Lieber Verbrannt,
ich habe auch keine Angst, dachte ich immer. Mut durch Aggressivität kenne ich auch, dann kann ich mich mit allem anlegen. Die Aggressivität ist das Problem, so verzweifelt unter Druck stehen, nicht wissen warum eigentlich und völlig hilflos nichts dagegen unternehmen zu können. Das ist eine verzwickte Gefühlspampe.
Es gab viele Gefahren und mich aggressiv Mutige, die keinen Platz in der Welt hatte. Deshalb bestand das Gefühl, jetzt erst Recht. Wenn mich eh alle Sch finden, mache ich was ich will und boxe mich wortstark durch, egal wie andere das finden. Dieser geballte Trotz ist ein Relikt der Vergangenheit, in der ich Zuviel war, nicht leben durfte und mir das täglich mitgeteilt wurde. Nach einem S Versuch als Kind entstand diese Haltung. Wenn ich doch leben soll, dann mache ich nur noch, was ich will. Das war Überlebenstraining. Dass es ein Entwicklungsrauma ist, wurde mir letztes Jahr vor Augen geführt. Man macht halt immer so weiter, wie man es kennt. Alles Fehlende (durch die fortgesetzte Traumatisierung) lerne ich nach. Es fehlt komplett an Sicherheit, Zugehörigkeit und Geborgenheit; wenn das endlich da ist, kann ich entspannen. Weil ich gemocht werde, weil ich dazu gehöre. Ein kleiner Teil innerer Entspannung, weil ich nicht mehr um meine Daseinsberechtigung kämpfen muss, hat sich eingestellt. Die andere Art der Entspannung, die hilft nicht wahnsinnig zu werden, ist geführte Meditation. Das habe ich jahrelang beinahe täglich praktiziert und hat mir Auszeiten beschert, Abtauchen in andere Welten.
Meine Angst wurde ausgeblendet, ich habe mich bis zur völligen Erschöpfung verausgabt, dann stellte sich ein Lebensgefühl ein, ich spüre daß ich lebe, also bin ich. Mein Nervensystem hat bis zum großen Knall funktioniert, brav und zuverlässig. Der große Knall hat mit gefühlt ins Weltall katapultiert. Da habe ich völlig die Orientierung verloren und mein bisheriges Verhalten wirkte nicht mehr, bzw war ich viel zu krank, es anzuwenden. Angst spürte ich nicht, aber Wut, versteckt in der Depression.
Insofern gibt es Ähnlichkeiten zwischen Dir und mir und ich wünsche Die von Herzen, daß Du zur Ruhe kommen könntest...
Nicht allein zu sein mit seinen Gefühlen, kann auch schon etwas entlasten. Und ich wünsche Dir, daß Du Dich auch mal in Ruhe lassen kannst (ich weiß, es ist schwer, ja ich weiß das)´, und wenn es anfangs nur Minuten sind.
Liebe Grüße Alexandra
28.06.2020 11:04 •
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