2

Traumatisierung durch Psychiatrie

G
Zitat von Alannis:
..
Hätte man sie damals weggesperrt - wäre der Tochter der Nachbarin unserer Mutter erspart gebliben, dass sie ihr die Kehle durchschnitt!

Ich bin entsetzt. Das ist doch Mord oder zumindest versuchter Mord. Und man hat sie trotzdem wieder freigelassen.

Aber gut, dass du auch mal ein Beispiel von der anderen Seite zeigst. Ich finde zu so einer Diskussion gehören immer zwei Seiten.

Und ganz ehrlich, noch mag die betreffende Person Sachen in Höhe von 20 Euro anzündeln. Aber was ist wenn es mal 2000 Euro werden oder 200.000 Euro? Ist das dann immer noch eine Bagatelle? Oder wenn bei dieser Zündelei auch mal eine Person zu Schaden kommt (so wie der Sohn eines Bekannten von mir, der in seiner Wohnung verbrannte)? Ist das wirklich noch eine Bagatelle. Wehret den Anfängen, kann ich da nur sagen. Wenn erst jemand zu Schaden kommt, dann ist es definitiv zu spät!

LG

29.07.2009 10:17 • #16


J
Ich finde die Diskussion jetzt hochinteressant, danke dafür!

Das Beispiel von Alannis ist natürlich extrem brutal, genau für diese Fälle ist der Maßregelvollzug (zu Recht) gedacht, sollte aber auch auf diese Ausnahmen beschränkt sein.

Aber eines geht natürlich auch nicht: Die Menschen einfach auf Verdacht weg zu stecken, ohne dass die Anlasstaten irgendeinen Hinweis darauf geben, dass zukünftig mit erheblichen Straftaten (§ 63 StGB) zu Lasten der Allgemeinheit zu rechnen ist, diese Prognose ist der alleinige Maßstab der Beurteilung. Maßregelvollzug bedeutet fast immer lebenslänglich hinter Gittern, bei simplen Sachbeschädigungen an geringewertiegn Sachen halte ich das für sehr starken Tobak, insbesondere wenn es an jeglichem Hinweis fehlt, dass Straftaten mit beachtlicherer Qualität folgen werden.

Ich gebe aber gerne zu, in solchen Fällen auch kein Richter sein zu wollen. Auf der einen Seite würde mich mein Gewissen quälen, wenn ich dem Angeklagten das Leben stehlen würde, indem ich ihn wegsperre, ich könnte aber auch kaum damit leben, wenn ich ihn freiließe und dann bringt der ein Nachbarskind um. - Schwierig, schwierig.

Der Richter und die Beisitzer in diesem Verfahren scheinen mir aber sehr vernünftig zu sein und lassen sich mit der Entscheidung Zeit, hören alle verfügbaren Zeugen (ich selbst bin auch angehört worden) und Sachverständigen. Was mir Sorgen bereitet, sind die psychiatrischen Sachverständigen, die zusammenfassend sagen: Ein Borderliner ist kraft seiner Erkrankung nicht steuerungsfähig, deshalb gehört er weggesperrt. Mit diesem Argument könnte man letztlich alle Menschen mit psychischer Störung wegsperren, denn dann könnte man ja sagen Tja wer heute 20 km/h zu schnell fährt, könnte schon morgen mit gemopsten Flugzeugen in fremder Leute Hochhäuser fliegen.

Das halte ich für falsch, denn zunächst einmal haben wir eine Erkrankung u n d ein Delikt, erst wenn das erste der Grund für das zweite ist, also die Tat aufgrund der fehlenden Steuerungsfähigkeit begangen worden ist, kann man über verminderte Schuldfähigkeit und damit den Maßregelvollzug nachdenken, ansonsten ist es eine Straftat wie jede andere, die natürlich geahndet werden muss (hier wäre das eine Geldstrafe in Höhe von max. 90 Tagessätze.) Krankheit ist ein Privatvergnügen, aber nicht strafbar.

Ich werde an dieser Stelle berichten, wie dies ausgegangen ist.

@ Alannis: Was ist Agoraphobie - Habe ich noch nie gehört.

29.07.2009 11:46 • #17


A


Hallo jannis,

Traumatisierung durch Psychiatrie

x 3#3


A
Agoraphobie ist Angst vor großen Plätzen http://www.psychic.de/agoraphobie.php ...

Mir ist es egal, ob jemand Sachbeschädigung iHv 20 Euro oder 20 000 Euro begeht.

