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Suizidversuch - Wie erkläre ich's meinem Sohn?

David Spritz
Hallo allerseits! Ich habe vor knapp einem Jahr einen Suizidversuch unternommen. Die Polizei war bei uns zuhause, und mein 7-jähriger Sohn hat irgendwie mitbekommen, was ich vorhatte. Er hat mich nie darauf angesprochen, was mir auch zunächst ganz recht war, aber ich weiß, dass das nicht spurlos an einem Kind vorübergehen kann. Inzwischen habe ich wieder so viel innere Stärke angesammelt, dass ich das Thema gerne mal bei meinem Sohn ansprechen würde. Aber was sagt man so einem kleinen Kind? Ich will es ja nicht noch schlimmer machen als es schon ist. Was mag wohl in ihm vorgehen?

Hat jemand Erfahrungen und/oder einen Tipp für mich? Ich will erst mal sammeln und mir dann sorgfältig eine Strategie für das Gespräch zurechtlegen. Bin für alles dankbar. Besonders hilfreich wäre es für mich, wenn jemand von Euch selbst Erfahrung mit suizidalen Eltern hat und mir beschreiben kann, was das mit Euch gemacht hat. Falls es nicht zu schmerzhaft für Euch ist, hier darüber zu schreiben! Aber ich würde gerne nachempfinden können, was mein Sohn durchmacht, damit ich ihn besser bei der Bewältigung unterstützen kann.

14.08.2011 20:45 • #1


G
Falls hier niemand einen Rat für dich hat, wie wäre es denn sonst, wenn du dich bei einem Kinder- und Jugendpsychologen beraten lässt. Wahrscheinlich müsstest du das dann bezahlen, aber du wirst sicherlich viel gute Hilfestellung bekommen. Ein Versuch wäre es doch wert.

14.08.2011 21:45 • #2


A


Hallo David Spritz,

Suizidversuch - Wie erkläre ich's meinem Sohn?

x 3#3


S
Hey David,

Was u.a. passieren kann, ist, dass dein Kind denkt, dass es durch seine eigenen Verhaltens- oder Denkweisen dich zu dem Suizidversuch gebracht hat. Dies kann dann eine Verhaltens- oder Denkänderung im Kind hervorrufen, damit der Suizidversuch nicht noch einmal passiert. Ängste können im Kind natürlich auch entstehen. Für ein kleines Kind gibt es wohl nichts schlimmeres, als der Gedanke, dass der geliebte Vater nicht mehr da ist. Auch das kann natürlich wieder Einfluss auf das Verhalten des Kindes haben in dem es versucht, dass du dich eben nicht umbringst und entsprehcned sein Verhalten ändert, weil das Kind dich um jeden Preis behalten will (selbst, wenn das Kind dabei den seelischen Tod durchmacht). Okay das waren ein paar Gedanken meinerseits gemischt mit eigenen Erfahrungen (wobei meine Mutter mir nur angedroht hat, sich selbst umzubringen).

Hast du denn nach dem Ereignis bei deinem Kind Verhaltensänderungen bemerkt?

Wenn es mein Kind wäre, dann würde ich es wohl ansprechen und es fragen, was es denkt und fühlt falls das irgendwie möglich ist. Erst, wenn ich das wüsste, würde ich mich darauf vorbereiten, was ich darauf antworten würde. Es ist sicherlich sowieso wichtig, dass das Gefühl des Kindes einen Ausdruck nach Außen findet. Ausdruck nach Außen bedeutet gleichermaßen Mitteilung. Das ist entlastend für das Kind.

14.08.2011 22:52 • #3


JeanLucca
Hallo David.

Zitat von salamander:
Was u.a. passieren kann, ist, dass dein Kind denkt, dass es durch seine eigenen Verhaltens- oder Denkweisen dich zu dem Suizidversuch gebracht hat. Dies kann dann eine Verhaltens- oder Denkänderung im Kind hervorrufen, damit der Suizidversuch nicht noch einmal passiert.
Das denke ich auch.

Wenn es mein 7jähriger Sohn wäre würde ich mir sicher Hilfe von einem Profi holen.

Weißt Du denn ob die Mutter das Thema schon mal angesprochen hat?

Lieben Gruß, JeanLucca

14.08.2011 23:11 • #4


R
Hallo David,

Zitat von David:
Hallo allerseits! Nicht viel los hier, im Suizidbereich!? Naja, egal:

wir sind ganz froh, dass hier nicht so viel los ist in diesem bereich.

dein eintrag paßt jedoch nicht in diesen bereich.

ich habe deinen thread in den depressionsbereich verschoben. wenn du ihn in einem anderen bereich ahben möchtest, laß es mich wissen.

