So, jetzt mal ein paar Worte mehr. Ich hoffe, ich kriege es halbwegs sortiert hin, seit gestern ist mein Kopf irgendwie nur Matsch.
Wie so hast du Angst vor der Impfung? Ich hätte heulen können vor Erleichterung, als ich einen Impftermin bekam, weil ich nun wenigstens weiß, dass in ein paar Wochen nach dem 2. Termin wenigstens diese Belastung durch die Angst vor der Infektion gehen darf. Dazu endlich wieder Treffen mit lieben Menschen in Aussicht, die ich teilweise seit einem Jahr nicht mehr gesehen und in den Arm genommen habe.
Wenn dein Vater Alk. ist, muss ich dir ja zum Thema Angehörige und ihre Co-Abhängikeit nichts erzählen, ebenso wenig offenbar wie zum 12-Schritte Programm. Wie gesagt, dass hat meinen Blick auf die Welt, die Menschen, das Leben und vor allem auf mich selbst nachhaltig verändert. Bei mir bleiben, verstehen, dass ich nichts und niemand ändern kann außer mir selbst, nur den heutigen Tag angehen und nicht alle Probleme auf einmal lösen wollen, ... Und vor allem: gut zu mir selbst sein, mir Fehler verzeihen, mir das Hinfallen und Wiederaufstehen erlauben. Wir hörten mit dem Kämpfen auf .... auch ein Satz aus dem 12-Schritte Programm, der sich mir tief eingeprägt hat. Es ist viele, viele Jahre her, dass ich damals sehr regelmäßig zu den Treffen der Selbsthilfegruppe für Angehörige gegangen bin (über 20! wie die Zeit vergeht).
Augen zu und durch ... ja, manchmal muss man es natürlich so handhaben. Nicht immer ist grübeln, durchdenken, auflehnen die richtige Antwort auf Schwierigkeiten. Jemand sagte mal zu mir, als ich verzweifelt fragte Es muss doch einen anderen Weg geben, ich will das alles nicht?! mit einem mitfühlenden Lächeln Tja, es gibt leider nur einen Weg, nämlich mittenrein, mitten durch und dann auf der anderen Seite wieder raus. Na toll, das wollte ich natürlich nicht hören. Aber manchmal ist es so, dass weglaufen nicht hilft, sondern man muss sich dem Ganzen stellen und mutig durchgehen. Ach, ich fürchte wirklich, heute klinge ich verworren .
Abder dieser Weg hindurch ist eben nicht Augen zu und durch sondern durchatmen und mit offenen Augen durch. Es hilft ja nix, so zu tun, als ob da nichts wäre, wenn nunmal da was ist, womit ich mich befassen sollte.
Sich mit anderen zu vergleichen hat auch bei seelischen und sonstigen Nöten wenig Sinn. Es hilft nicht wirklich, zu denken anderen geht es doch viel schlechter, also muss ich mich zusammenreißen. Wenn es mir schlecht geht, geht es mir schlecht. Wenn ich etwas nicht schaffe, schaffe ich es nicht. Wenn ich mir dann noch sage alle anderen schaffen sowas doch auch fühle ich mich ja nur noch schlechter. Klar, es ist schon mal gut, sich bewusst zu machen, wo man dankbar sein darf und sollte. Eine Dankbarkeitsliste kann da helfen, so manche düstere Anschauung ein bisschen grade zu rücken. Seelisches inneres Leid lässt sich aber über solche verstandesmäßigen Überredungskünste nicht wirklich beeindrucken. Ich glaube, das liegt daran, dass es sich dabei ja um Gefühle handelt, und Gefühle wollen gefühlt und nicht verstanden oder intellektuell gradegerückt werden.
Außerdem vergleichen wir doch letztlich immer unser inneres Leid mit dem Äußeren Bild von anderen - das kann ja nicht übereinstimmen. Als ich vor vielen Jahren zusammengebrochen bin hatte niemand, wirklich niemand, auch nur das leiseste bisschen geahnt, dass es mir schon länger so schlecht ging. Ich war wie immer, gerade im Job. Ich war effizient, lachte, erledigte alles wie immer. Keiner konnte sehen, wieviel nicht mehr vorhandene Kraft es mich gekostet hatte, diesen vertrauten Schein aufrechtzuerhalten. Bis irgendwann eben auch die letzten Kraftreserven erschöpft und vollkommen leer waren. Woher also will ich wissen, ob es anderen wirklich so gut geht, wie es den Anschein hat? Ob alle anderen wirklich so gut mit allem klarkommen, wie es aussieht? Rein statistisch dürfte es einige geben, die auch nur die Fassade aufrecht erhalten und dahinter vor Erschöpfung kaum noch klar denken können.
Es ist was und wie es ist. Nur für mich. Nur für heute. Und da ist es eh egal, ob andere was schaffen oder nicht. Niemand lebt mein Leben (oder deins). Niemand hat meine Geschichte (oder deine). Und niemand trägt meine Last (oder deine).
Ich habe vor ein paar Tagen meinen engsten Freunden Briefe geschrieben und gesagt, wie es mir geht, womit ich ringe und warum ich grad für vieles keine Kraft habe. Die Reaktionen haben mich überwältigt und mir wieder gezeigt, darum sind es die engsten Freunde.
Ich wünsche dir Kraft und Mut und die Bereitschaft, zu dir selbst zu stehen und für dich gut zu sorgen. Ich weiß, wie schwer es gerade mit Familie ist, sich selbst nicht aus dem Blick zu verlieren. Aber es wie im Flugzeug, wo es bei der Einweisung in die Notfallmaßnahmen heißt Sorgen Sie zuerst dafür, dass Sie selbst eine Sauerstoffmaske aufsetzen, und dann erst kümmern Sie sich um die Anderen. Wenn du zusammenbrichst, kannst du für deine Familie ja auch nicht da sein, da ist es doch besser, dich eine Weile etwas weniger um sie zu kümmern bis es dir wieder besser geht.
Liebe Grüße und trothz allem einen schönen Tag. Nur für Heute
Galicia
05.05.2021 15:18 •
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