Wichtig ist, ob es einen krankhaften Hintergrund hat - und wenn ja sollte man da versuchen zu therapieren
und wenn das nicht greift und sich die Zündelei immer wiederholt ...

Aber (prophylaktisch) in den Massregelvollzug ist dafür vielleicht auch zuviel - es müßte da noch ein Zwischending geben ...

29.07.2009 12:02 • #18


J
Ich finde schon, dass die Schwere der Tat eine Rolle spielt, m.E. muss zumindest die deutliche Gefahr eine Rolle spielen, dass andere in ihrer körperlichen und/oder seelischen Integrität verletzt werden.

Ich war in grauer Vorzeit einmal Staatsanwalt, damals hatte man eine 70jährige Kleptomanin angeklagt, weil sie zum x-ten mal ein Mini-Fläschchen Mariacron für vielleicht 7 Mark stibizt hatte. Ich habe das Verfahren in der mündlichen Verhandlung dann eingestellt, weil keiner der Strafzwecke durch vorherige Sanktionen gegriffen hatte (das sind: Besserung des Täters, Schutz der Allgemeinheit und Abschreckung) - Ich galt ohnehin als sehr milde. Was ich nicht wußte: Bei der mündlichen Verhandlung waren Pressevertreter anwesend und ich bin dazu interviewt worden. Die haben mich dann zitiert: Solche Straftaten muss die Allgemeinheit halt hinnehmen. - Mein Vorgesetzter war nicht amused...

Hätte ich die wegstecken sollen??????

29.07.2009 12:18 • #19


A
Es ist doch noch ein Unterschied, ob jemand klaut und die Allgemeinheit durch Preiserhöhungen geschädigt wird oder
an Leib und Leben.

Vielleicht hast Du mal gehört von dem Feuerwehrmann, der Scheunen angezündet hat, weil er so fasziniert von Feuer war?

Krankhaftes Zündeln ist da doch eher vergleichbar mit zB jemandem der immer wieder irgendwelche - sagen wir mal -
Bremsschläuche an Autos durchschneidet ... zündeln und auch sowas kann doch zu Katastrophen auch für andere Menschen führen?

Oder nehmen wir die Menschen die wiederholt Gegenstände von Autobahnbrücken schmeißen und dadurch anderes Leben gefährden.

ich denke da ist ein großer Unterschied zwischen Kleptomanie und solchen Dingen?

Meiner Schwester zB ist NICHTS passiert, weil es immer mit Beziehungstat abgetan wurde ....

29.07.2009 13:15 • #20


J
Bei der Bekannten war es so, dass sie die Brände stets unter Kontrolle hatte und auch selbst gelöscht hat. Ich habe die Fotos in der Prozeßakte gesehen, der schlimmste Brand hat ein 5 Markstück großes Loch in einen Kissenbezug gesengt, dann hat sie ihn ausgeschlagen.

Letztlich könnte man bei der Argumentation ja jedesmal die Fremdgefahr bejahen, wenn jemand nur ein Streichholz anreißt, weil die abstrakte Gefahr besteht, dass er es in einen Benzintank wirft, statt sich damit eine Zig. anzuzünden.

29.07.2009 14:57 • #21


G
Also mir wird ehrlich gesagt schlecht, wenn ich daran danke, dass ich vielleicht so eine Nachbarin habe, die glaubt die Kontrolle zu haben (man hat nie die Kontrolle, das ist ein fataler Irrglaube). Ich bin dann nicht zu Hause, die zündelt die Bude an und meine Katzen kommen in meiner Wohnung um, weil so eine unbedingt ihr Kissen ein bisschen durchlöchern wollte.

ES GIBT KEINE KONTROLLE!

LG

29.07.2009 15:59 • #22


J
Zitat:
Also mir wird ehrlich gesagt schlecht, wenn ich daran danke, dass ich vielleicht so eine Nachbarin habe, die glaubt die Kontrolle zu haben (man hat nie die Kontrolle, das ist ein fataler Irrglaube). Ich bin dann nicht zu Hause, die zündelt die Bude an und meine Katzen kommen in meiner Wohnung um, weil so eine unbedingt ihr Kissen ein bisschen durchlöchern wollte.

ES GIBT KEINE KONTROLLE!

LG


...und wegen einer bloß abstrakten Gefahr, soll man die dann lebenslang wegsperren (darauf läuft es in der Praxis hinaus)? Mir selbst ist angst und bange, wenn ich daran denke, wer bei uns alles am Straßenverkehr teilnimmt, man wundert sich, wie wenig am Ende passiert. Dass sie die Sache unter Kontrolle hatte, steht auch für das Gericht außer Frage. Was meinst Du denn wieviele alte Menschen schlicht vergessen, ihre Herdplatten auszustellen (meine Mutter regelmäßig)? Soll man die jetzt auch wegschließen, weil die Gefahr besteht, dass sich da was entzünden kann?