14.08.2011 23:16 • #5


H
Hallo David,


ich würde erst mal das Kind fragen, ob es sich erinnert und an was es sich erinnert, und was er denkt...also erst mal ihn erzählen lassen.


So erfährts du wo du ansetzen kannst und ob du ansetzen kannst, was für das Kind relevant ist und was nicht. Weil, wenn du einfach drauf los erzählst wirft das für das Kind vllt. wieder neue Fragen auf und es legt sich seine eigene Interpretation dazu zurecht.

Ich würde immer mal wieder ne kleine Frage in entspannten Alltagssituationen stellen. Ich würde es nicht so was sagen wie: setz dich mal hier hin, der papa muss mal was mit dir besprechen. Das hat sowas offizielles, und kann schnell Angst machen.

Und bedenke, dass für dich der richtige Zeitpunkt ist darüber zu reden, heißt nicht dass er es auch fürs Kind ist.

Gehs einfach langsam an und versuche mit dem Kind in einen Dialog zu kommen. Und wie schon von vorschreibern geschrieben, im Zweifel Profis hinzuziehen.

Viel Mut und Erfolg,
hedwig

15.08.2011 13:47 • #6


D
Ich glaube ohne professionelle Hilfe würde ich da gar nicht agieren wollen. Vielleicht solltest Du Dich zunächst einmal beraten lassen.
Du schreibst Dein Suizidversuch ist über ein Jahr her, da sollte die Zeit für professionelle Hilfe noch möglich sein.

Wer weiss was dein Kind schon alles für sich allein verarbeitet hat, da ist professionelle Hilfe schon angebracht.

16.08.2011 07:16 • #7


David Spritz
Habe heute semi-professionalle Hilfe gesucht, indem ich meinen Therapeuten gefragt habe. Er ist zwar nicht auf Kinder spezialisiert, aber das spielt glaub ich keine so große Rolle.

Er meinte zu mir so ähnliche Sachen wie ihr: Eine entspannte Situation abwarten, vorfühlen ob mein Sohn bereit ist, über das Thema zu sprechen, fragen an was er sich noch erinnern kann und hoffen dass er keine Mauer aufbaut sondern offen drüber reden kann und vielleicht sogar anfängt zu weinen oder sonstwie Gefühle äußert, die ihn seitdem bedrückt haben. Da mein Sohn nicht persönlich bei meinem Suizidversuch dabei war, sondern nur davon gehört hat, hat er ja keine realen Erlebnisse zu verarbeiten, sondern höchstens Horror-Fantasien, die er sich selbst ausgemalt hat, von daher habe ich noch einigermaßen Glück, sagt mein Therapeut.

Was Verhaltensänderungen bei meinen Kinder angeht, so ist mir nach der Trennung, die zeitlich (und kausal!) mit dem Suizidversuch zusammenfällt, bei den Kindern aufgefallen, dass sie angefangen haben, sich durch Bravsein bei mir anzubiedern. Seit sie gemerkt haben, dass ich immer noch präsent bin in ihrem Leben und wir uns regelmäßig am Telefon sprechen und auch persönlich sehen, sind sie aber wieder so frech wie vorher, und das ist auch gut so! Mein Sohn pullert manchmal nachts ein und flüchtet sich oft in seine Nintendo-Welt, aber das hat er vorher beides auch schon getan. Ansonsten kommt er mir ganz normal vor, im positiven Sinne.

16.08.2011 18:16 • #8


David Spritz
Ich lese hier gerade ein paar meiner alten Beiträge durch und würde diesen hier gerne noch zu Ende führen.

Vor ein paar Wochen (Oder sind es schon Monate?) bin ich mit meinem Sohn mal im Gespräch auf das Thema, Liebe, Trennung und Schmerz gekommen. Es war ein sehr persönliches Gespräch und ein sehr intimer Moment, und ich fühlte mich ihm sehr nah. Da hab ich dann gedacht, so eine Gelegenheit kommt so schnell nicht wieder, meinen ganzen Mut zusammengenommen und das Thema einfach mal angesprochen.

