, vielleicht irgendwo spazieren gehe. Und dass ich morgen abkläre mit der Uni, welche Kurse ich nächstes Semester dann besuchen muss, falls ich nicht exmatrikuliert werde.
Seltsam, am Anfang dieser Email hab ich noch geweint und jetzt nicht mehr. Ich weiß nicht, irgendwann hab ich das Gefühl, ich sollte anders fühlen als das was ich jetzt tue. Ich meine, ich will das Studium unbedingt abschließen (zumindest den Bachelor). In den letzten Jahren hat mein Vater mich gezwungen, mich für Ausbildungsplätze zu bewerben. Das tat ich auch, ich suchte mir Berufe heraus, die mich interessieren könnten, bewarb mich und wurde zu Vorsellungsgesprächen eingeladen. Aber je mehr ich mich damit beschäftigte, umso verstand ich, dass ich das nicht wollte. Ich finde Deutsch und Englisch spannend, ich liebe Sprachen, wenn ich mehr Zeit habe, möchte ich Französisch und Spanisch wieder auffrischen, und ich möchte gerne in einer Schule oder als Übersetzerin oder ähnliches arbeiten. Deswegen versuche ich gerade einen Job zu finden, der in die Richtung geht, damit ich wenigstens schon mal einen Fuß in der Tür hab.
Na ja, mal sehen, was jetzt passiert. Ich habe das Gefühl, ich habe mich persönlich sehr viel weiterentwickelt, habe sehr viel an mir gearbeitet und auch besonders meine Beziehung zu meiner Schwester und meinem Vater neu bewertet, indem ich nicht alles glaube, was sie über mich sagen und nicht mehr von ihnen erwarte, als sie tatsächlich bereit sind zu geben. Es fehlt nur noch der Durchbruch mit dem Studium. Und weil ich mich jetzt im Moment so gut fühle, macht mir das etwas Angst. Ich werde in zwei Wochen zu der psychologischen Beratung an der Uni gehen. Ich bin einfach nur frustriert. Meine Lebensqualität hat im letzten Jahr dank der Schilddrüse unglaublich gelitten, aber ich dachte, solange ich einen großen Sprung vorwärts mit der Uni mache, wäre es das wert. Und jetzt ist selbst das mir genommen worden. Ich hasse das Gefühl, seit Jahren auf der Stelle zu treten - und komischerweise hasse ich es auch, dass ich so über das lange Studieren denke, denn ich weiß noch, als ich anfing zu studieren, gab es viele Diplom(?)studenten, die bewusst und offen zugaben, bis zu 20 Semester studieren zu wollen, weil sie so viel mitbekommen wollten, wie sie können oder einfach noch nicht ins Berufsleben eintreten zu wollen. Ich wünschte, ich könnte das auch etwas lockerer sehen und mich nicht so schämen, ganz besonders weil es ja einen Grund gibt für das alles. Und dank des Studiums hab ich viel an mir persönlich arbeiten können und viele interessante Kurse belegen können.
Falls jemand die Geduld hatte, bis zum Ende zu lesen: Gibt es andere unter euch, die Depressionen im Studium hatten/haben? Würde da gerne eure Erfahrungen hören!
Ciao Anna