29.07.2009 17:15 • #23


Steffi
Jannis,

diese Diskussion wird zu keinem Ergebnis führen.

Jeder hier hat seine eigene Meinung und möglicherweise eigene Erfahrungen und jeder hat sicher mehr oder weniger recht.
Wir (hier) können an den Zuständen in den Psychiatrien sicher nichts ändern. Deshalb sehe ich es auch als wenig nützlich an, sich hier einen Schlagabtausch zu liefern. Findest Du nicht auch ?

Gruß Steffi

29.07.2009 17:36 • #24


A
Da kann ich Dir nur zustimmen Steffi ...

29.07.2009 17:56 • #25


S
Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, hier gar nichts zu zu schreiben.

Ich bin von Natur aus ein Mensch, der sich immer beide Seiten eines Themas anschaut.

Zitat von jannis:
Bei der Bekannten war es so, dass sie die Brände stets unter Kontrolle hatte und auch selbst gelöscht hat. Ich habe die Fotos in der Prozeßakte gesehen, der schlimmste Brand hat ein 5 Markstück großes Loch in einen Kissenbezug gesengt, dann hat sie ihn ausgeschlagen.


Ich finde das ganze nicht mehr harmlos. Klar, es ist ja nochmal alles gut gegangen. Aber in solch einem Haus möchte ich auch nicht leben, wo ich weiß, dass jemand gerne mal Feuer macht. Wie lange geht es denn noch gut? Muss man erst ein Haus und die dazugehörigen Menschen abfackeln lassen, um dann zu erkennen, dass sich die Frau leider doch nicht unter Kontrolle hatte. Wo ziehen wir denn hier die Grenzen? Sind wir denn nicht alle entsetzt, wenn etwas grauenvolles geschieht? Dann fragen wir doch hinterher immer sofort, ob das nicht hätte verhindert werden können und warum keiner hin geschaut hat.

Jannis, was würdest Du machen, wenn jemand jeden Tag mit einem Messer vor Dir stehen würde, aber nicht zusticht, weil er sagt, er wolle Dich nur ärgern und er hätte alles unter Kontrolle? Ich fände es nicht lustig.

Trotzdem weiß ich schon, dass es leider Fälle von Menschen gibt, die völlig grundlos in solchen Psychiatrien landen.

Es gibt aber doch wohl einen Unterschied zwischen Zwangseinweisung verbunden mit lebenslangem Wegsperren und einer vorübergehenden Zwangseinweisung. Den habe ich bisher nicht verstanden. Es hört sich alles so an, als würden alle harmlosen Fälle lebenslang auf den geschlossenen Stationen bleiben müssen.

Ich denke, ein wichtiger Faktor sind natürlich auch die Finanzen. Das ist auch mein Kritikpunkt?Wenn hier mehr Geld investiert werden würde, dann könnte es auch viel mehr Betreuungspersonal geben und die Menschen wären, selbst wenn sie auf der geschlossenen liegen, viel besser versorgt und würde nicht nur permanent unter Dro. gesetzt werden, nur damit sie ruhig sind. Da bin ich auch strikt dagegen! Aber ich wüsste nicht, wie ich es ändern könnte.

LG

Sonnenblume20

30.07.2009 15:30 • #26


J
In diesem Fall sprechen wir nicht von Zwangseinweisung nach PsychKG sondern vom Maßregelvollzug nach $ 63 StGB, erstere erfolgt für die Dauer von bis zu sechs Wochen, für letzteres ist das Strafgerichte zuständig und ist zeitlich nicht befristet.

Voraussetzng für die Zwangseinweisung ist die akute Fremd- oder Selbstgefährdung, für den Maßregelvollzug ist Voraussetzung, dass jemand eine Straftat begangen hat und wegen Einschränkung seiner Steuerungsfähigkeit nicht oder nur eingeschränkt schuldfähig ist und in Zukunft erhebliche Straftaten zu erwarten sind, der Maßregelvollzug ist zeitlich nicht beschränkt und dann - faktisch - auch meist lebenslänglich, genau das halte ich für das Problem. Der Gesetzgeber sagt nicht, was erhebliche Straftaten sind, er sagt auch nicht, auf was sich die Gefährlichkeitsprognose stützen muss.