Instinktiv habe ich ihn richtigerweise zuerst gefragt, ob er sich noch an den Abend vor 1 Jahr erinnert, wo die Polizei im Haus war, weil ich sterben wollte. Er wusste das noch ganz genau. Ich habe ihm erklärt, dass ich sehr verzweifelt war, dass ich dachte, der Tod sei ein guter Ausweg aus meinem Schmerz, dass ich dann aber gemerkt habe, dass der Tod in Wirklichkeit gar kein Ausweg ist. Ich habe glaub ich auch gesagt, dass der Wunsch zu sterben in dem Moment sogar größer war als meine Liebe zu meinen Kindern, dass mein Sohn und seine Schwester aber das Einzige waren, was mich noch zurückgehalten hat. Und ich habe gesagt, dass ich jetzt nicht mehr sterben möchte, sondern dass ich wieder leben möchte, und dass ich meine Kinder aufwachsen sehen und vielleicht irgendwann mal mit meinen Enkelkindern spielen möchte, und dass ich das ja alles verpassen würde, wenn ich nicht mehr leben würde.

Danach war ich ziemlich stolz auf mich, dass ich so offen darüber sprechen konnte und mich auch nicht dafür geschämt habe, was damals passiert ist, sondern frei heraus alles sagen und ihm dabei in die Augen sehen konnte. Ich hoffe, dass meine Worte bei ihm langfristig die gewünschte Wirkung entfalten. Mehr kann ich glaub ich nicht tun, es sei denn, er sucht von sich aus noch mal das Gespräch mit mir über dieses Thema.

20.01.2012 23:01 • #9


M
Ich finde es sehr gut, dass du dieses Gespräch führen konntest!
Dein Sohn wird es dir danken!

21.01.2012 12:54 • #10


A
hallo Ich habe 2 kinder.Als ich mein Abschiedsbrief geschrieben habe, haben meine Kinder es zufällig gefunden.Meine Kinder waren zu der Zeit 13 und 16. Sie haben mich zusammen geschrien. was vielleicht gut für mich war. Aber erste Zeit konntrolierte meine Grosse meine Taschen. So einem Schmerz möchte ich meinen Kindern nie wieder zufügen. ich habe mich richtig geschämmt dafür, aber es gibt Momente wo das normale denken aufhört.Bei mir ist es zum Glück nicht zu der Tat gekommen. Ich würde Kinderpsychologen fragen. Kinderseelen sind so verletzlich. Wenn er doch so klein ist besteht die Hoffnung, dass er es vergisst.Kinderpsychologe.

23.01.2012 22:23 • #11


S
Hallo David!
Es ist gut, dass du mit deinem Sohn gesprochen hast.
Gehe bitte sehr sensibel mit diesem Thema um.
Sollte dein Sohn weiterhin Redebedarf haben und der kommt sicherlich später, gerade wenn er schon älter ist, dann gehe möglichst darauf ein.
Vergessen wird ein Kind, egal welchen Alters, so eine Situation nie!

Ich war 15 Jahre alt, als ich meine Mutter gerade noch rechtzeitig fand.
Meine damaligen Gefühle möchte ich hier nicht schreiben, außer das ich meine Mutter damals dafür gehasst habe.
Denn sie hatte uns Kinder im Stich gelassen, so sah ich es damals.
Jahrelang hielt ich es ihr vor, auch wenn es mir heute sehr leid tut.
Noch 20 Jahre nach dem Vorfall bekam ich eine Gänsehaut, wenn ich die Sirenen von einem Krankenwagen hörte.
Häufig rief ich sie an wenn ich diese Srenen hörte, um mir bestätigen zu lassen, dass es ihr gut geht.

Also, redet weiterhin mit euren Kindern, zumindest wenn sie euch signalisieren, das sie darüber reden möchten.

Viele Grüße,
Sanni

24.01.2012 15:32 • #12


David Spritz
Zitat von David Spritz:
Besonders hilfreich wäre es für mich, wenn jemand von Euch selbst Erfahrung mit suizidalen Eltern hat und mir beschreiben kann, was das mit Euch gemacht hat. Falls es nicht zu schmerzhaft für Euch ist, hier darüber zu schreiben! Aber ich würde gerne nachempfinden können, was mein Sohn durchmacht, damit ich ihn besser bei der Bewältigung unterstützen kann.

Ich stöbere gerade etwas in meinen alten Beiträgen hier, und bin doch ganz schön irritiert darüber, was ich hier lese. Ich selbst hatte doch als Kind eine suizidale Mutter. Sie hat es meines Wissens nach nie versucht, aber öfter drüber gesprochen. Hatte ich das vergessen, als ich das geschrieben habe? So viel zum Thema Falls es nicht zu schmerzhaft für Euch ist! Es scheint wohl eher für *mich* zu schmerzhaft zu sein, wenn ich mich nicht mal bei intensiver Auseinandersetzung mit meiner eigenen Suizidalität an meine Kindheitserfahrungen mit diesem Thema erinnern kann. Das gibt mir jetzt aber doch zu denken!