In der Praxis werden daher Menschen eingesperrt, die einen Ministraftat begangen haben, wenn sich nur ein psychiatrischer Gutachter findet, der meint, aufgrund der Persönlichkeitsstörung liegt die Annahme nahe, dass der Betreffende zukünftig schwere Straftaten zum Nachteil der Allgemeinhait verübt. Somit können auch minimale Anlasstaten wie Beleidigung oder Sachbeschädigung für die Anordnuing des Maßregelvollzugs ausreichen.

Jeder normale Straftäter bekommt eine fest definierte Strafe, d.h. er wird zu einem genau definierten Zeitpunkt wieder entlassen, das ist für den psychisch kranken Straftäter außer Kraft gesetzt, ihm werden alle Rechte aufgrund seiner Erkrankung entzogen, das halte ich für skandalös.

31.07.2009 03:09 • #27


J
Mein Tip: Ich würde die rechtliche Beratung Rechtskundigen überlassen.

31.07.2009 12:55 • #28


S
Vielen Dank! Jetzt ist mir erst mal der Unterschied zwischen Zwangseinweisung und Maßregelvollzug klar geworden. Für mich als Laie war das bisher fast dasselbe.

Natürlich finde ich es unter den Aspekten auch skandalös, dass jemand, der keine große Straftat gegangen hat, für Jahre und evt. sogar für immer weg gesperrt werden kann.

Ich kannte persönlich bisher nur das Beispiel von meiner Schwester, die auch mal zwangseingewiesen wurde, weil sie sich umbringen wollte und sehr aggressiv auf meinen Schwager losgegangen ist. Sie hat ca. 2 - 3 Wochen auf einer geschlossenen Station verbracht und wurde hinterher, als sie wieder stabil war an eine Tagesklinik verwiesen.

Dann müsste es hier darum gehen, dass jemand, wie z.b. die Frau, die zündelt,und meiner Meinung nach damit trotzdem die Allgemeinheit in gewissem Maße, gefährdet, zur Behandlung irgendwo eingewiesen wird, aber eben in begrenztem Umfang, solange, bis sie wieder stabil ist. Wahrscheinlich kommt es natürlich auch auf das Ausmaß und die Schwere der Erkrankung an.

Aber wer will das denn immer beurteilen können? Ich denke, das ist extrem schwierig, weil kein Mensch weiß, inwiefern doch eine Rückfallgefahr besteht.Das kann meiner Meinung nach auch kein superguter Psychiater voraussehen.

Trotzdem finde ich die Schilderungen von jannis und auch von moonlightwoman interessant, denn wie schon gesagt, schaue ich mir die Dinge immer von allen Seiten an, konnte bisher noch nicht hinter die Kulissen schauen und bin kein Mensch, der grundsätzlich und sofort jemanden verurteilt. Und ich bin aber auch kein Mensch, der alle Menschen in einen Topf wirft.

Liebe Grüße

Anette

31.07.2009 14:39 • #29


A


Hallo jannis,

x 4#15


J
Nach Monaten bin ich mal wieder über die Seite gestolpert.

Nachtrag, es ist uns tatsächlich gelungen, die Bekannte ist wieder frei und zwar ohne Auflagen. Sie hat auch nie mehr gezündelt und wird dies mit Sicherheit auch zukünftig nicht tun.

Wir hatten Glück mit dem vorsitzenden Richter, ein freundlicher souveräner älterer Herr. Und sie hatte Glück mit ihrem Spitzenverteidiger (den vorherigen habe ich an die Sonne gesetzt).

Die beiden psychiatrischen Gutachter waren dagegen auf Krawall gebürstet, sie waren m.E. auf der Grenze zur Verhaltensauffälligkeit. Wegen der vielen methodischen und inhaltlichen Fehler in deren Gutachten, sind sie allen Prozessbeteiligten gehörig auf den Keks gegangen, man fragt sich echt, mit was die sich in ihrem Studium eigentlich befasst haben, Medizin kanns nicht gewesen sein. Man darf gar nicht darüber nachdenken, dass die auf Patienten losgelassen werden.

Die Frau hatte sehr viel Glück, stabile soziale Kontakte und auch das Geld sich diese Verteidigung leisten zu können. Was ist aber mit den anderen? Als Rechtsanwalt hat mich in dieser Zeit die Frage sehr beschäftigt, ob es sich ein zivilisiertes Land leisten kann, den Zugang zum Recht nur den Privilegierten einzuräumen...

27.12.2009 17:06 • #30

Weiterlesen »




Ähnliche Themen

Hits

Antworten

Letzter Beitrag