Wenn ich aber das Thema für mich selbst bewältige, dann weiß ich auch, wie es meinem Sohn damit geht und was ihm helfen kann. Vielleicht lohnt es sich, wenn ich mich damit mal auseinandersetze! Wenn ich das alles so verdrängt habe, dann scheint das doch ein ganz zentraler Punkt zu sein! Zumindest würde es erklären, warum ich immer Verantwortung für das Wohlbefinden anderer Menschen übernehme und Schuldgefühle und Angst bekomme, wenn ich dabei nicht erfolgreich bin. Wie grausam!

02.06.2013 00:36 • x 1 #13


M
Wenn man für andere Leute Verantwortung übernimmt, dann muss man sich nicht mit seinen eigenen Problemen auseinander setzen.
So war es jedenfalls bei mir.

02.06.2013 10:04 • #14


David Spritz
Diese Tendenz habe ich auch. Das ist es aber nicht. Es ist wirklich so, wenn ich es nicht schaffe, es einer geliebten (meist weiblichen) Person recht zu machen, dass ich dann Panik schiebe, was die Konsequenzen sein werden. Ich glaube, unterschwellig schwingt immer mit, dass sich diese Person dann wegen mir umbringt und ich mit der Schuld leben muss.

Das beantwortet auch meine Frage, was mein Suizidversuch mit meinem Sohn macht. Er wird sich, so wie ich früher, fragen: Wenn er mich angeblich liebt, warum wollte er mich dann verlassen? Bin ich schuld daran? Bin ich nicht liebenswert? Muss ich etwas tun, um liebenswert zu werden?

Das sind Fragen, an denen man sich ein Leben lang die Zähne ausbeißen kann, wie ich aus eigener leidvoller Erfahrung weiß. Ich hoffe, dass es meinem Sohn nicht so gehen wird wie mir!

02.06.2013 11:59 • #15


M
Hallo David,

Zitat von David Spritz:
Das sind Fragen, an denen man sich ein Leben lang die Zähne ausbeißen kann, wie ich aus eigener leidvoller Erfahrung weiß. Ich hoffe, dass es meinem Sohn nicht so gehen wird wie mir!


Das kann vielleicht vermieden werden, wenn du mit deinem Sohn sehr viel redest und natürlich dem Alter entsprechend die Worte und Erklärungen wählst. Dazu wird sicher mehr als ein Gespräch nötig sein, dauert vielleicht sogar Jahre. Aber wichtig ist wohl die ständige Versicherung, dass es nichts mit ihm zu tun hatte.

Ob das hilft, weiß ich natürlich nicht aber darin sehe ich die einzige Möglichkeit.

02.06.2013 12:28 • #16


David Spritz
Mein Sohn hat mir gesagt, er hat manchmal das Gefühl, er sei mir nicht wichtig. Meine Tochter dagegen sagt, sie denkt über sowas gar nicht erst nach, weil es für sie selbstverständlich sei, dass sie mir wichtig ist.

Er hat gesagt, er weiß auch genau, warum er dieses Gefühl hat, wollte es mir aber noch nicht erzählen. Ich werde in einem ruhigen Moment nochmal nachhaken. Bestimmt werde ich da etwas sehr, sehr Wichtiges erfahren!

17.06.2013 07:10 • #17


M
Schwieriges Thema.... Aber gut, dass du mit deinen Kindern darüber redest.

17.06.2013 09:03 • #18


David Spritz
Erfahrenes Leid nicht zu verdrängen, sondern auszuhalten und es schließlich für das Positive zu transformieren, darin liegt die menschliche Größe der Überlebenden.

29.10.2013 20:00 • #19


A


Hallo David Spritz,

x 4#20


P
Interessante Beiträge. Ich denke, wenn das Kind auf einen mit dem Thema zukommt, sollte man sensibel mit ihm reden.

Meine Erklärung wäre, dass der Suizidversuch ein Symptom der Erkrankung ist, ähnlich wie Fieber bei einer Grippe. 80% Depressiver haben Suizidale Gedanken und jeder 5. versucht sie in die Tat umzusetzen. Man ist im Moment der Depression leer von Gefühlen und tut Unüberlegtes. Im Moment der schweren Traurigkeit sind die leichten Momente der Liebe nicht möglich.

Ein Suizidversuch ist immer eine unausgereifte Überlegung und damit ein Fehler, den man bitte verzeihen möchte und für die Wiedergutmachung da ist.

04.05.2019 10:15 • #20

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